Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Helfer mit Herz unterstützen bedürftige Familien
Bedürftige bekommen in Wegberg Unterstützung von der Initiative „Sankt Martin hilft“. Koordinator Willibert Jansen im Interview.
WEGBERG Beim Pro-Kopf-Einkommen steht die Mühlenstadt Wegberg seit Jahren auf Platz 1 im Kreis Heinsberg und auf Platz 142 von 396 in Nordrhein-Westfalen. Doch das ist nur Statistik. In Wegberg gibt es eine ganze Reihe von bedürftigen Familien, die Hilfe brauchen, weiß Willibert Jansen von „Sankt Martin hilft“. Die Initiative kümmert sich um die Bedürftigen in der Mühlenstadt.
Herr Jansen, was ist die Aufgabe der Initiative „Sankt Martin hilft“?
Willibert Jansen Wir sind eine Initiative der katholischen Pfarrei Sankt Martin Wegberg und unterstützen bedürftige Familien, fördern Kinder und Jugendliche, geben ihnen eine Perspektive, nehmen Fremde auf, begleiten Senioren, schenken Freude und wollen Mitmenschlichkeit in allen Lebenslagen zeigen. Wir stehen Menschen in Wegberg, die Hilfe brauchen, mit Rat und Tat zur Seite – unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihres Alters.
Wie viele Mitstreiter haben Sie?
Jansen Wir haben im Schnitt 35 Ehrenamtler, die uns helfen, Angebote für Bedürftige machen zu können. Unser Netzwerk ist größer, es sind rund 70 Freiwillige, die überwiegend in der Pfarrei Sankt Martin eingebunden sind und sich in Projekten engagieren. Das Kernteam bilden Diakon René Brockers und ich. Wir sind die Koordinatoren und halten die Fäden zusammen.
Welche Angebote macht die Initiative „Sankt Martin hilft“für bedürftige Familien, Kinder und Jugendliche in Wegberg?
Jansen Wir haben fünf laufende Projekte: Den Lernkreis, die Lesementoren, die Kinder- und Jugendarbeit, die Flüchtlingshilfe und den Wunschweihnachtsbaum. Der Lernkreis soll schulische Leistungen der Jugendlichen verbessern und ihr Selbstwertgefühl steigern. In der Kinderund Jugendarbeit steht Freizeitgestaltung im Mittelpunkt. Flüchtlingen helfen wir bei der Integration, bieten
Sprachkurse an, unterstützen bei Behördengängen und vermitteln Wohnraum, Praktikum- und Ausbildungsstellen und Arbeitsplätze. Mit dem Wunschweihnachtsbaum erfüllen wir Kindern aus finanzschwachen Familien Weihnachtswünsche.
Ist denn der Bedarf in Wegberg tatsächlich so groß? Wie viele bedürftige Familien gibt es in der Mühlenstadt?
Jansen Die genauen Zahlen kenne ich nicht. Aber wir haben auf jeden Fall mehr als genug zu tun. Ich bin davon überzeugt, dass die Dunkelziffer viel höher ist als die Zahl derjenigen, die von unserer Arbeit profitieren. Es gibt da eine große Hemmschwelle. Viele scheuen sich, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Fakt ist, dass einige in Wegberg und in den Außenorten wirklich in sehr schlichten bis ärmlichen Verhältnissen leben. Da gibt es mitunter auch Einzelschicksale, die wirklich unter die Haut gehen. Zuletzt haben wir eine Familie mit vielen Kinder betreut, die während des Winterhalbjahres ohne Strom und Heizung gelebt hat. Und das mitten in Wegberg. Nachdem wir hiervon Kenntnis erhalten hatten, konnten wir Gott sei Dank schnell und unbürokratisch helfen und dafür sorgen, dass die Energieversorgung kurzfristig wieder funktionierte.
Wie können Sie in solchen Fällen helfen?
Jansen Dabei geht es häufig um ganz grundsätzliche Dinge. So standen dieser besagten Familie staatliche Hilfen zu, die sie aber nicht beantragen konnte, weil es sprachliche Barrieren gab. Das haben wir dann übernommen. Die Antragsformalitäten sind mitunter sehr kompliziert. Viele Bedürftige sind mit dieser Aufgabe überfordert und verzweifeln daran. Sie fühlen sich alleine gelassen und geben auf. Diese Menschen haben im Alltag meistens ganz andere Probleme, als Nachweise zu sammeln und Antragsbögen auszufüllen. In solchen Fällen stehen wir den betroffenen Personen oder Familien beratend und helfend zur Seite.
Inwiefern ist die Corona-Pandemie ein Problem für Ihre Arbeit?
Jansen Die Kontaktbeschränkungen sind natürlich notwendig, aber sie schränken auch unsere Möglichkeiten erheblich ein. So haben wir schweren Herzens die Freizeitfahrt für Jugendliche in diesem Jahr ausfallen lassen müssen. Ich weiß, dass sich viele junge Leute sehr darauf gefreut haben. Unsere Erfahrung ist, dass die Jugendlichen regelrecht aufleben, wenn sie mit uns unterwegs sind und neue Kontakte knüpfen. Das war leider in diesem Jahr nicht möglich, aber wir hoffen, dass wir die Ferienfreizeit im nächsten Jahr wieder anbieten können. Auch leiden unter der Corona-Pandemie unsere Bildungsangebote, die sich wegen der Infektionsgefahren und der hiermit verbundenen Kontaktbeschränkungen nur sehr schwer umsetzen lassen. Das ist sehr schade, denn gerade in diesen Zeiten brauchen Kinder mit Lerndefiziten Aufmerksamkeit und Unterstützung.
35 aktive Mitarbeiter – das hört sich recht komfortabel an. Benötigen Sie noch Unterstützung?
Jansen Auf jeden Fall! Wir versuchen die ehrenamtliche Arbeit auf möglichst viele Schultern zu verteilen, damit niemand überfordert wird. Das ist nicht immer einfach. Darum wollen wir unser Ehrenamtlernetzwerk ausbauen, zum Beispiel, um alleinstehende Senioren und kranke Menschen intensiver begleiten zu können. Dringend brauchen wir Unterstützung im Lernkreis, um den steigenden Bedarf der Schüler im Hinblick auf Lernförderung gerecht werden zu können. Auch die Kinder- und Jugendarbeit ist durchaus noch ausbaufähig. Wir freuen uns aber auch über Spenden, die es uns erlauben, Projekte wie beispielsweise die beliebte Ferienfreizeit für Kinder und Jugendliche aus bedürftigen Familien anzubieten.
MICHAEL HECKERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.