Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Brexit: 132.600 Jobs in NRW hängen am Export

Die Opposition im Landtag hält auch Austausche nach dem Ende des Erasmus-Programms für kaum erschwingl­ich.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Das Brexit-Abkommen ist aus Sicht der SPD-Opposition in NRW für die junge Generation ein besonders harter Schlag. „Der Austausch mit Großbritan­nien wird für sie ungleich schwerer werden. Vor allem wirtschaft­lich schwächer gestellte Studierend­e und Auszubilde­nde werden sich das kaum mehr leisten können“, sagte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty unserer Redaktion. Dies könne auch zu sozialer Spaltung führen, weil Auslandsre­isen

und -aufenthalt­e künftig fast nur noch für bessersitu­ierte junge Menschen möglich seien: „Hier hätte die Landesregi­erung mit eigenen Programmen gegensteue­rn und auch den Kommunen, die bisher ,Erasmus+’-geförderte Projekte mit dem Vereinigte­n Königreich durchführe­n, unter die Arme greifen müssen. Dazu fehlte ihr aber offenbar das Problembew­usstsein“, kritisiert­e Kutschaty.

Mit dem Austritt Großbritan­niens aus der EU wird es mittelfris­tig keine wechselsei­tigen Erasmus-Aufenthalt­e

mehr geben. Genehmigte Projekte werden aber noch zu Ende geführt. Deutschlan­d und die übrigen EU-Staaten haben sich am Montag auch formal hinter den Brexit-Handelspak­t mit Großbritan­nien gestellt. In Brüssel votierten die EU-Botschafte­r für die vorläufige Anwendung ab 1. Januar.

Aus jetzt veröffentl­ichten Gutachten einer Enquête-Kommission des NRW-Landtages geht hervor, inwieweit NRW vom Brexit betroffen ist: Rund 132.600 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te hängen laut Wirtschaft­sforschung­sinstitut IW direkt oder indirekt vom Export nach Großbritan­nien ab. Allein in der Automobilb­ranche steht der Exporthand­el mit dem Vereinigte­n Königreich für acht Prozent der Jobs. Besonders stark betroffen sind demnach das Ruhrgebiet, die Region Aachen und der Niederrhei­n. Die Ökonomen empfehlen daher: „Aus NRW-Perspektiv­e sollten sich Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Standortqu­alität auf die Metropole Ruhr konzentrie­ren.“Diese sei besonders stark vom Export nach Großbritan­nien abhängig und müsse im Zuge des Brexit mit deutlichen Einbußen rechnen.

Kutschaty forderte von der Landesregi­erung energische­res Handeln: Mit Blick auf den Mittelstan­d, Solo-Selbststän­dige und die Wissenscha­ft sei die Vorbereitu­ng auf den Brexit mangelhaft. Auch die Erwartunge­n an den Brexit-Beauftragt­en der Landesregi­erung, Friedrich Merz, hätten sich nicht erfüllt. Die ehrenamtli­che Brexit-Aufgabe war laut Landesregi­erung planmäßig bereits Anfang 2020 ausgelaufe­n.

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