Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Corona-Pandemie belastet Familien schwer
Arbeiten im Homeoffice oder Schließungen von Kitas und Schulen bleiben für Eltern und Kinder in den meisten Fällen nicht ohne Folgen. Ein Teil von ihnen braucht dann Hilfe und wendet sich an Beratungsstellen. Der Bedarf ist größer geworden.
MÖNCHENGLADBACH Das Coronavirus stellt für viele Menschen eine Herausforderung dar. Das gilt in besonderem Maß auch für Familien. Die Pandemie hat krasse Auswirkungen auf ihren Alltag, vor allem wenn Routinen – wie aktuell in einem Lockdown – wegbrechen. Das sorgt oftmals für Probleme.
Folgen Die Herausforderungen für Eltern sind gewachsen. Das berichtet Banu Goekhan-Bagdatli; die Diplom-Psychologin leitet die städtische Erziehungsberatungsstelle. Aktuell müssten sich Familien – insbesondere solche mit kleinen Kindern – flexibel und kurzfristig darauf einstellen, dass die Betreuung in Kitas und Schulen nicht immer möglich ist. Zudem müssten Eltern sich aufgrund des Homeschoolings mehr mit den schulischen Leistungen ihrer Kinder befassen und ihnen bei den Hausaufgaben helfen – zusätzlich zur Arbeit zu Hause oder im Büro. „Diese ungeahnte zusätzliche Organisationsanforderung belastet viele Familien und führt bis heute zu zahlreichen familiären Spannungen“, sagt Goekhan-Bagdatli.
Doch nicht jede Familie ist von der Pandemie gleich betroffen. Das berichtet auch Edeltraud Tönnis, Koordinatorin der Familienberatungsstelle vom Diakonischen Werk in Mönchengladbach. „Das ist schwierig zu verallgemeinern“, sagt sie. „Corona verschärft die Schwächen aber auch die Stärken.“Was sie meint: Einerseits stelle der Lockdown – verbunden etwa damit, dass Schulen schließen – Eltern vor Riesenaufgaben. Andererseits gäben jedoch manche Familien an, dass sich das Leben verlangsamt habe. Sie hätten weniger Stress. „Die Familien verbringen mehr Zeit miteinander, sind in der Natur unterwegs oder spielen mehr zusammen“, ergänzt ihr Diakonie-Kollege Jörg Lückner, Abteilungsleiter der Erziehungshilfe.
Beratungsbedarf Die Nachfrage ist insgesamt gestiegen. Laut Tönnis sind die Anmeldezahlen für eine Beratung bei der Diakonie zwar in etwa gleich geblieben, sie könnten aber bedeutend höher sein. Denn etliche Familien würden erst in der Zeit nach dem Coronavirus
die Hilfe der Experten in Anspruch nehmen wollen. In der städtischen Beratungsstelle hat sich der Beratungsaufwand um circa 30 Prozent gesteigert. „Die Anlässe für die Beratungen sind vielschichtiger und vielfältiger geworden“, berichtet Goekhan-Bagdatli. Das führt sie unter anderem darauf zurück, dass Familienmitglieder nicht mehr die Möglichkeit haben, sich zwischendurch voneinander zu distanzieren und, dass sich die bestehenden Probleme durch Beschränkungen im
Alltag und existenziellen Sorgen zuspitzen.
Probleme Umgang Homeoffice, Lernbetreuung oder Hausunterricht sind die größten Sorgen. „Homeoffice funktioniert nur dann gut, wenn genug Ressourcen vorhanden sind“, sagt Tönnis. Eltern sollten ein eigenes Arbeitszimmer haben, am Küchentisch oder in einer Ecke im Schlafzimmer funktioniere es nicht – vor allem dann nicht, wenn Kinder um die Eltern herumwuseln. „Fällt die Kinderbetreuung weg, ist
Der mit
das ein Kraftakt für die Eltern.“Besonders bei Alleinerziehenden sind die Probleme deshalb groß.
Das hänge aber immer auch vom Alter der Kinder ab, so Lückner. Jüngere störten häufiger bei der Arbeit, ältere hingegen weniger, müssten aber mehr bei Schulaufgaben betreut und motiviert werden, wobei Konflikte entstehen. „Eltern sind nicht immer auch gute Lehrer“, so Tönnis. Ähnliches berichtet Goekhan-Bagdatli von der städtischen Erziehungsberatungsstelle in Bezug auf dieses Thema: „Die Eltern geben an, sich meistens überlastet zu fühlen.“
Auch andere Themen beschäftigen viele Eltern. Zum Beispiel, dass ihre Kinder derzeit viel mehr vor dem PC oder dem Smartphone hängen und für sie weniger Freizeitaktivitäten möglich sind. Zudem haben einige Eltern Angst um ihren Job oder streiten sich mehr. Bei der Diakonie lassen sich deshalb derzeit mehr Paare beraten als üblich.
Hilfen Die Beratungsstellen bieten weiter ihre Unterstützung an – am Telefon und teilweise auch bei persönlichen Treffen. Dabei werden stets die aktuell geltenden Hygienemaßnahmen eingehalten. Die Lösungen sind jedoch von Fall zu Fall und Familie zu Familie unterschiedlich.