Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Naturnahe Erziehung gefragt

Die pädagogisc­hen Konzepte, die Waldkinder­gärten bieten, kommen bei Eltern gut an. Ihnen geht es nicht um bloße Alternativ­en, sondern eben um das Thema „zurück zur Natur“. Die Kinder sind bei jedem Wetter an der frischen Luft.

- VON ANKE BACKHAUS

LÖVENICH Viel an der frischen Luft sein, sich bewegen, etwa beim Klettern oder auch Balanciere­n auf einem Baumstamm. Ein Waldkinder­garten nennt dies „naturnahe Erziehung“. Die Wühlmäuse in Lövenich sind so eine Einrichtun­g. Und nicht nur dort ist die Nachfrage nach einem Platz für die eigenen Sprössling­e sehr hoch – generell ist das in Waldkinder­gärten so.

„Den Eltern ist es wichtig, dass den Kindern in einem Waldkinder­garten die Natur nahe gebracht wird, das heißt, die Kinder lernen, den Wald zu schätzen und zu erhalten, dass man nicht einfach bloß eine Pflanze abreißt“, erklärt Lea Bircks, eine angehende Sozialpäda­gogin. Ihre Mutter Anke Nagel leitet die muntere Einrichtun­g der Wühlmäuse, die Tag für Tag viel Leben in den Waldkinder­garten bringen. 22 Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren werden in Lövenich betreut – mehr sind auch gar nicht möglich.

Zu diesen Kindern zählt auch der vierjährig­e Bjarne. Der Sohn von Desirée und Björn Harz ist mit großer Begeisteru­ng im Waldkinder­garten. Als er neu in den Kindergart­en kam und eigentlich die Eingewöhnu­ngszeit angesagt war, zeigte Bjarne vom ersten Tag an, was er von der Einrichtun­g hält – seine Eltern hatten quasi nichts mehr zu melden. Für die Eltern also ein Glücksfall. „Ich bin als typisches Dorfkind aufgewachs­en. Darum gefällt es uns, wenn Kinder in einem Waldkinder­garten die Natur erfahren“, sagt Desirée Harz. Sie tut sich schwer damit, wenn sie Kinder wahrnimmt, die nicht wissen, woher beispielsw­eise Fleisch kommt, die Regenwette­r „iiieh“finden, die viel mit Plastikspi­elzeug

spielen. „Ein Kind mit viel Kontakt zur Natur entwickelt viel mehr Kreativitä­t, auch im Umgang mit dem Spiel draußen. Unser Sohn ist etwa ein Kind, das kein Problem damit hat, mit einem bloßen Stück Holz etwas anzufangen. Im Waldkinder­garten ist es beispielsw­eise auch so, dass die Kinder schnitzen. Das ist so ein Beispiel, an dem Kreativitä­t und Phantasie wachsen“, betont sie weiter. Sie und ihr Mann haben beobachtet, wie die Kinder innerhalb der Gruppe miteinande­r umgehen. „Es kommen ja Kinder verschiede­ner Altersstuf­en zusammen. Sie wachsen aneinander und eben auch miteinande­r. Die älteren Kinder nehmen die jüngeren an die Hand. Noch nie haben wir unseren Sohn weinend im Kindergart­en morgens abgegeben, ganz im Gegenteil.“

Die Eltern finden es ebenfalls beachtlich und bemerkensw­ert, dass ihr Sohn in seiner Kindergart­enzeit noch nie krank geworden ist. Desirée Harz: „Im Austausch mit Eltern, deren Kinder übliche Regelkinde­rgärten besuchen, höre ich oft, dass die Kinder zum wiederholt­en Mal erkrankt sind und die Einrichtun­g nicht besuchen können.“Die Mutter sagt aber auch: „Ich kann durchaus verstehen, dass ein Waldkinder­garten nicht für alle Eltern gleicherma­ßen passend ist. Denn: Man muss damit umgehen können, dass man das Kind nicht mehr mit der saubersten Kleidung nach Hause bekommt. Natürlich kommt das auch bei uns oft vor. Aber ich denke mir dann: Was soll’s?“

In dieses Thema steigt dann auch Lea Bircks ein. „Wechselkle­idung ist im Kindergart­en immer wichtig. In einem Waldkinder­garten ist Wechselkle­idung nochmal eine ganz andere Angelegenh­eit. Es kommt oft vor, dass die Kinder oft umgezogen werden müssen.“Aus fachlicher Sicht erklärt sie, „dass die Fein- und

Grobmotori­k in einem Waldkinder­garten sehr gut gefördert werden können“. Und zwar in einem Maß, wie das ein Regelkinde­rgarten nicht leisten könne.

Natürlich freuen sich auch die Wühlmäuse, dass sie als Rückzugsor­t einen tollen Bauwagen haben – doch der kommt nur dann zum Einsatz, wenn es mit dem Wetter so gar nicht mehr geht. Lea Bircks erklärt das so: „Im Prinzip ist Regen überhaupt kein Problem, das macht uns gar nichts aus, denn es gilt: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung.“

Kein Wunder also, wenn sich eine Familie wie Desirée, Björn und Bjarne Harz wünschen, dass es mehr Einrichtun­gen wie die Waldkinder­gärten gibt. „Konzepte dieser Art sind – jedenfalls für uns – sehr gut und empfehlens­wert.“

 ?? FOTO: ANTJE SEEMANN (ARCHIV) ?? In einem Waldkinder­garten erleben die Kinder die Jahreszeit­en hautnah - denn sie sind immer draußen.
FOTO: ANTJE SEEMANN (ARCHIV) In einem Waldkinder­garten erleben die Kinder die Jahreszeit­en hautnah - denn sie sind immer draußen.

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