Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Im vorweihnachtlichen Kreuzverhör
Kanzlerin Angela Merkel stellt sich im Bundestag den Fragen der Abgeordneten.
BERLIN Wer glaubt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Zeit nur die Corona-Krise im Blick hat, sieht sich am Mittwoch getäuscht. Die Abgeordneten aller Fraktionen nehmen die Regierungschefin im Bundestag ins vorweihnachtliche Kreuzverhör: Von den Beziehungen zu Russland über den Wirecard-Skandal bis zur privaten Vorsorge prasseln Fragen auf die CDU-Politikerin ein.
Zwei Schwerpunkte lassen sich in Merkels Antworten ausmachen: das in der großen Koalition umstrittene Lieferkettengesetz und die künftige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in der Krise. So lehnt die Kanzlerin eine finanzielle Belastung von Spitzenverdienern zur Finanzierung des Kampfes gegen die Corona-Pandemie strikt ab. „Wir wollen keine Vermögensabgabe“, betont sie. Und macht zugleich deutlich, dass keine sozialen Einschnitte geplant seien.
Frank Schwabe (SPD) erkundigt sich nach dem Lieferkettengesetz, das immer noch zwischen drei Ministerien hin- und hergeschoben wird – und in diesem Jahr nicht mehr verabschiedet wird. „Ich erkundige mich eigentlich täglich nach dem Stand der Gespräche“, sagt die Regierungschefin. „Ich hoffe – auch wenn Frau Esken neulich schon ganz deprimiert gesprochen hat –, dass wir noch ein Lieferkettengesetz hinbekommen.“Lachen im Plenum. Irgendwie bekommt man Merkel nicht in die Defensive. Dabei war es die SPD, die in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hatte, dass es eine Regierungsbefragung der Kanzlerin gibt. Aus dem erhofften „inhaltlichen Grillen“der CDU-Kanzlerin wurde jedoch meistens eher eine Befragung, die Merkel für sich selbst zu nutzen wusste.
Die kurze Replik liegt der 66-Jährigen mehr als die lange Rede. So lässt sie etwa einen AfD-Abgeordneten abblitzen, der sie mit der Erwähnung einer Impfpflicht auflaufen lassen will. Merkel erläutert mit dem Sachverstand der Wissenschaftlerin den Unterschied zwischen den Impfstoffen. Ziel sei eine Herdenimmunität. Falls mehr als 40, 50 oder 60 Prozent der Menschen sich nicht impfen lassen wollten, „dann werden wir noch sehr lange eine Maske tragen müssen“, erklärt sie mit Blick auf den Fragesteller. „Ich erkenne aus Ihrer Frage, dass sie kein Freund des Impfens sind“, sagt sie.
Etwas ins Straucheln gerät sie bei der Frage einer Grünen-Abgeordneten nach genauen Details von Auszahlungsterminen bei den Wirtschaftshilfen für vom Lockdown betroffene Unternehmen. „Ehe ich hier irgendwas Falsches sage, würde ich das gerne nachreichen.“Mehr Blößen gab sie sich nicht. Es war das achte Mal, dass Merkel sich den Fragen stellte. Bei der ersten Befragung hatte sie gesagt: „So schade, wie es ist, es ist halt zu Ende. Ich komm ja wieder.“Am Mittwoch scheint es so, als habe sie sich an das Format mehr als gewöhnt.