Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die großes Stille zwischen den Jahren
Der Lockdown hat das Leben nahezu komplett lahmgelegt. Besonders in den Innenstädten von Gladbach und Rheydt ist das derzeit zu spüren. Ein Besuch vor Ort.
Der Lockdown hat das Leben nahezu lahm gelegt. Besonders in den Innenstädten von Gladbach und Rheydt ist das zu spüren.
MÖNCHENGLADBACH Die Hindenburgstraße sieht aus wie immer. In vielen Geschäften brennt das Licht, die Schaufenster sind weihnachtlich dekoriert und Werbeschilder weisen auf Rabatte hin. Ein Paradies für Schnäppchenjäger. Das Problem: Fast der gesamte Einzelhandel ist wegen des Lockdowns geschlossen. Statt des regen Shoppingtreibens zwischen Weihnachten und Silvester herrscht die große Stille – auch in den Innenstädten von Rheydt und Mönchengladbach.
Nur wenige Leute sind an diesem Tag auf der Hindenburgstraße unterwegs. Das obere Ende der Straße erklimmt dabei fast keiner mehr – es lohnt sich auch nicht, alles geschlossen. Mehr Zufluchtsorte gibt es im Minto. Und wärmer ist es dort auch. Die oberen Ebenen sind jedoch verwaist und nicht komplett für Kunden zugänglich. Das Parkhaus am Minto ist zudem erstaunlich leer: Auf dem obersten Deck steht nicht ein Auto, eine Etage darunter sind ebenfalls reichlich Stellplätze frei. Belebter ist es im unteren Bereich des Einkaufscenters, wo Supermärkte und eine Drogeriekette nach wie vor geöffnet haben. Hektik macht sich dort aber nicht breit. Für eine Mutter bleibt noch Zeit, ihre Tochter vor dem großen Weihnachtsbaum zu fotografieren. Dass das Motiv nicht mehr ganz in die Zeit passt, ist für sie kein Problem. Weihnachten ist eben noch nicht lange vorbei.
Das denkt sich auch ein Straßenmusiker, der sich vor einem der Eingänge zum Minto platziert hat. Er stimmt in der Kälte „Feliz Navidad“an. Das spanische Weihnachtslied lohnt sich bereits nach dem ersten Refrain: Eine Frau wirft ein wenig Kleingeld in einen Becher. Als Dankeschön bekommt sie ein nettes Lächeln, dann geht sie in Richtung Bismarckstraße. Dort, in der unteren Hindenburgstraße, ist etwas mehr los. Viele Passanten schieben sich an der Auslage der türkischen Supermärkte vorbei. Ihr Ziel: der Europaplatz oder der Hauptbahnhof.
Der öffentliche Nahverkehr ist nicht im Lockdown. Das ist schnell zu spüren. Nahezu an jedem Steig warten Leute auf ihren Bus und vertreiben sich die Zeit mit ihrem Handy. Hält ein Fahrzeug, geht das große Wuseln los. Einige sind spät dran und hetzen los. Bloß keinen Bus verpassen – bei der Kälte.
Im Mönchengladbacher Hauptbahnhof geht es nicht ganz so ungeordnet zu. Die Geschäfte sind offen, viele holen sich einen Kaffee oder ein Gebäck. Wenn Fahrgäste in die große Halle trudeln, geht ihr Blick sofort zu der Anzeigetafel. Sie suchen ihren Zug. An den Gleisen ist weniger los. Der Bus scheint gefragter zu sein als die Bahn.
In Rheydt sieht es zwischen den Tagen nicht anders aus. Vor der Hauptkirche spielt ein Vater mit seinem kleinen Jungen Fußball. Der rote Plastikball fliegt weit in alle Richtungen, stören tut sich daran niemand – den Marktplatz kreuzen kaum Menschen. Es wirkt wie ein Sonn- oder Feiertag in der Innenstadt. Nur wenige Menschen bummeln durch die Hauptstraße, eine Frau mit Hund an der Leine, ein Elternpaar mit Kinderwagen. Gefühlt gibt es mehr Tannen, die an Laternenmasten befestigten sind, als Passanten in der Straße. Ein älterer Mann schaut durch das Schaufenster vom Schuhhaus Wintzen. Viel zu sehen bekommt er nicht, im Inneren ist es dunkel – so wie in den meisten Geschäften in der Hauptstraße
Dafür ist zwangsläufig mehr an jenen Orten los, die in der Innenstadt nach wie vor betretbar sind: Commerzbank, Sparkasse, Rewe-City. Hier endet die Stille und geht über in Schlangen von bis zu zehn Menschen. Gleiches gilt auch für den Edeka Endt an der Hofstraße. Bereits vor dem Häuschen mit den Einkaufswagen muss Wartezeit mitgebracht werden, da alle Wagen im Einsatz sind – und ohne Wagen kein Eintritt. Im Supermarkt selbst ist gefühlt schon wieder kurz vor Weihnachten: alle Kassen offen, die Einkaufswagen voll, Geräuschwirrwarr von allen Seiten. Andrea Nelkes hievt zwei volle Tüten in ihren Wagen. „Es war zu erwarten, dass es im Supermarkt heute voll wird. Aber um Lebensmittel einzukaufen, muss man das Haus leider verlassen. Ich habe nun aber alles eingekauft, was ich die nächsten Tage benötige, damit ich nicht noch mal los muss“, sagt sie. Denn auch sie bevorzugt derzeit die Stille.
Diese ist einige hundert Meter weiter wieder bei Möbel Schaffrath zu spüren: Normalerweise eine beliebte Adresse nach den Feiertagen. Aktuell ist der große Parkplatz am Möbelhaus aber völlig leer. Das gewohnte Bild zwischen Weihnachten und Silvester in diesem Jahr.