Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Mit Studium in die Pflege
Wie wichtig der Pflegeberuf für die Gesellschaft ist, haben die vergangenen Monate gezeigt. Der Weg dorthin kann aber nicht nur über eine Ausbildung, sondern auch über ein Studium erfolgen.
DÜSSELDORF Der Pflegeberuf ist beliebt wie nie zuvor: Im Jahr 2019 haben sich so viele Menschen in Deutschland wie nie für eine Ausbildung in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege entschieden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes traten 8,2 Prozent mehr Menschen eine Pflegeausbildung an als 2018. Doch nicht nur eine Ausbildung führt in die Pflege. Mit Pflege-Studiengängen reagieren auch einige Hochschulen in der Region inzwischen auf die wachsende Nachfrage von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Altenheimen nach fachkundigem Pflegepersonal.
„Die Pflege befindet sich schon seit einigen Jahren in einem Prozess der Akademisierung“, sagt Wolfgang Pasch, Studiengangsleiter des Bachelor-Studiengangs „Pflege und Gesundheit“an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf. „Das liegt vor allem daran, dass die Ausbildung nahezu im gesamten europäischen Ausland an Hochschulen erfolgt, das Pflege-Studium also dort die Normalfall ist. Deutschland war eines der wenigen Länder ohne akademisierte Pflege-Ausbildung, und das führte natürlich häufig zu Anerkennungs-Problemen.“Zunächst gab es Studiengänge wie Pflegewissenschaften oder Pflegemanagement, in den vergangenen Jahren sind vermehrt auch pflegerische Studiengänge für die direkte Versorgung Pflegebedürftiger entstanden. In Nordrhein-Westfalen wurden in den vergangenen zehn Jahren an sieben Hochschulstandorten elf Studiengänge ins Leben gerufen, in denen Studierende für eine Berufstätigkeit im Gesundheitswesen ausgebildet werden. „Das Studium als Zugang zur Pflege ist allerdings vielen jungen Menschen, die sich für den Pflegeberuf interessieren, immer noch unbekannt. Viele stolpern eher zufällig darüber, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz“, sagt Pasch. „Dabei zeigt die Pandemie: Wir brauchen gut ausgebildete Pflegekräfte, die eigenverantwortlich komplexe Prozesse steuern können.“
Das Studium ist – so auch an der Fliedner Fachhochschule, die zur Kaiserswerther Diakonie gehört – gekennzeichnet durch einen Wechsel aus Theorie und Praxis. „Wir haben einen hohen Praxisanteil von 2300 Stunden, die unsere Studierenden bei Praxispartnern verbringen, also in verschiedenen Krankenhäusern, in Seniorenheimen oder der stationären Langzeitpflege“, sagt Wolfgang Pasch. Im Studium an der Fachhochschule werde all das Wissen vermittelt, das auch in der „normalen“Ausbildung an einer Berufsfachschule relevant sei. Im Lernprozess sei aber mehr Eigenverantwortung und mehr Eigeninitiative gefragt. Zusätzlich erweitern die Studierenden ihre Kompetenzen auf Felder wie Prozesssteuerung, Problemlösung und Wissensrecherche.
„Gleichzeitig kennen sie die wissenschaftlichen Grundlagen ihres pflegerischen Handelns und Methoden wissenschaftlichen Arbeitens.“
Die studierten Pflegerinnen und Pfleger begegnen den Medizinern im Krankenhaus auf Augenhöhe, so Wolfgang Pasch. Um schon im Studium Berührungsängste abzubauen, gibt es gemeinsame Seminare und Vorlesungen mit Medizinstudierenden der Heinrich-Heine-Universität. „In Fachdiskussionen sind unsere Studierenden sprachfähig, sie haben ein anderes Selbstverständnis und ein anderes Selbstbewusstsein als Pflegekräfte ohne Studium. Sie haben Lust darauf, Verantwortung zu übernehmen – für Patienten ebenso wie für Prozesse in der Klinik oder dem Pflegeheim.“
Eine Verbleibstudie der Absolventen der Pflegestudiengänge in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2019 ergab, dass den Pflegerinnen und Pflegern mit Hochschulabschluss von ihren Arbeitgebern ein höheres Maß an Reflexionsvermögen und kritischem Hinterfragen etablierter Strukturen und Prozesse, eine bessere Problemlösungskompetenz sowie ein stärkerer Fokus auf Evidenzbasierung und die Anwendung standardisierter Instrumente zur Diagnostik attestiert werden.
Ein grundsätzliches Manko an der Akademisierung des Pflegeberufs legt Wolfgang Pasch offen dar: Es gibt für die Studierenden keine gesetzlich festgeschriebene Vergütung für ihre Praxiseinsätze. „Wir als Fliedner Fachhochschule suchen allerdings vor allem nach Praxispartnern, die eine Vergütung zahlen.“Denn das Vollzeitstudium mit Einsätzen im Schichtdienst mache es häufig auch unmöglich, nebenbei zu jobben. „Da besteht noch Nachbesserungsbedarf seitens der Gesetzgebung.“
Die Absolventen des Pflege-Studiums, die übrigens einen Bachelor ebenso wie ein Staatsexamen erhalten, gehen in den allermeisten Fällen zunächst in die direkte Versorgung von pflegebedürftigen Menschen, so die Beobachtung von Studiengangsleiter Pasch. „Auch mehrere Jahre nach dem Abschluss sind 80 Prozent in der Patientenversorgung.“Im weiteren Karriereverlauf übernehmen die Pflegerinnen und Pfleger mit Bachelor-Abschluss dann Projektverantwortung, gehen ins Qualitätsmanagement oder in die Weiterentwicklung von Pflege. Andere spezialisieren sich in einem Master-Studium, zum Beispiel auf den wichtigen Feldern der Beatmung, der Ernährung oder anderen Gebieten.
„Es gibt einen großen Bedarf an Fachkräften, und die Patienten profitieren ganz klar von diesem Fachwissen“, so Wolfgang Pasch. Laut einer Studie der University of Pennsylvania steigt die Versorgungsqualität in Krankenhäusern durch den Einsatz akademisch ausgebildeten Pflegepersonals. Gleichzeitig sinkt die Mortalitätsrate um bis zu zehn Prozent.