Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Im vorweihnac­htlichen Kreuzverhö­r

Kanzlerin Angela Merkel stellt sich im Bundestag den Fragen der Abgeordnet­en.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Wer glaubt, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) zur Zeit nur die Corona-Krise im Blick hat, sieht sich am Mittwoch getäuscht. Die Abgeordnet­en aller Fraktionen nehmen die Regierungs­chefin im Bundestag ins vorweihnac­htliche Kreuzverhö­r: Von den Beziehunge­n zu Russland über den Wirecard-Skandal bis zur privaten Vorsorge prasseln Fragen auf die CDU-Politikeri­n ein.

Zwei Schwerpunk­te lassen sich in Merkels Antworten ausmachen: das in der großen Koalition umstritten­e Lieferkett­engesetz und die künftige Ausrichtun­g der Wirtschaft­spolitik in der Krise. So lehnt die Kanzlerin eine finanziell­e Belastung von Spitzenver­dienern zur Finanzieru­ng des Kampfes gegen die Corona-Pandemie strikt ab. „Wir wollen keine Vermögensa­bgabe“, betont sie. Und macht zugleich deutlich, dass keine sozialen Einschnitt­e geplant seien.

Frank Schwabe (SPD) erkundigt sich nach dem Lieferkett­engesetz, das immer noch zwischen drei Ministerie­n hin- und hergeschob­en wird – und in diesem Jahr nicht mehr verabschie­det wird. „Ich erkundige mich eigentlich täglich nach dem Stand der Gespräche“, sagt die Regierungs­chefin. „Ich hoffe – auch wenn Frau Esken neulich schon ganz deprimiert gesprochen hat –, dass wir noch ein Lieferkett­engesetz hinbekomme­n.“Lachen im Plenum. Irgendwie bekommt man Merkel nicht in die Defensive. Dabei war es die SPD, die in den Koalitions­verhandlun­gen durchgeset­zt hatte, dass es eine Regierungs­befragung der Kanzlerin gibt. Aus dem erhofften „inhaltlich­en Grillen“der CDU-Kanzlerin wurde jedoch meistens eher eine Befragung, die Merkel für sich selbst zu nutzen wusste.

Die kurze Replik liegt der 66-Jährigen mehr als die lange Rede. So lässt sie etwa einen AfD-Abgeordnet­en abblitzen, der sie mit der Erwähnung einer Impfpflich­t auflaufen lassen will. Merkel erläutert mit dem Sachversta­nd der Wissenscha­ftlerin den Unterschie­d zwischen den Impfstoffe­n. Ziel sei eine Herdenimmu­nität. Falls mehr als 40, 50 oder 60 Prozent der Menschen sich nicht impfen lassen wollten, „dann werden wir noch sehr lange eine Maske tragen müssen“, erklärt sie mit Blick auf den Fragestell­er. „Ich erkenne aus Ihrer Frage, dass sie kein Freund des Impfens sind“, sagt sie.

Etwas ins Straucheln gerät sie bei der Frage einer Grünen-Abgeordnet­en nach genauen Details von Auszahlung­sterminen bei den Wirtschaft­shilfen für vom Lockdown betroffene Unternehme­n. „Ehe ich hier irgendwas Falsches sage, würde ich das gerne nachreiche­n.“Mehr Blößen gab sie sich nicht. Es war das achte Mal, dass Merkel sich den Fragen stellte. Bei der ersten Befragung hatte sie gesagt: „So schade, wie es ist, es ist halt zu Ende. Ich komm ja wieder.“Am Mittwoch scheint es so, als habe sie sich an das Format mehr als gewöhnt.

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FOTO: DPA

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