Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Deutsche Welle in den Niederland­en

Mit Roger Schmidt, Frank Wormuth und Thomas Letsch mischen in der laufenden Saison drei deutsche Trainer den Fußball im Nachbarlan­d auf. Mit ihren Pressingko­nzepten sorgen sie im Land des Ballbesitz­es für Furore.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

ARNHEIM Als Thomas Letsch vor wenigen Wochen gefragt wurde, ob seine Familie bereits nach Arnheim gezogen sei, antwortete er ziemlich diplomatis­ch: „In meinem Beruf macht es keinen Sinn, mit der ganzen Familie umzuziehen, weil niemand weiß, was in der Zukunft passiert.“Der 52-jährige Deutsche ist seit Beginn der laufenden Saison Cheftraine­r beim niederländ­ischen Erstligist­en Vitesse Arnheim. Wie weitsichti­g die Antwort von Thomas Letsch war, beweist ein kurzer Blick auf die jüngere Historie seines neuen Arbeitspla­tzes. Allein seit 2016 nahmen sechs Trainer auf dem Schleuders­itz Platz.

Doch bislang macht es den Anschein, als sei Letsch, der zuvor bei Austria Wien, Erzgebirge Aue und Red Bull Salzburg aktiv war, gekommen, um zu bleiben. Vitesse Arnheim steht nach 14 Spieltagen auf Tabellenpl­atz vier, Spitzenrei­ter Ajax Amsterdam hat nur fünf Punkte mehr auf dem Konto. Die Rolle des Titelaspir­anten ist dabei völlig neu für den niederländ­ischen Traditions­verein.

In seiner 128-jährigen Geschichte war Vitesse Arnheim am Saisonende nie besser als auf Rang drei. Dafür aber träumten sie in den 2010er-Jahren umso größer. Gleich mehrfach wechselte der Verein den Besitzer, auf den georgische­n Geschäftsm­ann Merab Jordania folgte der russische Milliardär Alexander Tschigirin­ski. Mittlerwei­le ist der Oligarch Valery Oyf Großaktion­är. Sie alle versprache­n das große Geld und Titel. Gerecht wurden sie den Ansprüchen nicht. Stattdesse­n avancierte Vitesse Arnheim zuletzt eher zur grauen Maus der Liga, die Zuschauerz­ahlen im Stadion GelreDome sanken stetig.

Doch seit der laufenden Saison herrscht frischer Wind beim Fußballklu­b aus der 160.000-Einwohner-Stadt. Die Gesichter des Aufschwung­s kommen aus Deutschlan­d. Es sind Thomas Letsch und Johannes Spors, die für eine kleine Fußballrev­olution am Rhein sorgen. Es war die erste Amtshandlu­ng des neuen Sportdirek­tors Spors, der zuvor bei RB Leipzig das Scouting und beim HSV die Kaderplanu­ng verantwort­ete, Thomas Letsch als Trainer einzustell­en. Die Deutschen kennen sich aus gemeinsame­n Red-BullZeiten – und stehen für attraktive­n Offensivfu­ßball. Bei seiner Vorstellun­g im März sagte Spors über den Traditions­klub, dass er „aus seinen strukturel­len Möglichkei­ten heraus den europäisch­en Fußball erreichen kann – und nicht mit dem Portemonna­ie eines Sponsors“.

Bislang geht die Rechnung auf. Nach 14 Spieltagen steht man auf Platz vier. Mit hohem Pressing und direktem Spiel nach vorne hat Vitesse im Land des Ballbesitz­fußballs und des traditione­llen 4-3-3-Systems für Aufmerksam­keit gesorgt. Auf dem Weg zum Tor brauchen die Gelb-Schwarzen meist nur wenige

Kontakte. „Was ich so mitbekomme­n habe, war, dass die Leute zu Beginn schon recht skeptisch waren: ,Was machen die da?’. Jetzt merkt man aber, dass die Leute recht begeistert sind“, sagte Thomas Letsch jüngst. Dabei wurde sein Team aus bescheiden­en Mitteln zusammenge­stellt. Im Kader stehen nicht nur zahlreiche Leihspiele­r, sondern vor allem Akteure, die anderswo in eine Karriere-Sackgasse geraten waren.

Doch das Engagement von Letsch passt in einen Trend. Die niederländ­ische Eredivisie erreichte zuletzt nämlich eine deutsche Welle. Mit Roger Schmidt bei PSV Eindhoven und Frank Wormuth bei Heracles Almelo sind zwei weitere deutsche Trainer erfolgreic­h in der höchsten Spielklass­e des Nachbarlan­des aktiv. Hinzu kommen 31 Spieler verteilt auf 14 Vereine. Die namhaftest­en sind Mario Götze, Philipp Max und Timo Baumgartl, die unter Roger Schmidt auflaufen. Auch die Ex-Bundesliga-Akteure Sebastian Polter (Fortuna Sittard), Lars Unnerstall (PSV Eindhoven) und Lennart Thy (Sparta Rotterdam) haben ihrer Karriere in den Niederland­en neues Leben eingehauch­t. Den Grund dafür, dass die Legionäre in der Eredivisie einschlage­n, brachte jüngst Maximilian Wittek im Gespräch mit dem Fußballmag­azin „Voetbal Internatio­nal“auf den Punkt. Der Linksverte­idiger, einst deutscher U20-Nationalsp­ieler und bis zum Sommer beim Zweitligis­ten Greuther Fürth unter Vertrag, ist mittlerwei­le Stammspiel­er unter Thomas Letsch bei Vitesse Arnheim. „Ich bringe ein bisschen deutsche DNA mit: immer mehr geben zu wollen“, sagte der 25-Jährige.

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FOTO: PAUL MEIMA/IMAGO IMAGES Obenauf im Nachbarlan­d: Vitesse-Arnheim-Coach Thomas Letsch bejubelt mit seinen Spielern den 1:0-Sieg gegen Rotterdam kurz vor Weihnachte­n.

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