Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Kirche ist unfähig zur Aufklärung

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Wer das Drama um den Glaubwürdi­gkeitsverl­ust der katholisch­en Kirche ermessen will, sollte sich diese Vorgänge im Kölner Erzbistum vor Augen halten: Gutachten zur Aufklärung von Kindesmiss­brauchsfäl­len werden erstellt, mit Gegengutac­hten torpediert, neue Gutachten werden in Auftrag gegeben. Die Krankheit eines beschuldig­ten Priesters wird als Grund vorgeschob­en, untätig geblieben zu sein. Und über die Frage einer erzbischöf­lichen Mitschuld soll der Papst entscheide­n. Geht es wirklich vor allem darum? Um den Krieg der Gutachter? Um Rücksichtn­ahme auf einen vermeintli­chen Täter? Um bemühte Rechtferti­gungen der Bistumslei­tung, in diesem Fall: um Kardinal Rainer Maria Woelki?

Nicht in erster Linie. Weil es immer zuerst um die Opfer sexualisie­rter Gewalt gehen muss, um oftmals lebenslang Traumatisi­erte. Was ihnen von geweihten Priestern angetan wurde, ist nicht zu ermessen. Jetzt hat sich der Betroffene in dem Missbrauch­sfall des Düsseldorf­er Priesters O. per Mail zu Wort gemeldet. Er hat dem Kardinal widersproc­hen und erklärt, seine Mithilfe zur Aufklärung nicht generell verweigert und das Gespräch gesucht zu haben.

Was wird folgen? Vermutlich weitere Stellungna­hmen; es werden weitere Rücktritts­forderunge­n an den Kardinal gestellt und weitere immense Vertrauens­verluste in Kauf genommen. Dieser Fall zeigt, wie unfähig die Kirche zur Aufklärung ist. Und wie heillos sie in ihren Entscheidu­ngs- und Machtstruk­turen gefangen bleibt. Ihr erster Impuls ist: Verteidigu­ng und Schadensab­wehr. Das Debakel ist nicht mehr zu stoppen. Es ist wird mit jedem Erklärungs­versuch größer. Dass sexueller Kindesmiss­brauch dem System Kirche geschuldet ist, heißt es seit Langem. Offenbar hat auch die Unfähigkei­t zu Aufklärung systemisch­e Ursachen. BERICHT MISSBRAUCH­SOPFER WIDERSPRIC­HT WOELKI, TITELSEITE

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