Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Corona-Pandemie belastet Familien schwer

Arbeiten im Homeoffice oder Schließung­en von Kitas und Schulen bleiben für Eltern und Kinder in den meisten Fällen nicht ohne Folgen. Ein Teil von ihnen braucht dann Hilfe und wendet sich an Beratungss­tellen. Der Bedarf ist größer geworden.

- VON JAN LUHRENBERG STADT MÖNCHENGLA­DBACH

MÖNCHENGLA­DBACH Das Coronaviru­s stellt für viele Menschen eine Herausford­erung dar. Das gilt in besonderem Maß auch für Familien. Die Pandemie hat krasse Auswirkung­en auf ihren Alltag, vor allem wenn Routinen – wie aktuell in einem Lockdown – wegbrechen. Das sorgt oftmals für Probleme.

Folgen Die Herausford­erungen für Eltern sind gewachsen. Das berichtet Banu Goekhan-Bagdatli; die Diplom-Psychologi­n leitet die städtische Erziehungs­beratungss­telle. Aktuell müssten sich Familien – insbesonde­re solche mit kleinen Kindern – flexibel und kurzfristi­g darauf einstellen, dass die Betreuung in Kitas und Schulen nicht immer möglich ist. Zudem müssten Eltern sich aufgrund des Homeschool­ings mehr mit den schulische­n Leistungen ihrer Kinder befassen und ihnen bei den Hausaufgab­en helfen – zusätzlich zur Arbeit zu Hause oder im Büro. „Diese ungeahnte zusätzlich­e Organisati­onsanforde­rung belastet viele Familien und führt bis heute zu zahlreiche­n familiären Spannungen“, sagt Goekhan-Bagdatli.

Doch nicht jede Familie ist von der Pandemie gleich betroffen. Das berichtet auch Edeltraud Tönnis, Koordinato­rin der Familienbe­ratungsste­lle vom Diakonisch­en Werk in Mönchengla­dbach. „Das ist schwierig zu verallgeme­inern“, sagt sie. „Corona verschärft die Schwächen aber auch die Stärken.“Was sie meint: Einerseits stelle der Lockdown – verbunden etwa damit, dass Schulen schließen – Eltern vor Riesenaufg­aben. Anderersei­ts gäben jedoch manche Familien an, dass sich das Leben verlangsam­t habe. Sie hätten weniger Stress. „Die Familien verbringen mehr Zeit miteinande­r, sind in der Natur unterwegs oder spielen mehr zusammen“, ergänzt ihr Diakonie-Kollege Jörg Lückner, Abteilungs­leiter der Erziehungs­hilfe.

Beratungsb­edarf Die Nachfrage ist insgesamt gestiegen. Laut Tönnis sind die Anmeldezah­len für eine Beratung bei der Diakonie zwar in etwa gleich geblieben, sie könnten aber bedeutend höher sein. Denn etliche Familien würden erst in der Zeit nach dem Coronaviru­s

die Hilfe der Experten in Anspruch nehmen wollen. In der städtische­n Beratungss­telle hat sich der Beratungsa­ufwand um circa 30 Prozent gesteigert. „Die Anlässe für die Beratungen sind vielschich­tiger und vielfältig­er geworden“, berichtet Goekhan-Bagdatli. Das führt sie unter anderem darauf zurück, dass Familienmi­tglieder nicht mehr die Möglichkei­t haben, sich zwischendu­rch voneinande­r zu distanzier­en und, dass sich die bestehende­n Probleme durch Beschränku­ngen im

Alltag und existenzie­llen Sorgen zuspitzen.

Probleme Umgang Homeoffice, Lernbetreu­ung oder Hausunterr­icht sind die größten Sorgen. „Homeoffice funktionie­rt nur dann gut, wenn genug Ressourcen vorhanden sind“, sagt Tönnis. Eltern sollten ein eigenes Arbeitszim­mer haben, am Küchentisc­h oder in einer Ecke im Schlafzimm­er funktionie­re es nicht – vor allem dann nicht, wenn Kinder um die Eltern herumwusel­n. „Fällt die Kinderbetr­euung weg, ist

Der mit

das ein Kraftakt für die Eltern.“Besonders bei Alleinerzi­ehenden sind die Probleme deshalb groß.

Das hänge aber immer auch vom Alter der Kinder ab, so Lückner. Jüngere störten häufiger bei der Arbeit, ältere hingegen weniger, müssten aber mehr bei Schulaufga­ben betreut und motiviert werden, wobei Konflikte entstehen. „Eltern sind nicht immer auch gute Lehrer“, so Tönnis. Ähnliches berichtet Goekhan-Bagdatli von der städtische­n Erziehungs­beratungss­telle in Bezug auf dieses Thema: „Die Eltern geben an, sich meistens überlastet zu fühlen.“

Auch andere Themen beschäftig­en viele Eltern. Zum Beispiel, dass ihre Kinder derzeit viel mehr vor dem PC oder dem Smartphone hängen und für sie weniger Freizeitak­tivitäten möglich sind. Zudem haben einige Eltern Angst um ihren Job oder streiten sich mehr. Bei der Diakonie lassen sich deshalb derzeit mehr Paare beraten als üblich.

Hilfen Die Beratungss­tellen bieten weiter ihre Unterstütz­ung an – am Telefon und teilweise auch bei persönlich­en Treffen. Dabei werden stets die aktuell geltenden Hygienemaß­nahmen eingehalte­n. Die Lösungen sind jedoch von Fall zu Fall und Familie zu Familie unterschie­dlich.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Eltern sind oft überforder­t, wenn sie zu Hause arbeiten und sich gleichzeit­ig um die eigenen Kinder kümmern müssen (Symbolfoto).
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Eltern sind oft überforder­t, wenn sie zu Hause arbeiten und sich gleichzeit­ig um die eigenen Kinder kümmern müssen (Symbolfoto).
 ?? FOTO: LÜCKNER ?? Jörg Lückner leitet die Erziehungs­hilfe bei der Diakonie.
FOTO: LÜCKNER Jörg Lückner leitet die Erziehungs­hilfe bei der Diakonie.
 ??  ?? Banu Goekhan-Bagdatli berät Eltern bei der Stadt.FOTO:
Banu Goekhan-Bagdatli berät Eltern bei der Stadt.FOTO:

Newspapers in German

Newspapers from Germany