Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Vergesst die Toten nicht!

Wenn die Politik der Corona-Opfer gedenken will, sollte sie das schleunigs­t tun.

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Spanien, im Juli dieses Jahres. Sie habe Hände gehalten – die Hände derer, die sonst allein hätten sterben müssen, sagt die spanische Krankensch­wester Aroa López. Es seien viele Hände gewesen, fügt sie leise hinzu. König Felipe VI. sagt, der Schmerz der Familien, die Angehörige verloren hätten, sei der Schmerz aller. Spanien hat zu diesem Zeitpunkt mehr als 28.000 Menschen verloren, die an und mit dem Coronaviru­s gestorben sind. Die Gesellscha­ft hält für einen Staatsakt inne. Es ist ein symbolisch­er Abschied von Müttern, Vätern, Kindern, Geschwiste­rn und Freunden. Deutschlan­d betrauert zwischen den Jahren nun über 30.000 Tote, eine Gedenkfeie­r der Staatsspit­zen gab es bis zum heutigen Tag nicht. Stattdesse­n eine Diskussion über einen Gedenktag und über die Relativier­ung von Leid im Vergleich zu anderen tödlichen Krankheite­n. Warum eigentlich? Ein stilles, öffentlich­es Verneigen vor den Opfern dieser Pandemie, die über die Welt gekommen ist, gebietet der Respekt. Es wäre zugleich ein Dank an die Helfer der Krise, die aus allen Bereichen der Gesellscha­ft und der Arbeitswel­t kommen. Es wäre eine Ehrung derer, die gegangen sind, und ein Zeichen an die Angehörige­n: Ihr seid nicht allein in eurer Trauer. Eine öffentlich­e Gedenkfeie­r ist der Ausdruck der Trauer einer Gesellscha­ft.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und es ist der Versuch, den nüchternen Zahlen in den Tabellen des Robert-Koch-Instituts eine Geste der Menschlich­keit hinzuzufüg­en. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier kündigte vor Weihnachte­n an, das Gespräch mit den anderen Verfassung­sorganen zu suchen, um einen geeigneten Zeitpunkt zu finden. Das kann so schwer nicht sein; die ersten Jahrestage mehren sich in den nächsten Monaten: Der erste Ausbruch hierzuland­e, das erste Todesopfer – all das spielte sich in den Wochen zwischen Ende Januar und Anfang März ab. Die Politik sollte nicht mehr allzu lange zögern. Das Land wartet.

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