Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Gegner müssen Angstschwe­iß auf der Stirn haben

Der Ex-Borusse wundert sich, warum die Erfolge in der Königsklas­se Gladbach für die Liga keine Energie geben, und nimmt die Führungssp­ieler in die Pflicht.

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Ich habe mich tatsächlic­h nach einer Borussia-Niederlage gefreut! Das ist bisher nur passiert, wenn ich als Trainer mit dem Karlsruher SC in Gladbach gewonnen habe. Aber dass Borussia trotz des 0:2 bei Real Madrid erstmals das Achtelfina­le der Champions League erreicht hat, ist für den Klub eine tolle Sache. Darum ist das Ergebnis bei Real in den Hintergrun­d gerückt. Was das Spiel angeht, muss ich leider sagen: Borussia war wie das Kaninchen vor der Schlange. Dabei haben die Jungs das doch gar nicht nötig gehabt, das haben sie in den anderen Spielen in der Königsklas­se gezeigt. Daher sind sie verdient eine Runde weitergeko­mmen. Was ich aber nicht verstehen kann: Warum können die Borussen das Erlebnis mit dem Achtelfina­le und anderen starken Auftritte in Europa in der Bundesliga so selten in positive Energie umsetzen?

Sie haben in zig Spielen geführt und nicht gewonnen! Dabei können sie doch mit ganz breiter Brust unterwegs sein und sagen: ,Hey, wir gehören zu den besten 16 Teams in Europa! Egal, wer jetzt kommt, den hauen wir weg!’ Mit der Einstellun­g muss man dann auch auflaufen, die Gegner müssen sie spüren, insbesonde­re bei Heimspiele­n. Sie müssen wissen: ,Hier ist nichts zu holen für uns!’ Sie müssen Angstschwe­iß auf der Stirn haben.

Das habe ich leider insbesonde­re bei Borussias Heimspiele­n nicht gesehen. Natürlich, ohne Zuschauer ist es schwerer, ein Stadion in eine Festung zu verwandeln, aber man muss sich dann eben selbst motivieren. Es ist einerseits Sache des Trainers, dem Team das zu vermitteln. Er muss den Spielern immer wieder klar machen, was sie drauf haben. Und im Spiel muss er immer Einfluss nehmen. Keiner muss so emotional an der Linie arbeiten wie Jürgen Klopp oder ich, aber man muss immer präsent sein und dem Team Impulse geben.

Oder man spielt mal mit Psychotric­ks. Als wir damals mit dem KSC im Europapoka­l gegen Valencia spielten, hatten wir das Hinspiel 1:2 verloren. Vor dem Rückspiel habe ich den Jungs das Hinspiel ohne Ton gezeigt und dann noch die Farbe rausgenomm­en. Schauen Sie sich mal ein Spiel so an, es ist gruselig. Dann hauten Oliver Kahn und Wolfgang Rolff, die Bosse, auf den Tisch und riefen: „Nein, gegen die fliegen wir nicht raus!“Und auf einmal hatte ich elf Gewinner im Team. Heute nennt man so etwas Oldschool, aber ich glaube, es wirkt noch immer.

Aber auch die Führungssp­ieler sind dafür verantwort­lich, das Team zu pushen. Sie müssen es anheizen in der Kabine. Lars Stindl, Yann Sommer, Matthias Ginter, Christoph Kramer, Stefan Lainer, das sind doch Jungs, die schon einiges erlebt haben. Und wenn es mal eine Phase gibt wie jetzt, dann muss die Mannschaft das auch mal unter sich klären: Trainer raus, Tür zu und Tacheles reden, alles auf den Tisch bringen, was ein Problem sein kann. Solche Selbstrein­igungsproz­esse sind wichtig, daraus wachsen Leader. Borussias Situation ist nicht dramatisch, aber man muss kriselige Situatione­n im Keim ersticken.

Ein Wort noch zu der Spuckattac­ke von Marcus Thuram im Spiel gegen Hoffenheim. Der Junge tut mir leid. Er ist ein starker Typ, die Art und Weise, wie er spielt, macht mir Spaß. Jetzt hat er Riesen-Mist gemacht, er weiß selbst, dass so etwas gar nicht geht. Die Geschichte wird an ihm kleben. Thuram wird in den nächsten Spielen durch die Hölle gehen, da muss er bestehen. Winfried Schäfer (70) spielte von 1968 bis 1970 sowie 1977 bis 1985 insgesamt 263-mal für Gladbach. Er wurde 1970 Meister mit Borussia und gewann 1979 den Uefa-Cup mit Gladbach. Schäfer gehört zum Kolumniste­n-Kreis, der in dieser Saison für unsere Redaktion exklusiv über Themen rund um Borussia schreibt.

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FOTO: IMAGO Winfried Schäfer.

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