Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Ich werde nicht sagen: Ich habe fertig“
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland nimmt Abschied vom Amt, aber nicht den Gottesdiensten.
DÜSSELDORF Der Jahreswechsel läutet auch das Dienstende von Manfred Rekowski als Präses ein. Im Januar wird sein Nachfolger gewählt. Dennoch will Rekowski sich weiter in der Kirche engagieren. Er blickt hoffnungsvoll auf das, was ihn und die anderen Gläubigen erwartet.
Präses Rekowski, wie war das Weihnachtsfest 2020 in der Evangelischen Kirche im Rheinland?
REKOWSKI Nach all dem, was ich bisher wahrnehmen konnte, war das Christfest vielerorts so wie bei mir: anders, ruhiger, nachdenklicher als sonst.
War es richtig, es den Gemeinden freizustellen, Präsenzgottesdienste durchzuführen?
REKOWSKI Es geht bei dieser Frage nicht darum, ob die Institution Kirche mit großem Beharrungsvermögen auf ihre Rechte pocht. Wir mussten vielmehr in den einzelnen Gemeinden klären, wie wir in Corona-Zeiten den Menschen die Weihnachtsbotschaft nahebringen, und wie wir sie seelsorglich begleiten können. Viele Gemeinden haben von Streaming-Gottesdiensten bis zu „Gebrauchsanweisungen“für heimische Weihnachtsfeiern kreative alternative Angebote entwickelt. Einige haben unter strikter Beachtung der mit den Behörden verabredeten Schutzkonzepte Präsenzgottesdienste angeboten.
Sie selbst haben Ihren Gottesdienst auf dem Friedhof in Wuppertal absagen müssen...
REKOWSKI Das stimmt. Ich habe den Angemeldeten aber ein anderes seelsorgliches Angebot gemacht und sie zum Grab ihrer Verstorbenen begleitet und dort mit ihnen gebetet. Davor oder danach konnten sie in der Friedhofskapelle bei weihnachtlichen Orgelklängen verweilen. Zehn Menschen haben davon Gebrauch gemacht. In den Begegnungen war spürbar, dass das erste Weihnachtsfest ohne den verstorbenen Angehörigen ein besonderes Fest ist. Von den dichten Begegnungen und Gesprächen bin ich sehr bewegt. Unter veränderten Bedingungen werden wir sicher auch für 2021 ein solches Angebot planen.
Was war der wichtigste Moment Ihrer Amtszeit?
REKOWSKI Das waren zwei Momente: Das eine war die Erfahrung, die wir mit der Jugendsynode gemacht haben. Da ist es uns gelungen, auf die junge Generation zu hören und Jung und Alt in Kontakt miteinander zu bringen. Das hat uns auch einen Schub gegeben, Personen und Talente, die wir entdeckt haben, auch wirklich in unserer Kirche zu Wort kommen zu lassen. Das Andere ist völlig anders gelagert: Mich hat die Situation, die ich vor einigen Jahren im griechischen Flüchtlingslager Idomeni erlebt habe, sehr erschüttert und beeindruckt. 15.000 Menschen, die im Dreck hausten und vegetierten. Da habe ich gemerkt: Wir dürfen nicht abstumpfen, wir müssen das Elend der Welt an uns heranlassen.
Und was hätten Sie gern noch angepackt, müssen es aber im März kommenden Jahres ihrem Nachfolger überlassen?
REKOWSKI …oder meiner Nachfolgerin. Ich werde nicht am Tag meiner Verabschiedung sagen: „Ich habe fertig.“Alles, was ich gemacht habe, war immer nur fragmentarisch. In der Evangelischen Kirche im Rheinland ist man ja auch nicht als Solist unterwegs – wir haben manches angestoßen, da hätte ich mir manchmal mehr Tempo gewünscht. Wenn es etwa darum geht, den Aufwand für Leitung, Gremien und Organisation in unserer Kirche zu reduzieren, haben wir noch eine ganze Menge vor uns.
Die Kirche steht vor finanziellen Herausforderungen – wegen Corona und wegen der Mitgliederentwicklung. Wie soll es weitergehen? Was ist Ihre Hoffnung für die Zukunft?
REKOWSKI In meiner Amtszeit ist bei diesem Punkt mein Blick immer in die europäischen Nachbarkirchen gegangen: Sie sind sehr viel bescheidener, sehr viel kleiner – etwa die evangelische Kirche in meinem Geburtsland Polen, in Belgien oder Frankreich. Ich fand das immer sehr ermutigend: Wenn man sieht, wie evangelische Kirche unter völlig anderen Rahmenbedingungen vital leben kann, kann man eigentlich auch angstfrei mit den Veränderungsprozessen umgehen, vor denen wir stehen. Denn unsere Aufgabe ist es nach wie vor, die zu großen kirchlichen Strukturen an die kleiner werdenden Zahlen anzupassen, aber auch getrost und zuversichtlich unsere Aufgaben in der Seelsorge, der Diakonie und der Verkündigung zu übernehmen. Aber da bin ich ganz hoffnungsvoll.
Wie wird die Evangelische Kirche im Rheinland nach Corona aussehen?
REKOWSKI In der Corona-Zeit, gerade im Frühjahr, sind uns Argumente wie „Das geht doch nicht“quasi im Minutentakt aus der Hand genommen worden. Es gab keine Präsenzgottesdienste mehr. Stattdessen haben wir digitale Angebote in einem enormen Tempo aufgebaut. Wir haben eine Zeitungsbeilage gemacht, Kirchengemeinden haben Briefe an ihre Gemeindeglieder geschickt, es gab Telefonaktionen. Meine Hoffnung ist: Es wird mit diesen Erfahrungen kein Zurück zu den Zeiten vor Corona geben.
Und welche Rolle wird Manfred Rekowski darin spielen?
REKOWSKI Ich predige ja gerne, feiere gerne Gottesdienste – und das werde ich in meiner Heimatgemeinde in Wuppertal auch weiter tun. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass ich mich mit einem diakonischen Projekt ganz handfest ins Gemeindeleben einbringe. Konkrete Pläne habe ich noch nicht – aber ich bin ganz sicher: Ich werde keine Sinnkrise nach meiner Pensionierung haben.