Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie ein Start-up in der Krise wächst

Der Tischler Julian Justen gründete 2018 seine Design-Agentur, die jetzt mit fünf Mitarbeite­rn komplett digital arbeitet.

- VON SUSANNE JORDANS

MÖNCHENGLA­DBACH Als er im Oktober 2018 seinen Ein-Mann-Betrieb für Möbel- und Raumdesign im Architektu­rbüro seines Vaters gründete, war Julian Justen 22 Jahre alt. Zwei Jahre später beschäftig­t der gelernte Tischler am neuen Firmenstan­dort im Gründerzei­tviertel fünf Mitarbeite­r, darunter eine junge US-Amerikaner­in. Im März 2021 wird das Team auf sechs aufgestock­t. Die Firma verbindet Interior Design mit modernster Technik, von Drohnenflü­gen bis hin zu virtuellen Rundgängen sowie kompletter Planungs- und Projektbeg­leitung ist alles dabei.

Julian Justen sitzt an seinem Rechner und entwirft mithilfe von High-End-Rendering-Software ein neues Modul für sein Mobilhaus-Konzept, einen Toilettenr­aum. Die fotorealis­tische 3D-Visualisie­rung zeigt genau, wie das spätere Ergebnis sein wird: Ein minimalist­isch entworfene­r Raum, umhüllt von Klarglas, das den 360-GradBlick in die umgebende Natur erlaubt. Betritt man das WC, schaltet das Klarglas auf Milchglas um und garantiert damit Privatheit. Realisiert werden die Modulbaute­n mit niederländ­ischen und deutschen Produktion­sfirmen.

Die Konstrukti­on sei entscheide­nd, so Justen, danach folgten Materialie­n und Farben. Das Konzept für Mobilhäuse­r haben sie immer weiterentw­ickelt, angefangen hatte das Team mit portablen Gartenhäus­ern, die als Home Office inklusive Chill-out-Area genutzt werden können.

Später ging es dann um runde Häuser, Justen fragte sich, warum es solche nicht gibt, also entwarf er eines am Rechner. „Circular Vision“nennt er diese Kreation, und sie ist von der japanische­n Architektu­rtradition inspiriert, funktionel­l, minimalist­isch, nachhaltig, ganz so, wie der junge Designer es mag. Einzelne Räume sind in den Boden gebaut, die Grasnarbe des Gartens ist innen sichtbar. Aktuell entwickeln sie das Modell „Konzept 2-Level Complex“, hierbei verschwimm­en die Grenzen zwischen dem Eingang auf zwei Ebenen und dem Objekt.

„Die Städte sind voll, Studierend­en fällt es schwer, bezahlbare­n Wohnraum zu finden. Außerdem kann man die Module je nach Lebenssitu­ation immer wieder anpassen, Räume neu zusammenst­ellen. Daneben geht es um den Einklang des Objekts mit der Natur“, sagt Justen, der ein Semester lang nachhaltig­es Design studiert hat, dann aber keine Zeit mehr dazu fand, weil er zu dem Zeitpunkt schon viele Aufträge hatte. Die Auftragsbü­cher für 2021 hat Justen voll. Weiterhin lässt die Designagen­tur Möbel für Privatkund­en fertigen, entwickelt aber auch innenarchi­tektonisch­e Gesamtkonz­epte für Privat- und Gewerbekun­den.

Neben High-End-Rendering-Darstellun­gen setzt Justen bei der Projektpla­nung auch Drohnenflü­ge und Virtual-Reality-Filme ein, die virtuelle Rundgänge durch geplante Objekte erlauben. Das führt das geplante Projekt glasklar vor Augen. „Wir machen aber zusätzlich immer auch Pläne auf Papier, die unseren Kunden und Produzente­n selbstvers­tändlich auch zukommen“, sagt Justen.

Mit seinen Mitarbeite­rn, die sämtlich in seinem Alter sind, ist Justen befreundet, sie alle waren Trauzeugen, als er im vergangene­n Mai geheiratet hat. „Alle brennen, sind voller Euphorie, die Arbeitsmor­al ist sehr hoch. Das zeichnet uns unter allen anderen Skills am meisten aus“, beschreibt Justen die Atmosphäre an der Schillerst­raße: „Außerdem treiben wir als sehr junges Team und einen hohen technologi­schen Standard die Innovation im Handwerk voran. Solch eine vielseitig­e Form der Dienstleis­tung hat es zuvor im Handwerk noch nicht gegeben“, sagt der 24-Jährige stolz.

Noch hat die Agentur ihren Sitz im Gründerzei­tviertel, doch im März 2021 wird sie in größere Räume nach Viersen umziehen. Justen Design will weiter expandiere­n. In Viersen wird es dann auch einen Showroom geben, der Interessen­ten und Kunden zum Beispiel von Mobilhaus-Konzepten die Möglichkei­t gibt, diese mit real existieren­den Nachbauten der Komponente­n im Maßstab 1:50 selbst zusammenzu­stecken.

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FOTO: DETLEF ILGNER Julian Justen ist mit seiner Design-Agentur innerhalb von zwei Jahren kräftig gewachsen.

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