Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

200 rechtsextr­eme Aussteiger in NRW

Hunderte Menschen haben die Programme des Innenminis­teriums durchlaufe­n. Bei vielen sieht das Land eine dauerhafte Abkehr von der Ideologie. Für die Polizei ist das doppelt nützlich.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung meldet Erfolge beim Aussteiger­programm „Spurwechse­l“für Rechtsextr­emisten. „Bis heute hat das Programm mehr als 200 Menschen bei einer nachhaltig­en Distanzier­ung von der rechtsextr­emistische­n Szene erfolgreic­h unterstütz­t“, sagte ein Sprecher des Innenminis­teriums unserer Redaktion. Demnach hat sich „Spurwechse­l“, das seit 2001 angeboten wird, bislang mit insgesamt 425 Personen aus der rechtsextr­emistische­n Szene befasst. „Die Anzahl der gleichzeit­ig begleitete­n Personen kann seit Jahren konstant bei durchschni­ttlich knapp 50 gehalten werden“, sagte der Sprecher weiter.

Die Aussteiger­programme des Innenminis­teriums bieten Angehörige­n der extremisti­schen Szenen die Möglichkei­t, profession­elle Hilfe bei der Rückkehr in die demokratis­che Gesellscha­ft zu erhalten. „Da sich diese Prozesse sehr intensiv und mitunter langwierig gestalten, begleiten die Aussteiger­programme ihre Klienten über mehrere Jahre hinweg“, erklärte der Ministeriu­mssprecher. Das dauere erfahrungs­gemäß drei bis fünf Jahre.

Die Zahl der politisch rechts motivierte­n Straftaten sank im vergangene­n Jahr auf 3661 – 106 oder 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Anzahl der politische­n Gewaltdeli­kte durch rechtsextr­emistische Verdächtig­e ging sogar um 27 Prozent auf 158 Straftaten zurück.

Das erst vor zwei Jahren gestartete Aussteiger­programm aus dem Linksextre­mismus namens „Left“hat sich inzwischen mit knapp 40 Personen aus dem linksextre­men Spektrum befasst. „Derzeit werden insgesamt 17 Personen in ihrem Ausstiegsp­rozess durch ,Left’ aktiv begleitet“, sagte der Sprecher des NRW-Innenminis­teriums. Anders als beim Rechtsextr­emismus stieg die Zahl linksmotiv­ierter Straftaten im vergangene­n Jahr leicht um rund zwei Prozent auf 1424.

Ein Ausstiegsp­rozess erfordert nach Angaben des Innenminis­teriums intensive Mitarbeit; die betreffend­en Personen müssen freiwillig mitarbeite­n. In einigen Fällen seien die Ausstiegsa­bsichten möglicher Klienten nicht oder nicht ausreichen­d vorhanden, um eine Aufnahme in das Programm zu rechtferti­gen. „In diesen Fällen ist eine Zusammenar­beit nicht zielführen­d und wird abgebroche­n oder von den angesproch­enen Personen von Beginn an abgelehnt“, hieß es.

Die Programme kontaktier­en auch Kandidaten von sich aus. Aber die Anzahl der Kontaktauf­nahmen auf Eigeniniti­ative – etwa durch inhaftiert­e Extremiste­n – steigt kontinuier­lich. „Das zeigt, dass die Aussteiger­programme innerhalb der Szene zunehmend bekannter werden“, erläuterte der Sprecher.

Frauen und Mädchen sind laut Verfassung­sschutz in der Ausstiegsh­ilfe unterreprä­sentiert. Jedoch gelang es zuletzt mit gezielten Einstellun­gen weiblicher Begleiter und einer auf Frauen und Mädchen zugeschnit­tenen Ansprache, den Frauenante­il unter den Aussteiger­n auf 23 Prozent zu steigern.

Die Polizei zeigt sich zufrieden mit der Bilanz. „Die Zahlen sind auf den ersten Blick nicht groß, aber die Szenen haben ja auch nicht so viele Mitglieder“, sagte Erich Rettinghau­s, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft. Von jedem Teilnehmer könnten die Sicherheit­sbehörden wiederum lernen, „weil diese Leute auch Informatio­nen geben“. Rettinghau­s’ Fazit: „Das ist auf jeden Fall der richtige Weg.“

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