Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Schnellimb­iss im Schatten des Vulkans

Bei Ausgrabung­sarbeiten in Pompeji fanden Archäologe­n eine sehr gut erhaltene Snackbar. Die Speisen wurden an Ort und Stelle zubereitet und konnten mitgenomme­n werden. Ein Gast war offenbar mit dem Koch unzufriede­n.

- VON WOLFRAM GOERTZ

POMPEJI Warum isst der Römer, was isst der Römer, wann isst der Römer? Diese drei Kernfragen zur Nahrungsau­fnahme sind in der lateinisch­en Literatur gut beantworte­t. Lukrez beantworte­t Frage eins: weil der Mensch tagsüber an Substanz verliert (Schweiß, Toiletteng­änge) und dieses Defizit ausgleiche­n muss. „Neue Nahrung soll den Leib stärken und seine Kraft erneuern“, heißt es im vierten Buch von „De rerum natura“(„Von der Natur der Dinge“).

Auch die Essenszeit­en sind bestens dokumentie­rt, die Speisen nicht minder, etwa bei Plinius dem Jüngeren: Für ein Abendessen erwähnt er Kopfsalat, Schnecken, Eier, Grütze mit Honigtunke, Oliven, Mangoldwur­zeln, Melonen. Schwein aßen die Römer lieber als Rind (galt als trocken und zäh); Huhn wurde geliebt, war aber teuer, von Lamm gar nicht zu reden. Manche gaben sich der Völlerei hin, Plinius hingegen kennt viele Leute, die „nach altem Brauch tagsüber nur leichte und einfache Kost zu sich nahmen“. Wein wurde gern verdünnt, was der Wahrheitsf­indung offenbar keinen Abbruch tat („In vino veritas“).

Wer nun aber wenig Zeit hatte, sich selbst an den Herd zu stellen, der gönnte sich zuweilen auch Fastfood. Jedenfalls taten dies offenbar die Bewohner der im Jahr 79 durch einen Ausbruch des Vesuv zerstörten Stadt Pompeji. Archäologe­n haben jetzt bei Ausgrabung­en einen Schnellimb­iss gefunden, der überrasche­nd gut erhalten ist. Dem Kunden bietet das sogenannte Thermopoli­um (alter Ausdruck für Gaststätte, zusammenge­setzt aus den griechisch­en Begriffen „thermos“für warm und „polein“für verkaufen) seine Töpfe kunsthandw­erklich perfekt an – mit einem farbenfroh bemalten Tresen und auch Abdrücken von Speisen. In Tontöpfen, die warmgehalt­en wurden, entdeckten die Archäologe­n zudem einige Entenknoch­en und Reste von Schweinen, Ziegen, Fischen und Schnecken.

„Die Analysemög­lichkeiten sind außergewöh­nlich, weil erstmals auch die Umgebung ausgegrabe­n wurde“, teilte der Leiter der Ausgrabung­en, Massimo Osanna, mit. „Das Lokal scheint hastig geschlosse­n und von seinen Besitzern verlassen worden zu sein“, sagte Osanna. Nach seinen Worten fanden die Forscher zudem die Überreste eines Mannes, der offenbar von den heißen Vulkandämp­fen getötet wurde.

Der bemalte Tresen war neben einer Nymphe auf einem Seepferdch­en vor allem mit Alltagssit­uationen und Tieren verziert. Die abgebildet­en Enten und ein Hahn waren wohl Tiere, die hier geschlacht­et, zubereitet und verkauft wurden. In dem Steintisch sind außerdem Löcher eingelasse­n, von denen die Forscher vermuten, dass darin die Speisen zum Verkauf auslagen und auch warmgehalt­en wurden.

Fragen bleiben offen: Haben die Budenbetre­iber nur verkauft oder wie moderne Fastfood-Ketten auch schnellen Verzehr auf der Hand im Lokal ermöglicht? Das werden wir nicht erfahren. Unklar ist auch, wer Nicias war. Den Spruch „Nicias – schamloser Scheißer“hat jedenfalls ein unbekannte­r Spötter neben einem der Gemälde in Latein eingeritzt. War Nicias möglicherw­eise der Ladenbesit­zer, dem ein Gast etwas Freches reinwürgen wollte, weil ein Hähnchen zu mickrig ausgefalle­n war?

Nicias wird es gelesen, sich zuerst geärgert, dann aber einen berühmten Spruch gemurmelt haben: „Nunc vino pellite curas!“(„Nun vertreibt mit Wein die Sorgen“). Vermutlich hatte er einen guten Tropfen gleich in der Nähe.

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FOTO: LUIGI SPINA/PARCO ARCHEOLOGI­CO/DPA Archäologe­n haben in Pompeji einen intakten Tresen ausgegrabe­n. In den Vertiefung­en wurden die Speisen zubereitet.

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