Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
200 rechtsextreme Aussteiger in NRW
Hunderte Menschen haben die Programme des Innenministeriums durchlaufen. Bei vielen sieht das Land eine dauerhafte Abkehr von der Ideologie. Für die Polizei ist das doppelt nützlich.
DÜSSELDORF Die nordrhein-westfälische Landesregierung meldet Erfolge beim Aussteigerprogramm „Spurwechsel“für Rechtsextremisten. „Bis heute hat das Programm mehr als 200 Menschen bei einer nachhaltigen Distanzierung von der rechtsextremistischen Szene erfolgreich unterstützt“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums unserer Redaktion. Demnach hat sich „Spurwechsel“, das seit 2001 angeboten wird, bislang mit insgesamt 425 Personen aus der rechtsextremistischen Szene befasst. „Die Anzahl der gleichzeitig begleiteten Personen kann seit Jahren konstant bei durchschnittlich knapp 50 gehalten werden“, sagte der Sprecher weiter.
Die Aussteigerprogramme des Innenministeriums bieten Angehörigen der extremistischen Szenen die Möglichkeit, professionelle Hilfe bei der Rückkehr in die demokratische Gesellschaft zu erhalten. „Da sich diese Prozesse sehr intensiv und mitunter langwierig gestalten, begleiten die Aussteigerprogramme ihre Klienten über mehrere Jahre hinweg“, erklärte der Ministeriumssprecher. Das dauere erfahrungsgemäß drei bis fünf Jahre.
Die Zahl der politisch rechts motivierten Straftaten sank im vergangenen Jahr auf 3661 – 106 oder 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Anzahl der politischen Gewaltdelikte durch rechtsextremistische Verdächtige ging sogar um 27 Prozent auf 158 Straftaten zurück.
Das erst vor zwei Jahren gestartete Aussteigerprogramm aus dem Linksextremismus namens „Left“hat sich inzwischen mit knapp 40 Personen aus dem linksextremen Spektrum befasst. „Derzeit werden insgesamt 17 Personen in ihrem Ausstiegsprozess durch ,Left’ aktiv begleitet“, sagte der Sprecher des NRW-Innenministeriums. Anders als beim Rechtsextremismus stieg die Zahl linksmotivierter Straftaten im vergangenen Jahr leicht um rund zwei Prozent auf 1424.
Ein Ausstiegsprozess erfordert nach Angaben des Innenministeriums intensive Mitarbeit; die betreffenden Personen müssen freiwillig mitarbeiten. In einigen Fällen seien die Ausstiegsabsichten möglicher Klienten nicht oder nicht ausreichend vorhanden, um eine Aufnahme in das Programm zu rechtfertigen. „In diesen Fällen ist eine Zusammenarbeit nicht zielführend und wird abgebrochen oder von den angesprochenen Personen von Beginn an abgelehnt“, hieß es.
Die Programme kontaktieren auch Kandidaten von sich aus. Aber die Anzahl der Kontaktaufnahmen auf Eigeninitiative – etwa durch inhaftierte Extremisten – steigt kontinuierlich. „Das zeigt, dass die Aussteigerprogramme innerhalb der Szene zunehmend bekannter werden“, erläuterte der Sprecher.
Frauen und Mädchen sind laut Verfassungsschutz in der Ausstiegshilfe unterrepräsentiert. Jedoch gelang es zuletzt mit gezielten Einstellungen weiblicher Begleiter und einer auf Frauen und Mädchen zugeschnittenen Ansprache, den Frauenanteil unter den Aussteigern auf 23 Prozent zu steigern.
Die Polizei zeigt sich zufrieden mit der Bilanz. „Die Zahlen sind auf den ersten Blick nicht groß, aber die Szenen haben ja auch nicht so viele Mitglieder“, sagte Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Von jedem Teilnehmer könnten die Sicherheitsbehörden wiederum lernen, „weil diese Leute auch Informationen geben“. Rettinghaus’ Fazit: „Das ist auf jeden Fall der richtige Weg.“