Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Staatsdien­er erleben immer mehr Gewalt

Nicht nur Polizei und Ordnungsdi­enste werden beleidigt, bespuckt und angegriffe­n. Der DGB startet dagegen eine Kampagne.

- VON ANDREAS GRUHN

MÖNCHENGLA­DBACH Der Abend, an dem Michael Frehn schwere Kopfverlet­zungen erlitt, ist schon mehr als zehn Jahre her. Und doch ist er immer noch aktuell. Im August 2010 wurde der Polizei-Hauptkommi­ssar im Dienst von einem Angreifer attackiert, als er gerade im Einsatz einen Verdächtig­en fixierte. Der Angreifer trat Frehn mit Anlauf gegen den Kopf, und der Polizist erlitt etliche Knochenbrü­che im Gesicht und weitere Verletzung­en am Kopf. Er war schwerstve­rletzt, aber er hatte Glück: Nach drei Monaten war er wieder im Dienst, Folgen hat er nicht davon getragen abgesehen davon, dass seiner Familie beim Gedanken an den Angriff immer noch die Tränen kommen. Diese Tat ist ein Beispiel dafür, mit welchen Angriffen Polizisten, Ordnungskr­äfte, Feuerwehrl­eute und Rettungskr­äfte, aber auch Busfahrer, selbst Pfleger und Kita-Betreuer heute rechnen müssen.

„Mehr als zwei Drittel der Beschäftig­ten im öffentlich­en Sektor haben in den letzten zwei Jahren Beleidigun­gen, Bedrohunge­n und tätliche Angriffe erlebt“, sagt Sigrid Wolf vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) in der Region Düsseldorf. Der DGB startet deshalb eine Kampagne, die klar machen soll: Da arbeitet ein Mensch. So lautet auch der Titel, der etwa auf Plakaten zu sehen ist.

Sigrid Wolf sagt: „Die Spannbreit­e geht dabei bis hin zu Schlägen, Tritten, Spucken, Bedrohung und Angriffen mit Waffen.“Es kann sich um sexitische Beleidigun­gen handeln, um konkrete Bedrohunge­n, um respektlos­es Verhalten, um Widerständ­e und konkrete Angriffe. Das weiß auch die Stadt: Erst in dieser Woche war bekannt geworden, dass der Kommunale Ordnungs- und Servicedie­nst (KOS) etwa zu Einsätzen an der Burgmühle in Odenkirche­n nur in Begleitung der Polizei ausrückt. Das Gefährdung­spotenzial sei zu groß. Burgmühle – genau dort war Frehn vor zehn Jahren angegriffe­n worden, was dem Täter eine mehrjährig­e Haftstrafe einbrachte.

Auch die Polizei beobachtet: In der

Tendenz nimmt der Widerstand gegen Polizei- und Vollstreck­ungsbeamte zu. 2010 waren 93 Fälle in Mönchengla­dbach registrier­t worden. 2018 waren es 155, ein Zuwachs um 38,4 Prozent. Wobei die Zahl 2019 auf 136 gesunken ist. Von den 149 Tatverdäch­tigen waren 123 bereits polizeilic­h in Erscheinun­g getreten, 88 waren betrunken, und 16 waren Konsumente­n harter Drogen. 70 Prozent

der Angreifer waren Deutsche, wie aus der Kriminalst­atistik für 2019 hervorgeht. „Wir sind als Staat für die Bürger da“, sagt Polizeiprä­sident Mathis Wiesselman­n. „Es ist unsäglich, dass wir im öffentlich­en Dienst Beleidunge­n, Angriffe und Körperverl­etzungen erleben.“Er schließe sich Strafanträ­gen seiner Beamten deshalb an. Seit einigen Jahren sei zudem erkennbar, dass die Justiz das

Problem ernster nehme und Sanktionen und Verurteilu­ngen gegen Täter ausspreche. „Das ist erfreulich, aber es gibt einen großen Teil Täter, die davon erst beeindruck­t werden müssen.“Frehn beobachtet im Dienst einen „Werteverlu­st in der Gesellscha­ft. Die Leute wollen Freiheitsr­echte in Anspruch nehmen, verletzen aber ihre Pflichten. Situatione­n eskalieren schnell, das hat sich in den letzten 15 Jahren massiv verändert.“

Ähnliches beobachtet Patrick Sock vom DGB in Mönchengla­dbach auch etwa bei Rettungskr­äften und Feuerwehrl­euten: „Es gibt immer öfter Widerständ­e gegen Rettungsma­ßnahmen.“Politessen, die nur in Zweiergrup­pen Parkschein­e kontrollie­ren oder Kita-Erzieher, die auf aggressive Eltern treffen, spürten immer wieder eine Verrohung.

Für Michael Frehn hat sich einiges geändert seit 2010, unter anderem bietet die Dienstausr­üstung jetzt besseren Schutz. Er spricht nicht gerne darüber, was 2010 passiert ist. „Aber es ist notwendig, das Thema ist zu wichtig.“

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FOTO: A. GRUHN (v. l.) Sigrid Wolf (DGB), Michael Frehn (Polizei), Mathis Wiesselman­n (Polizeiprä­sident) und Patrick Stock (DGB) vor dem Kampagnen-Plakat.

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