Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Am Kilimandscharo Grenzen überwunden
Personal Trainer Stefan Corsten hat zum zweiten Mal mit einer Gruppe nach einem Jahr Vorbereitung Afrikas höchsten Gipfel bestiegen.
FITNESS Ein Glücksgefühl will sich in diesem besonderen Moment nicht einstellen. Der Körper ist völlig ausgelaugt von den Anstrengungen der vergangenen Stunden, und die Luft ist so dünn, dass der Kopf permanent schmerzt. Das mit der Freude muss also noch warten, als Stefan Corsten gemeinsam mit seinen acht Klienten auf dem Gipfel des Kilimandscharo steht. „Im Grunde ging es erst besser, als wir über 2000 Höhenmeter tiefer wieder in der Hütte saßen. Da kamen dann die ersten Gespräche auf und dieser Gedanke, dass man da gerade etwas Überragendes geschafft hat“, sagt Corsten. Bereits zum zweiten Mal hat der 35 Jahre alte Mönchengladbacher im vergangenen Oktober mit einer Gruppe auf dem höchsten Punkt des afrikanischen Kontinents gestanden. Es ist ein spezielles Angebot des Fitnesstrainers – der zuvor selbst keine Erfahrungen mit dem Bergsteigen hatte.
„Die Idee ist mir nach einem Matschlauf gekommen, den ich mit einigen Klienten absolviert habe. Die waren nach dem Lauf total euphorisch, es geschafft zu haben, obwohl sie nicht besonders sportlich waren. Und da habe ich überlegt, wie sich das noch steigern ließe“, sagt Corsten. Mit dem Kilimandscharo fand er ein ambitioniertes Ziel für seine Idee, auch ungeübten Bergsteigern eine besondere Herausforderung zu ermöglichen – und in Axel Ullmann einen Partner, der ihm dank seiner guten Afrika-Kenntnisse sehr bei der Organisation helfen konnte. „Diese Besteigung ist für mich die perfekte Mischung aus dem sportlichen Trainingsziel und der mentalen Aufgabe, die eigenen Belastungsgrenzen zu verschieben“, sagt Corsten.
Denn nicht anders gehe er mit seinen Klienten im individuellen Training oder in Gruppeneinheiten vor. „Im Training höre ich häufiger mal den Satz: Ich kann nicht mehr.
Dann kann ich als Trainer aber oftmals noch keine körperliche Ausbelastung erkennen. Es sind noch Reserven da, an die ich bislang nicht gegangen bin. Durch dieses körperliche Training arbeite ich also daran, die Kapazitäten des Geistes zu erweitern“, sagt Corsten. Unter den acht Teilnehmern in den beiden Jahren seien jeweils auch Personen gewesen, die zuvor noch nicht bei ihm trainiert hätten. „Deswegen waren die jeweiligen Vorgespräche immer am wichtigsten. Denn die Teilnehmer müssen Lust darauf haben, an ihre Belastungsgrenze zu gehen“, sagt Corsten.
Ein knappes Jahr hat er seine Teams jeweils auf die Herausforderung vorbereitet – und dabei auch die Gruppendynamik genutzt, die für zusätzliche Motivation sorgt. „Sich gegenseitig zu unterstützen, ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Gipfel“, sagt Corsten, der seine Touren auch für wohltätige Zwecke nutzt. So haben seine Gruppen in beiden Jahren jeweils 200 Kilo an Spendengepäck mit Kleidungsstücken, Schulsachen und Spielzeug
mitgenommen, das sie in Tansania an Grundschüler verteilt haben.
Die Kilimandscharo-Besteigung hat Corsten in den beiden Jahren unterschiedlich organisiert. Ging es im ersten Jahr in nur vier Tagen über die beliebte Marangu-Route auf den Gipfel, wählte die Gruppe beim zweiten Mal eine fünftägige Südroute und schlief dabei in
Zelten. Eines war aber bei beiden Touren gleich. „Es hat Situationen gegeben, in denen Teilnehmer abbrechen wollten – letztlich sind sie aber weitergegangen und haben es geschafft“, sagt Corsten. Indes gelte es aber auch, keine unvernünftigen Dinge zu tun. So habe es auch nicht jeder Teilnehmer nach oben geschafft. „Doch es gab niemanden, der im Nachhinein ein schlechtes Gewissen gehabt hat, nicht alles gegeben zu haben. Insofern waren alle, die an der Tour teilgenommen haben, Gewinner“, sagt Corsten.
Für den Mönchengladbacher war es schön zu sehen, wie die Teilnehmer sich den körperlichen und mentalen Grenzbelastungen stellten. Die Bergtour hatte aber auch einen nachhaltigen Effekt. „Alle sind nach der Reise in Bewegung geblieben und treiben weiter Sport“, sagt Corsten. Gerade in den Zeiten der Pandemie sei das ein ganz wichtiger Aspekt. „Corona zeigt uns gerade, welches kostbare Gut eine gewisse körperliche Fitness ist. Deswegen wird für meinen Geschmack noch viel zu wenig darüber gesprochen, was man für sich und seine Gesundheit tun sollte. Es müssten noch viel mehr Leute bewusst Sport treiben, wir brauchen das mehr denn je.“
Corsten selbst hat großen Gefallen am Wandern gefunden, er ist nun häufig in der Natur unterwegs. Zudem plant er bereits eine dritte Tour im Herbst 2021. Dann soll es allerdings erstmals zum Basiscamp des Mount Everest gehen. „Solche Angebote in Corona-Zeiten zu organisieren, ist nicht ganz einfach. Aber die Vorfreude auf die sportliche Herausforderung ist riesengroß. Ende Januar will ich meine Gruppe für die Tour stehen haben“, sagt Corsten. Dann beginnt die Vorbereitung auf die Himalaya-Reise, bei der natürlich auch ein Gipfel nicht fehlen darf. Auf das Glücksgefühl, den höchsten Punkt erreicht zu haben, will schließlich niemand verzichten – selbst wenn es sich etwas verspätet einstellt.