Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der Fußball riskiert seine Akzeptanz
König Fußball steht mal wieder an einem Scheideweg. Und stört sich nicht wirklich an drohenden Konsequenzen. Die Branche entfernt sich immer weiter von den Fans und hat nur noch den Kommerz im Blick. Das ist ein Spiel mit dem Feuer.
Um die Enttäuschung vieler Fußballfans über den jüngst beschlossenen Verteilerbeschluss der wichtigsten Einnahmequelle der Klubs verstehen zu können, lohnt ein Blick zurück. Dieser Beschluss forciert die viel zitierte emotionale Entfremdung des Profifußballs von seinen Fans, Mitgliedern und Partnern. Bei Bundesligagründung 1963 „gehörte“der Verein zu 100 Prozent seinen Mitgliedern. Das galt für alle 16 Gründungsmitglieder, die Düsseldorfer Fortuna gehörte ebenso wenig dazu wie die Borussen vom Niederrhein, der 1.FC Köln war jedoch ebenso dabei wie der Meidericher SV aus Duisburg.
In den 70iger Jahren gab es mit der ersten Werbung auf einem Trikot der Braunschweiger Eintracht den ersten Schritt neuer Vermarktung, dem in den 80iger die Einführung des Privatfernsehens und weiteren Vermarktungsformaten folgten. Das Bosman-Urteil im Jahre 1995, als dessen Folge ein Spieler seinen Verein nach Vertragsende ablösefrei verlassen konnte, läutete eine Abkehr der guten alten Charly-Körbel-Phase (Rekordspieler der Bundesliga, der ausschließlich bei Eintracht Frankfurt spielte) ein.
Job-Hopping war von nun an einfacher, Identifikationsfiguren wurden weniger. Besonders die 1999 erteilte Ausnahmegenehmigung für Bayer 04 Leverkusen von der sogenannten 50-plus-1-Regel (der Verein behält die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung einer neu gegründeten Tochtergesellschaft) war eine erste Abkehr vom Vereinsleben. Der Verein gehörte nun nicht mehr den Mitgliedern. Weiter ging es zu Beginn der 2000er Jahre mit dem ersten Verkauf des Stadionnamens, dem Wohnzimmer der Fans, in Hamburg, dessen Name sich übrigens in den folgenden Jahren an diesem Standort viermal änderte. Wusste man vor dieser Zeit bei Rhein-, Müngerdorfer-, Wedaustadion oder Bökelberg, wo man sich befand, war dies bei Imtech-, HSH Nordbank- oder AOL-Arena nicht direkt zuzuordnen und wurde zunehmend beliebig.
Es schloss sich eine bis heute andauernde Herrschaft korrupter Fifa-Funktionäre
an, die Vergabe der WM nach Katar, unsinnige, aufgeblähte neue Wettbewerbe und Postings von goldenen Steaks. All dies beschleunigte die Entfremdung der Fans. Und dann kam Corona. Hygiene-Konzepte, demütige Protagonisten des Profifußballs, die einen Veränderungswillen proklamierten und die Gründung einer Task Force machten Hoffnung, dass Solidarität im Profifußball mehr ist als eine Worthülse.
Gespannt schauten nun alle Fußball-Interessierten zur DFL-Mitgliederversammlung, bei der die Ergebnisse monatelanger Beratungen der sieben gewählten und zwei kraft Amt berufenen DFL-Präsidiumsmitglieder verkündet wurden. Die Ernüchterung war dann nicht nur bei mir groß. So hatte sich die Fraktion ‚Weiter so‘, mit deren einflussreichen Protagonisten aus München, die zu Versammlungen kritische Vereinsvertreter außen vorließ, durchgesetzt. Auch die Fortuna hatte sich im Vorfeld der Entscheidung vehement für eine solidarischere Verteilung der Medienerlöse eingesetzt. Drei neue Begrifflichkeiten der vier für die Verteilung maßgeblichen (prozentual unterschiedlich gewichteten) Säulen wurden kreiert. Substanzielle Veränderungen: Fehlanzeige. So bleibt es ab dem nächsten Jahr beginnenden vierjährigen neuen Beschluss bei einem nach wie vor unsolidarisch hohen sogenannten Spreizverhältnis (Verhältnis der Einnahmen des ersten und des letzten einer Liga), welches sich im letzten Jahr der Rechteperiode dem aktuellen Verhältnis von 1 zu 3,8 annähern wird.
Bei der Verteilung der durch alle 36 Klubs erbrachten Auslandserlöse in Höhe von rund 180 Millionen Euro erhalten die 18 Zweitligisten zusammen aktuell einen fixen Betrag von acht Millionen Euro. Ab der nächsten Saison wird umgestellt auf eine prozentuale Beteiligung von zunächst 4 Prozent, später von 3 Prozent. Bei prognostizierten Erlösen von 180 Millionen Euro auch in der neuen Saison fällt es schwer, hier einen Vorteil zu den aktuellen garantierten acht Millionen für die 2. Liga zu erkennen. Ähnlich sind die „Verbesserungen“bei der sogenannten Nachwuchssäule. Vordergründig gefällt der Ansatz – wie bisher – den Einsatz junger Spieler unter 23 Jahren zukünftig etwas höher zu belohnen, doch es lohnt ein zweiter Blick. So wurde hier ein weiteres Kriterium zur Verteilung der am Ende fast 50 Millionen Euro eingeführt. Knapp 20 Millionen dieser Summe werden zukünftig auch an die Ausbildungsvereine ab dem zwölften Lebensjahr verteilt. Mit Blick auf das immer aggressivere Abwerben der Großklubs wird somit das frühe „Wildern“später auch noch finanziell belohnt.
Denn schaut man sich die
DFB-Kaderlisten der U15 bis U21 an, das Reservoir für die späteren jungen Spieler, und man stellt fest, dass nur 13 Prozent überhaupt noch bei einem Zweitligisten unter Vertrag stehen. Somit erhält der Großklub für einen frühzeitig abgeworbenen Spieler, der später für den eigenen Klub als zu leicht befunden wurde, bei jedem Profi- Einsatz einen nicht unerheblichen Betrag.
Zusammengefasst: Alter Wein, gut vermarktet, in neuen Schläuchen. Dass aber die Vorhersehbarkeit von Spielergebnissen aufgrund eklatanter wirtschaftlicher Unterschiede perspektivisch zu einem Spannungsverlust und damit auch einem Wertverlust der Rechte führt, sollte klar sein. Und denjenigen, die einwerfen, dass doch die Quoten stimmen, sei entgegnet, dass dies eine rein quantitative Messung ist und nicht auf die emotionale Verbundenheit abhebt. Eine Branche, die mit und durch die Öffentlichkeit ihr Geld verdient, benötigt gesellschaftliche Akzeptanz. Deshalb wäre eine Honorierung nachhaltiger Aktivitäten der Klubs der richtige neue Impuls gewesen.
Wie weit die gesellschaftliche Akzeptanz weiterhin vorhanden ist, werden wir bei der nächsten Ausschreibung erfahren.