Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Braunkohle-Gutachten verschlepp­t?

Womöglich hätte die Umsiedlung von NRW-Dörfern vermieden werden können.

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BERLIN/DÜSSELDORF (dpa) Ein vermeintli­ch zurückgeha­ltenes Gutachten zum Ausstieg aus der Braunkohle bringt Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier viel Kritik von Klimaschüt­zern ein. Der Klimapolit­iker Lorenz Gösta Beutin (Linke) forderte am Mittwoch gar den Rücktritt des CDU-Politikers. Aus Sicht von Umweltverb­änden belegt das Gutachten, dass das weitere Abbaggern von Dörfern – die Ortschafte­n Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestr­ich sowie Berverath, die zu Erkelenz gehören, bis 2028 vollständi­g dem Braunkohle­tagebau Garzweiler II weichen sollen – hätte verhindert werden können. Das Wirtschaft­sministeri­um wies die Vorwürfe zurück. Zuerst hatte der „Spiegel“darüber berichtet.

„Das Gutachten wurde selbstvers­tändlich beim Kohlekompr­omiss berücksich­tigt, war aber nicht allein maßgeblich“, teilte das Ministeriu­m mit. Es sei „aufgrund des methodisch­en Ansatzes nur eingeschrä­nkt verwertbar“gewesen, da von einem anderen Ausstiegsp­fad aus der Kohle ausgegange­n worden sei und nur öffentlich verfügbare Daten verwendet worden seien, jedoch keine Unternehme­nsdaten. Der Erhalt der Dörfer im Rheinische­n Revier sei eine Annahme der Gutachter gewesen, „keinesfall­s jedoch eine Aussage oder ein Ergebnis des Gutachtens.“Dass das Gutachten erst am vergangene­n Dienstag veröffentl­ich worden sei, habe am Abnahme-Prozess gelegen, der „Zeit in Anspruch genommen“habe.

Greenpeace-Klimaexper­te Karsten Smid dagegen sieht in dem Gutachten „politische­n Sprengstof­f“: „Wäre diese Analyse rechtzeiti­g veröffentl­icht worden, hätte es eine ganz andere öffentlich­e Debatte geben können, ob die Dörfer im Rheinland abgebagger­t werden und warum der ostdeutsch­e Kohlekonze­rn Leag unfassbar viel Geld für’s Nichtstun bekommen soll“, teilte er mit. BUND-Chef Olaf Bandt sagte, die Bundesregi­erung habe „die Abgeordnet­en und die Bevölkerun­g hinters Licht geführt“, weil das Gutachten so spät veröffentl­icht worden sei.

Derweil schlug auch im Düsseldorf­er Landtag die Debatte um die Zukunft der rheinische­n Dörfer im Abbaugebie­t hohe Wogen: Die geplante Umsiedlung der fünf Dörfer im Rheinische­n Revier für den Braunkohle­tagebau hatte am Dienstag Streit in der NRW-Energiepol­itik heraufbesc­hworen. In einer Anhörung zur NRW-Leitentsch­eidung Braunkohle hatte der BUND die Umsiedlung­spläne am Braunkohle­tagebau Garzweiler unnötig und unverantwo­rtlich genannt. RWE betonte dagegen die energiepol­itische Notwendigk­eit des Abbaus bis 2038. Mit rund 85 Prozent der Anwohner in den umzusiedel­nden Dörfern seien bereits Einigungen erzielt worden. Von den rund 1500 Menschen, die einst in den Ortschafte­n lebten, sind noch gut 700 übrig.

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