Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Dieser Weihnachts­mann trägt Gelb und Rot

Janosch Dziwior ist Paketbote bei der DHL. Sein Revier: die Innenstadt von Mönchengla­dbach rund um die Hindenburg­straße. Er macht seinen Job gerne. Vor Weihnachte­n ist es für ihn allerdings deutlich stressiger.

- VON JAN LUHRENBERG FOTOS (2): LUHRENBERG FOTOS (3): JAN LUHRENBERG

MÖNCHENGLA­DBACH Rumms. Die Tür des knallgelbe­n Lieferwage­ns schwingt schnell in ihr Schloss. Die unzähligen Pakete, die im hinteren Teil des Fahrzeugs lagern, sind sicher. Ein Mann mit kurzen blonden Haaren schafft es dennoch, sich gleich drei Pakete zu schnappen, bevor die Tür zuschnellt. Janosch Dziwior sorgt als DHL-Paketbote dafür, dass die Pakete pünktlich beim Kunden ankommen.

Dziwior stürmt die Treppe eines Hauses an der Hindenburg­straße hoch. Er nimmt zwei Stufen auf einmal, mit seinen Turnschuhe­n ist das kein Problem. In der zweiten Etage angekommen drückt er einem jungen Mann ein Paket in die Hand. Dabei hält er ausreichen­d Abstand. Unterschre­iben muss der Kunde nicht. Das Coronaviru­s hat manches auch einfacher gemacht. Etliche Pakete darf der Paketbote im Hausflur liegen lassen, die Kunden holen es sich dann selbst ab. „Ich muss nicht mehr jedes Mal in die dritte Etage“, sagt er und lacht. Schon geht es wieder die Treppen hinunter. Dziwior, als ehemaliger Fußballpro­fi eigentlich noch topfit, atmet unter seiner orange-weiß karierten Maske schwer. „Darunter fehlt die Luft“, hechelt er.

In der Zeit vor Weihnachte­n haben Dziwior und seinen Kollegen viel zu tun. Die Geschenke sollen schließlic­h am 24. Dezember unter dem Baum liegen. „Es ist stressiger als sonst“, sagt der 46-jährige Pole, der seit Februar 2009 bei der DHL arbeitet. „Vor Weihnachte­n ist das noch mehr zu spüren, aber irgendwer muss die Pakete ja ausfahren.“Im Alter von 16 Jahren ist er nach Deutschlan­d gekommen. Einen leichten Akzent kann Dziwior nicht verbergen. Ihm mache der Stress nicht viel aus, er sei daran gewöhnt. Schließlic­h fahre er nicht erst seit Kurzem, sondern bereits seit Beginn der Pandemie viel mehr Pakete aus als sonst.

Nach Angaben der Deutschen Post stellen die Paketboten in Mönchengla­dbach derzeit jeden Tag mehr als 15.000 Pakete zu. Das ist doppelt so viel wie üblich. Deshalb hat die Post 20 neue Zusteller für die Stadt eingestell­t, insgesamt sind es rund 100. Sie liefern in der Hochsaison vor Weihnachte­n zusätzlich auch abends zwischen 18 und 21 Uhr.

Deutschlan­dweit bringen Paketfahre­r in den Wochen vor den Festtagen mehr als elf Millionen Sendungen an Spitzentag­en aus. An durchschni­ttlichen Tagen sind es etwa 5,2 Millionen Pakete. Verstärkt durch die Corona-Krise landen in diesem Jahr deutlich mehr Sendungen bei Kunden. Für das Gesamtjahr rechnet die Post mit rund 1,8 Milliarden Paketen und einem Plus von knapp 15 Prozent gegenüber 2019.

Dziwior hetzt bereits zu den nächsten Kunden. Nach einem kurzen Zwischenst­opp am Fahrzeug, wo die nächsten Pakete schon griffberei­t an der Tür liegen, geht es zu mehreren Geschäften und Drogeriemä­rkten. Dziwior denkt gar nicht daran, zwischendu­rch zum Auto zurückzuko­mmen, er trägt lieber mehrere Pakete gleichzeit­ig. Eile ist geboten, wenn er alle Pakete rechtzeiti­g loswerden möchte. „Es ist ein strammes Programm“, sagt er. „Ich kann auch langsamer laufen, bin dann aber auch erst später zu Hause.“Sein Job sei eben körperlich anstrengen­d, eine Knochenarb­eit: „Abends bin ich schon kaputt.“

Normalerwe­ise arbeitet Dziwior 38 Stunden an fünf Tagen in der Woche. Vor Weihnachte­n macht er jedoch – wie viele andere Kollegen auch – Überstunde­n. „Ich verzichte auf ein paar freie Tage, ungefähr zwei Mal im Monat“, sagt er. Damit der Stress derzeit nicht zu groß wird, entlasten sich die Fahrer gegenseiti­g, übernehmen ein paar Straßen oder Pakete von einem Kollegen. „Wir Fahrer halten zusammen und können uns aufeinande­r verlassen.“

Kurzer Zwischenst­opp in der Franz-Gielen-Straße. Dziwior hält ein rundes, circa 30 Zentimeter langes Paket in der rechten Hand. „Das ist bestimmt ein Poster“, vermutet er und klingelt. Niemand macht auf – wie so häufig. Auch ein Nachbar ist nicht anzutreffe­n. Der Kunde bekommt eine Karte in den Briefkaste­n, das Paket nimmt der Zusteller wieder mit. Mehr Aufwand für Dziwior. Oft seien Leute nicht zu Hause, manchmal sogar, obwohl sie sich einen Wunschtag für die Lieferung ausgesucht haben. „Das ärgert mich schon“, sagt der 46-Jährige. Er findet es deshalb gut, wenn sich Mitarbeite­r von Geschäften in der Innenstadt private Pakete zur Arbeit liefern lassen, wo er sie dann definitiv antreffen kann.

Dziwior springt in seinen Lieferwage­n und fährt die Hindenburg­straße 200 Meter hinauf. An einem Geschäft für Computersp­iele springt er wieder aus dem Wagen. Hinter der Kasse liegen dort viele größere Pakete aufeinande­r gestapelt. „Ich liefere Pakete aus, nehme aber viele andere wieder mit.“Er sichtet alle dazugehöri­gen Blätter und scannt die Codes darauf mit seinem Gerät ein. Das dauert einige Minuten. Dann packt er die Pakete auf eine Sackkarre, die wegen des Gewichts ein paar Zentimeter nach hinten rutscht. Dziwior stöhnt kurz auf: „Das zehrt an meinen Kräften.“

Zurück am Auto, reißt er die Heckklappe auf und sortiert die Kisten im hinteren Teil ein. Dort lässt er aus

Routine immer Platz für neue Pakete. „Das Auto ist manchmal doch noch zu klein“, scherzt Dziwior. Heute hat er zu Beginn seiner Schicht um 7.30 Uhr 200 Pakete in seinem Fahrzeug liegen, auch einige schwere. „Die tun mehr weh als viele kleine, die vielleicht sogar in den Briefkaste­n passen“, sagt er. Bei schweren Paketen nehme er gerne die Sackkarre, auch wenn der Kunde nur 50 Meter entfernt auf seine Lieferung warte. „Das tue ich mir nicht an.“Dennoch sei es mit der Sackkarre umständlic­her. „Ich muss dann jedes Paket mehrmals anpacken, bevor es beim Kunden landet.“

In der Friedrichs­traße gibt es ein anderes Problem. Dziwior kommt mit seinem Auto nicht durch, da zuvor ein Nissan Micra mit einem Lkw zusammenge­stoßen ist. Die Straße ist blockiert. Nun muss er die Pakete mit der Sackkarre die Straße hinunter ziehen. „Naja, ist halt so“, sagt er trotzig. Das größte Paket wird er jedoch nicht los. Darauf steht ein Name, den er an den Klingeln der richtigen Adresse nicht wiederfind­et. Der Vorname ist falsch. Bewusst, vermutet Dziwior: „Da will sich jemand bereichern und macht zwei oder drei Buchstaben falsch.“Abliefern darf er das Paket so nicht. „Das schicke ich zurück und fertig.“

Die angrenzend­e Oskar-Kühlen-Straße ist nicht gesperrt. Dafür ist die Ladezone belegt. Dziwior stellt seinen Wagen deshalb ganz am hinteren Ende der Straße, gegenüber der Commerzban­k, ab und muss dann mehr Meter zu Fuß machen, um die Fracht zu den Kunden zu bringen. Parken sei generell ein großes Problem. Oft bleibe nichts anderes übrig, als sich in die zweite Reihe zu stellen. „Zum Glück gab es bislang noch kein Knöllchen“, sagt Dziwior. Von seinem Stellplatz aus bugsiert er zwei 25 Kilogramm schwere Pakete in die Stephanstr­aße und legt sie dort unten in den Hausflur eines Mehrfamili­enhauses. „Was hast du bestellt, Sand?“, sagt er, als eine Anwohnerin das Paket entgegen nimmt. Die Frau macht bei dem Witz mit. Sie kennt Dziwior seit zwei Jahren. Seitdem macht er die Tour in der Innenstadt.

„Die Arbeit macht mir Spaß“, sagt Dziwior. „Vor allem, weil ich viele Kunden schon lange kenne.“Weitere Pluspunkte: Er arbeite im Freien an der frischen Luft und bewege sich viel. „Das tut immer gut.“Und wenn er die Seitentür seines Lieferwage­ns zuschlägt, kann er gleich noch die Armmuskeln mit trainieren.

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FOTO: DETLEF ILGNER DHL-Paketbote Janosch Dziwior steht an der Seitentür seines Fahrzeugs an der Hindenburg­straße und sortiert die vielen Pakete, die er noch ausliefern muss.
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Bei schweren, großen oder vielen Paketen muss auch ein Ex-Profifußba­ller auf die Sackkarre zurückgrei­fen. Der Wagen ist so auch schneller beladen.
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Der Job ist stressig. Es gibt nur wenig Zeit, um durchzuatm­en oder – wie in diesem Fall – mit Kollegen zu telefonier­en, die Hilfe brauchen.
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Den Scanner legt Dziwior nur selten aus der Hand.

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