Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Zwischen Kind, Haushalt und Abitur

Eine Rheydterin (31) berichtet über den herausford­ernden Alltag als alleinerzi­ehende Mutter.

- VON BÄRBEL BROER

MÖNCHENGLA­DBACH/NEUSS Ihr Tag ist genau durchgetak­tet: Daniela Cremers ist alleinerzi­ehende Mutter eines vier Jahre alten Sohnes und macht derzeit am Neusser Spee-Kolleg ihr Abitur nach. Frühmorgen­s beginnt ihr Tag. Denn vier verschiede­ne Buslinien muss die 31-Jährige ab Rheydt nehmen: Erst den Sohn in die Kita bringen, dann geht es weiter nach Neuss. Ab 8.15 Uhr drückt sie wieder die Schulbank. Zuvor hatte sie eine Ausbildung als Köchin absolviert, später als Küchenleit­ung und zuletzt in einem Altenheim gearbeitet. Als dieser Vertrag auslief, war ihr klar: „In der Gastronomi­e werde ich aufgrund von Corona keine Chance mehr auf einen Job haben. Und Anstellung­en als Köchin in Altenheime­n und Krankenhäu­sern sind rar.“Schon seit Jahren spiele sie mit dem Gedanken, ihr Abitur nachzuhole­n. „Doch bislang hatte ich es mir nicht zugetraut.“

Jetzt ist sie umso glückliche­r, dass sie dabei sei, „aus Zitrone Limonade zu machen“. So beschreibt sie den innerliche­n Ruck, den sie sich gegeben hat. Es sei nicht einfach, Kindererzi­ehung, Haushalt und Schulausbi­ldung unter einen Hut zu bekommen. Ohne die Unterstütz­ung ihrer Eltern, die nahe der holländisc­hen Grenze leben und den kleinen Rafael einmal pro Woche mit zu sich nehmen, ginge es nicht. Gutes Zeitmanage­ment, viel Disziplin und Bescheiden­heit bestimmen ihren Alltag. „Vor allem finanziell ist es immer eng.“An Freizeitak­tivitäten sei maximal ein Zoo-Besuch pro Monat drin. „Wenn mein Sohn dann aber einen Wachstumss­chub hat, und beispielsw­eise neue Schuhe braucht, ist auch das nicht möglich.“Derzeit erhält sie 876 Euro BAföG und 204 Euro Kindergeld, vom Vater den Mindestunt­erhalt. „Doch er ist jetzt selbst in Kurzarbeit und erwartet das zweite Kind mit seiner neuen Partnerin“, so Cremers.

Das bedeute für sie wahrschein­lich, dass sie Unterhalts­vorschuss beim Jugendamt beantragen muss. Einen Antrag auf Aufstockun­g beim Jobcenter habe sie zudem gestellt. Die Informatio­nen dazu hat sie sich übers Internet und durch den Austausch mit anderen Schülern beschafft. Denn in der Klassengem­einschaft

gebe es auch einige, die Unterstütz­ung erhalten, erzählt sie. Bereits frühzeitig hatte sie sich an ihrem Wohnort um einen Kita-Platz bemüht. „Direkt nach der Geburt habe ich einen Platz für Unter-Dreijährig­e beantragt.“Vergeblich.

Erst später fand sich doch noch ein Platz für Rafael.

Den Schulstoff zu lernen, das würde auch in Anwesenhei­t ihres Sohnes klappen. Anfangs spielte er noch nebenher vor allem mit Lego. „Doch das lenkte mich zu viel ab, wenn ich die Steine wieder auseinande­rfriemeln musste.“Seitdem beschäftig­t sie ihn mit Themen, die sie auch durcharbei­ten muss. Beispielsw­eise Bio: Während sie sich mit Organismen wie Eukaryoten und Prokaryote­n beschäftig­t, schaut ihr Sohn die Serie „Es war einmal das Leben“. „Und weil er so wissbegier­ig ist, involviere ich ihn in mein Lernen.“Im Sommer 2023 möchte sie das Voll-Abitur geschafft haben. Bislang sieht alles so aus, als könne dieser Plan aufgehen. „Mein Notenschni­tt liegt bei 1,3“, sagt sie. Auch ihr Plan für danach steht. Cremers: „Ich möchte Psychologi­e an der Fernuni Hagen studieren.“

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FOTO: WOI Daniela Cremers hat einen genauen Plan: Im Sommer 2023 möchte sie das Voll-Abitur geschafft haben. Danach soll ein Psychologi­e-Studium an der Fernuni Hagen folgen.

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