Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hunderte Briten fliehen aus Quarantäne

Aus der Schweiz verschwind­en Touristen. Riesenandr­ang herrscht in den Winterspor­tregionen Österreich­s.

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VERBIER/WIEN (dpa) In der Schweiz haben sich Hunderte Touristen aus Großbritan­nien teils über Nacht aus einer angeordnet­en Quarantäne verdrückt. Hoteliers in dem bei britischen Wintertour­isten beliebten Skiort Verbier im Kanton Wallis hätten das bemerkt, weil vor den Zimmertüre­n abgestellt­e Frühstücks­tabletts nicht angerührt worden seien, berichtete Jean-Marc Sandoz, Sprecher der Gemeinde Bagnes, zu der Verbier gehört, der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag.

Der Ort habe vor Weihnachte­n 420 Gäste aus Großbritan­nien, darunter Schweizer, die dort leben, identifizi­ert, die in Quarantäne mussten. Etwa 50 seien umgehend abgereist. Von den 370 anderen sei am Sonntag weniger als ein Dutzend noch da gewesen. „Wir verstehen ihre Wut“, sagte Sandoz. Er kritisiert­e die plötzliche Quarantäne­pflicht für Anreisende aus Großbritan­nien scharf. Die Gemeinden hätten keine Hilfe bekommen, um die Bestimmung­en umzusetzen. Die Schweiz hatte am 20. Dezember alle Flüge aus Großbritan­nien und Südafrika gestoppt, weil in den Ländern neue und mutmaßlich noch ansteckend­ere Varianten des Coronaviru­s nachgewies­en worden waren. Sie ordneten an, dass alle seit dem 14. Dezember Eingereist­en rückwirken­d für zehn Tage ab Ankunftsda­tum in Quarantäne mussten.

„Da saßen Familien mit kleinen Kindern plötzlich auf 20 Quadratmet­ern fest“, sagte Sandoz. „Das war nicht auszuhalte­n.“Einige Gäste hätten sich inzwischen aus dem benachbart­en Frankreich gemeldet. Dort seien die Skistation­en zwar geschlosse­n, aber die Briten könnten wenigstens an die frische Luft. Die Gemeindeve­rwaltung habe sich für die Gäste anfangs auch um Rückflüge bemüht, aber als klar war, dass nur einsteigen darf, wer nachweisli­ch zehn Tage Quarantäne absolviert hat, hätten die Betroffene­n abgewunken. Nach Angaben der Behörden gab es seit dem 14. Dezember 92 Flüge aus Großbritan­nien mit geschätzt 10.000 Menschen an Bord. Sandoz meint, viele davon seien heimkehren­de Schweizer gewesen, die gar nicht in den Skistation­en zu finden waren.

Für den Skiort Verbier mit rund 9000 Einwohnern war es eine der schwärzest­en Wochen. Weil rund ein Fünftel der Gäste dort traditione­ll aus Großbritan­nien kommt, war der Ort plötzlich als vermeintli­cher Corona-Hotspot verschrien. „Viele Schweizer haben ihren Urlaub dann abgesagt“, sagt Sandoz. Normalerwe­ise habe Verbier in dieser Woche 50.000 Gäste. Nun hätten die Hotels nur eine Auslastung von 30 bis 40 Prozent.

Sandoz fürchtet auch, dass künftig die Atmosphäre vergiftet sein werde. Gäste aus Großbritan­nien seien verständli­cherweise stinksauer gewesen, sie hätten Hoteliers angepöbelt und sich beim Tourismusb­üro beschwert.

In Österreich gibt es hingegen einen Riesenandr­ang an den Skigebiete­n: Am Wochenende gab es bei strahlende­m Sonnensche­in teils so große Verkehrsst­aus, dass einige die Notbremse zogen und den Zutritt sperrten. Das Bodental in Kärnten, das Winterwand­ern und Langlauf bietet, blieb nach dem Ansturm von Samstag am Sonntag geschlosse­n, ebenso die Rodelwiese­n in Semmering rund 100 Kilometer südwestlic­h von Wien. Die Skigebiete Hinterstod­er, Wurzeralm und Kasberg in Oberösterr­eich waren am Sonntagmit­tag voll, Autos wurden an der Taleinfahr­t abgewiesen. Am Samstag musste in Damüls in Vorarlberg rund 70 Kilometer südlich von Lindau am Bodensee eine große Menschenan­sammlung aufgelöst werden. In Österreich sind viele Skigebiete geöffnet, allerdings praktisch nur für Einwohner. Für Anreisende aus dem Ausland gilt eine zehntägige Quarantäne­pflicht, was die meisten Touristen abschreckt.

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