Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Städte ringen um Ausgangssp­erren

In manchen Corona-Hotspots in NRW gibt es nächtliche Ausgangssp­erren, in anderen nicht. Die Zurückhalt­ung hat auch damit zu tun, dass die Kontrolle der strengen Regeln schwierig ist.

- VON CLAUDIA HAUSER UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Nicht alle Städte in Nordrhein-Westfalen, die stark von der Pandemie betroffen sind, halten Ausgangssp­erren für sinnvoll. „Wir verspreche­n uns davon keine zusätzlich­e positive Wirkung“, sagte eine Sprecherin der Stadt Bonn. Die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche lag dort am Mittwoch bei 214,5, während der Landesschn­itt mit 172,5 deutlich niedriger war. Unter anderem habe ein Ausbruch in einer Flüchtling­sunterkunf­t die Zahlen in die Höhe getrieben, sagte die Sprecherin in Bonn. „Wir testen aber auch viel mehr als im Frühjahr, also gibt es auch mehr positive Testergebn­isse“, fügte sie hinzu.

Auch in Duisburg (Inzidenz 214) gilt noch keine Ausgangssp­erre. „Es ist eine mögliche Maßnahme, die vielleicht noch ins Spiel kommt, im Moment aber noch nicht“, sagte ein Sprecher der Stadt.

Bund und Länder haben sich darauf verständig­t, dass in Hotspot-Regionen

mit einer Inzidenz über 200 besonders scharfe Corona-Maßnahmen möglich sind – darunter Ausgangssp­erren. 16 der 53 Kreise und kreisfreie­n Städte des Landes lagen am Mittwoch laut Landeszent­rum für Gesundheit über dieser Schwelle.

Verhängt eine Stadt oder ein Kreis eine Ausgangssp­erre, darf die eigene Wohnung in einem vorgegeben­en Zeitraum nur mit triftigem Grund verlassen werden – etwa wenn der Hund rausmuss oder die Spätschich­t ansteht. Doch die Definition eines zwingenden Grundes fällt sehr individuel­l aus. „Wir werden gefragt, ob man morgens um fünf joggen oder nach 22 Uhr noch umziehen kann“, sagte eine Sprecherin des Kreises Lippe. Dort lag der Inzidenzwe­rt am Mittwoch mit 297 landesweit am höchsten; zwischen 22 und 6 Uhr gilt die Ausgangssp­erre.

In Nordrhein-Westfalen gibt es keine landesweit­en Ausgangsbe­schränkung­en wie etwa in Bayern. Hotspots mit einer Inzidenz von mehr als 200 können sie in Abstimmung mit dem Land anordnen. Ausgangssp­erren gibt es nach Angaben des NRW-Gesundheit­sministeri­ums

außer in den Kreisen Düren und Lippe in Solingen und in einzelnen Gemeinden des Kreises Minden-Lübbecke.

Der Städte- und Gemeindebu­nd NRW versteht die Zurückhalt­ung. „Eine Ausgangssp­erre ist für viele das letzte Mittel, weil sie ein erhebliche­r Eingriff in die Grundrecht­e ist und das Ganze kontrollie­rt werden muss“, sagte ein Sprecher. Das sieht Mehrdad Mostofizad­eh, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Grünen-Landtagsfr­aktion, genauso. Wichtiger sei eine Hotspot-Strategie für die Städte mit Inzidenzen über 200 mit klaren Maßnahmen. „Bislang verweigert sich die Landesregi­erung einer solchen Strategie und wälzt damit die Verantwort­ung auf die Kommunen ab“, kritisiert­e er. Konkret nannte Mostofizad­eh die Durchsetzu­ng von Abstandsre­geln im öffentlich­en Raum und den Schutz gefährdete­r Gruppen in Pflegeheim­en oder häuslicher Pflege. „Dafür muss sichergest­ellt werden, dass die Tests in den Einrichtun­gen durchgefüh­rt sowie Schutzmask­en an die Mitarbeite­r und Bewohner verteilt werden.“

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty sagte, es gebe in den Hotspots immer noch Unbelehrba­re, die nachts auf Straßen und Plätzen Alkohol tränken: „Da helfen nur noch Ausgangssp­erren. Leicht fällt mir das nicht.“Aber bei 952 Toten deutschlan­dweit am Mittwoch – einem neuen Höchststan­d – sei die Zeit der Bitten und Appelle vorbei.

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