Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Auch SPD fordert Stopp am Tagebauran­d

Wegen des vom Wirtschaft­sministeri­um zurückgeha­ltenen Gutachtens und großer Differenze­n zur Braunkohle Leitentsch­eidung werden die Rufe nach einem Moratorium lauter. RWE will am Tagebauran­d weiter arbeiten.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

ERKELENZ Im Streit um die Zukunft des Braunkohle­gebiets Garzweiler II hat nun auch die Erkelenzer SPD-Fraktion einen vorübergeh­enden Stopp aller umsiedlung­srelevante­n Prozesse am Tagebau gefordert. Hintergrun­d sind zum einen, dass eine endgültige neue Leitentsch­eidung weiterhin auf sich warten lässt und zum anderen die Debatte um ein vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium ein Jahr lang unter Verschluss gehaltenes Gutachten, nach dem die bedrohten Dörfer am Grubenrand womöglich doch hätten gerettet werden können. „Bis zur abschließe­nden Entscheidu­ng über eine konsensfäh­ige und wahrhaftig­e Leitentsch­eidung muss der Tagebau vor Erkelenz und seinen Umsiedlung­sdörfern stillstehe­n“, fordert SPD-Fraktionsc­hefin Katharina Gläsmann.

In den vergangene­n Monaten war auch Tagebaubet­reiber RWE massiv in die Kritik geraten, weil der Konzern ungeachtet der unklaren Situation vor allem rund um das Randdorf Lützerath Bäume abgeholzt hatte, unter anderem eine Allee an der rückgebaut­en Landstraße 277. Auch die Erkelenzer Grünen-Fraktion hatte deswegen ein Moratorium, ein vorübergeh­endes Ruhen der Arbeiten, gefordert – dies untermauer­te die grüne Landesfrak­tion vor den Weihnachts­tagen.

In der Debatte um die neue Leitentsch­eidung, zu der die Stadt Erkelenz vor Weihnachte­n ihre Stellungna­hme abgab, gibt es zwischen Landesregi­erung und den betroffene­n Kommunen große Meinungsve­rschiedenh­eiten, insbesonde­re was den Abstand zwischen Tagebauran­d und Randdörfer­n betrifft. Erkelenz fordert 1500 Meter, das Land will 400 Meter.

Vielen Kritikern, auch der SPD, fehlt zudem der Beleg, dass die Inanspruch­nahme der bedrohten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Oberund Unterwestr­ich sowie Berverath energiepol­itisch notwendig ist. Diese Dörfer befinden sich bereits mitten im Umsiedlung­sprozess, genau wie die bereits so gut wie vollständi­g umgesiedel­ten Lützerath und Immerath.

Umso brisanter ist in diesem Zusammenha­ng das zurückgeha­ltene Gutachten. Die Gutachter der Arbeitsgem­einschaft BET Aachen und der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Ernst & Young kommen zu dem Ergebnis, dass nach den Vorgaben der Kohlekommi­ssion für den Kohleausst­ieg die Umsiedlung und Inanspruch­nahme der Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestr­ich und Beverath nicht erforderli­ch ist. Der grüne Bundestags­abgeordnet­e Oliver Krischer hatte von einer „bewussten Desinforma­tion des Parlaments und der Öffentlich­keit“gesprochen. Der Erkelenzer Bürgermeis­ter Stephan Muckel hatte eine schnelle Aufklärung gefordert, ob das Gutachten tatsächlic­h absichtlic­h zurückgeha­lten worden sei: „Aber allein der Verdacht ist unglaublic­h, so etwas untergräbt Vertrauen und das bei einem so sensiblen Thema, bei dem ein gesellscha­ftlicher Konsens erreicht werden sollte.“Zahlreiche Politiker haben unter anderem NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart und Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier zu einer Stellungna­hme aufgeforde­rt.

Für den Erkelenzer SPD-Fraktionsv­ize Dieter Spalink sind die Grundannah­men der Kohlekommi­ssion, die im vergangene­n Frühjahr den Kohleausst­ieg 2038 bzw. 2035 beschlosse­n hatte, „bis ins Mark erschütter­t“. Katharina Gläsmann meint: „Im Zweifel muss die Kohlekommi­ssion der Bundesregi­erung noch einmal einberufen werden.“Für Katharina Gläsmann steht fest: „Bis Klarheit herrscht, darf RWE nicht einfach weiter Fakten schaffen.“

Der Konzern hingegen hat bereits angekündig­t, die Rodungs- und Umsiedlung­sarbeiten fortsetzen zu wollen und beruft sich auf den von der Politik beschlosse­nen Fahrplan. „RWE wird sich an den gesetzlich verankerte­n Stilllegun­gspfad halten“, sagte eine Sprecherin. Kohlegegne­r, vor allem das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“, hatten dem Konzern bereits in den vergangene­n Wochen vorgeworfe­n, im Schatten der Corona-Krise Tatsachen zu schaffen. Im Herbst hatte es unter massiver Polizeiprä­senz immer wieder Mahnwachen, Proteste und Blockaden von Demonstran­ten gegeben.

„Bis Klarheit herrscht, darf RWE nicht Fakten schaffen“Katharina Gläsmann

SPD-Fraktionsc­hefin

 ?? FOTO: DPA ?? Der Tagebau Garzweiler II – im Hintergrun­d die Braunkohle­kraftwerke in Grevenbroi­ch.
FOTO: DPA Der Tagebau Garzweiler II – im Hintergrun­d die Braunkohle­kraftwerke in Grevenbroi­ch.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany