Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Warum der Rat trotz Lockdowns tagt.
Absagen und Alternativen, eine große Sitzung zu verhindern, waren nicht mehr möglich. Also griffen die Ratsfraktionen zu einer List, damit sich nicht 80 Politiker im Lockdown treffen mussten.
MÖNCHENGLADBACH Am ersten Tag des harten Lockdowns trafen sich am Mittwoch ein paar Dutzend Menschen in der Krahnendonkhalle in Neuwerk – weil sie es mussten. Trotz der geltenden Kontaktbeschränkungen kamen die Kommunalpolitiker des Stadtrates zusammen, entsprechende Ausnahmen in der Corona-Schutzverordnung machen das möglich. Das sorgte für scharfe Kritik des CDU-Ratsherrn Willi Schmitz, der in einer persönlichen Erklärung schimpfte: „Wir machen eine Sitzung, die nicht nötig ist. Neuss, Iserlohn, Kalkar, Kleve und Dinslaken hatten den Mut, Ratssitzungen abzusagen. Es ist grob fahrlässig, so viele Menschen an einem Ort zu versammeln.“
Wie Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) sagte, habe es aber keine Alternativen gegeben. Satzungsentscheidungen wie etwa zu Müllgebühren standen an, „die in diesem Jahr getroffen werden müssen. Wir konnten die Sitzung deshalb nicht absagen.“
Rechtlich möglich wäre es zwar gewesen, die Aufgaben des Rates dem wesentlich kleineren Hauptausschuss zu übertragen – aber nur bei genügend Vorlauf. Den gab es nicht, die Verordnung stammt vom Wochenende. In Parlamenten gibt es als Alternativen Abstimmungen nach Fraktionsstärke. Das aber sehe die Gemeindeordnung NRW für Stadträte nicht vor, so Heinrichs. Beim Stadtrat handelt es sich eben nicht um ein Parlament, wie es der Landtag oder der Bundestag ist.
So blieb nur noch eine Möglichkeit, wenigstens nicht alle 76 Ratsmitglieder in der Krahnendonkhalle antreten zu lassen: Die Ratsfraktionen von SPD, Grünen, FDP, Linken, CDU und der Gruppe von „Die Partei“verständigten sich vorab darauf, einen Teil der Ratsmitglieder zu Hause zu lassen und eben nicht in voller Mannschaftsstärke anzutreten. „Wir wollen einen Beitrag zur Kontaktreduzierung leisten und es Ratsmitgliedern ermöglichen, die selbst ein erhöhtes Risiko tragen oder in ihrer Familie haben, der Ratssitzung fernzubleiben“, sagte FDP-Fraktionschefin Nicole Finger.
Die CDU kam deshalb mit 15 statt 26 Ratsmitgliedern, die SPD mit 15 statt 20 Politikern, von den Grünen waren acht statt 16 Mandatsträger dabei, zwei statt vier Liberale, ein Linker statt wie sonst drei und von „Die Partei“einer statt zwei Politikern. Die AfD war hingegen mit allen vier Fraktionsmitgliedern vertreten, hinzu kam ein fraktionsloses Ratsmitglied. Dadurch blieb die Mehrheit der Ampel mit 25 Stimmen gewährleistet. Gleichzeitig mussten die Fraktionen aber darauf achten, dass der Stadtrat auch beschlussfähig blieb. Dazu mussten mehr als die Hälfte der Ratsmitglieder, also 39, an der Sitzung teilnehmen. Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Keinem Ratsmitglied darf es verboten werden, an der Sitzung teilzunehmen.
Weil die Pandemie vermutlich auch vor dem nächsten Ratszug, der im Januar beginnt, nicht Halt machen wird, gibt es nun Überlegungen, dem Hauptausschuss vorab die Rechte zu übertragen, wie SPD-Fraktionschef Janann Safi sagte. Das wäre dann aber ausgerechnet zum Haushaltsbeschluss, der das städtische Finanzpaket und damit die gesamten Planungen der kommenden zwei Jahre festlegt. Im Frühjahr hatte der damalige Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners dazu die damaligen Ratsmitglieder befragt. Damals war die Mehrheit aber dafür, die Ratssitzungen stattfinden zu lassen.
Für die Sitzung am Mittwoch hat dessen Nachfolger Felix Heinrichs die Tagesordnung daher anders strukturiert: Die Themen, bei denen die Fraktionen vorab am meisten Diskussionsbedarf angemeldet hatten, wurden zu Beginn der Sitzung verhandelt. Beschlüsse, die nach Beratungen in den Fachausschüssen nur noch durchgewunken wurden, standen daher am Ende der Tagesordnung. Das soll auch künftig so bleiben: „Wir wollen die Sitzungen zu Beginn für die Öffentlichkeit interessanter machen“, kündigte Heinrichs an.