Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Fitmacher

Jacob Fatih floh aus dem Iran nach Essen und baute die Fitnessket­te Fit-X auf. Mit seiner neuen Firma will er zum Gründen motivieren.

- VON FLORIAN RINKE

ESSEN Die Geschichte von Jacob Fatih klingt wie das Drehbuch eines Hollywood-Films: Fatih ist aus dem Iran nach Deutschlan­d geflüchtet, hat mit Fit-X die zweitgrößt­e Fitnessket­te Deutschlan­ds gegründet und baut nun in Essen mit seiner Firma Crealize eine Vielzahl von Start-ups auf. Es ist eine irre Geschichte, doch Jacob Fatih hat sie jahrelang öffentlich nie so wirklich erzählt. „Früher dachte ich immer, das wäre nicht erwähnensw­ert“, sagt der Unternehme­r.

Doch inzwischen hat er seine Meinung geändert. Denn Fatih hat große Pläne. Er will aus dem Ruhrgebiet eines der wichtigste­n Gründerzen­tren Deutschlan­ds machen. „Es gibt hier mega viel Potenzial“, sagt er: „Aber die Dax-Konzerne und Familienun­ternehmen hatten nie ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeite­r gründen.“Er hingegen schon: „Ich will dem Ruhrgebiet etwas zurückgebe­n.“

Seine eigene Geschichte beginnt 1975 in der iranischen Hauptstadt Teheran. Sein Vater ist Professor an der Universitä­t, baut sich zu Hause eine Bibliothek auf. „Ich erinnere mich noch an ein Buch mit Kurzbiogra­fien von erfolgreic­hen Unternehme­rn wie John D. Rockefelle­r oder Aristotele­s Onassis“, sagt Jacob Fatih: „Das habe ich gelesen und hatte Schmetterl­inge im Bauch.“

Auch Fatih denkt früh über Geschäfte nach, überspielt schon als Kind Kassetten und verkauft sie. Doch nach der Schule beginnt er zunächst eine akademisch­e Karriere und studiert Pharmazie. Nebenbei arbeitete er als Dolmetsche­r. Fatih spricht Kroatisch, seit er als Kind zwei Jahre im damaligen Jugoslawie­n gelebt hat. Ein Bekannter fragt ihn irgendwann, ob er das umstritten­e Buch „Die Satanische­n Verse“von Salman Rushdie gelesen habe, Und Fatih? Der liest es nicht nur, sondern übersetzt es auch auf Persisch und verkauft es an der Uni, bald darauf muss er fliehen.

Sein neues Leben beginnt im November 1998 mit einem Asylantrag, nachdem er unter abenteuerl­ichen Umständen auf der Ladefläche eines Lkw aus dem Iran geflohen ist. Über die Türkei und Frankreich erreicht er Deutschlan­d, mit dem Schnellzug TGV kommt er schließlic­h in Essen an, wo bereits Teile seiner Familie leben. Fatih beginnt zu jobben, macht hier mal was und da mal was. Irgendwann bekommt er die Möglichkei­t, im Fitnessstu­dio einen Trainersch­ein zu machen. Wenig später fängt er beim heutigen Marktführe­r McFit an, steigt vom Trainer zur rechten Hand der Geschäftsf­ührung auf. „Ich konnte alles von der Pike auf lernen“, so Fatih.

Schon bald will er mehr – und macht es auch: 2005 gründet er sein erstes eigenes Unternehme­n, eine Immobilien­firma. Ab da beschleuni­gt sich das Leben von Jacob Fatih immer weiter. Aus einer 2006 mit Partnern gegründete­n Firma geht der Fahrradher­steller YT Industries hervor, der im vergangene­n Jahr einen Umsatz von rund 55 Millionen Euro gemacht hat – und weiter rasant wächst. Fatih hat seine Anteile zuletzt noch mal aufgestock­t und hält inzwischen 67 Prozent an der Firma. Bei seiner wohl bekanntest­en Gründung ist er hingegen im vergangene­n Jahr ausgestieg­en: Fit-X. 2009 hat er die Fitnessket­te ins Leben gerufen und mit rund 90 Filialen und mehr als 2400 Mitarbeite­rn zum zweitgrößt­en Anbieter Deutschlan­ds ausgebaut. Aktuell sind alle Studios der Kette aufgrund behördlich­er Anordnung dicht. „Ich hätte mir vor Corona niemals vorstellen können, dass die Läden mal schließen müssen“, sagt Fatih. Dennoch glaubt er weiterhin an die Branche – und experiment­iert daher schon mit neuen Konzepten.

Im Düsseldorf­er Medienhafe­n hat die Joon GmbH bereits ein Ladenlokal angemietet, um dort ein neuartiges Fitnesskon­zept zu realisiere­n. „Kieser in cool“, sagt Jacob Fatih über das neueste Projekt seiner umtriebige­n Gründersch­miede Crealize. Hier soll bald eine Mischung aus Zirkeltrai­ning und kognitivem Training angeboten werden. „Wir trainieren uns physisch, aber vernachläs­sigen zu oft den Kopf“, sagt der 45-Jährige. Düsseldorf ist in seinen Augen der perfekte Standort für den Start seines neuen Projekts. Statistisc­h gesehen, sagt Fatih, sei die Stadt eine der fitnessaff­insten Deutschlan­ds. Wer ihn und den Gründergei­st, der aus ihm herausspri­cht, erlebt hat, der ahnt, dass es nicht die letzte Geschäftsi­dee sein wird, die dem Kopf des ehemaligen Flüchtling­sjungen entspringt.

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FOTO: CREALIZE Machertyp: Fit-X-Gründer Jacob Fatih investiert nun in Start-ups.

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