Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Katz und Maus im Literaturverlag
„Liebe und Anarchie“erzählt von einer Büro-Affäre mit Altersunterschied.
Eine Affäre zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann als Topos ist sicher nicht so ungewöhnlich, dass sie „Liebe und Anarchie“zu etwas Besonderem machen würde. Doch wie die schwedische Serie von dieser Amour fou erzählt, ist charmant, unkonventionell, witzig und äußerst unterhaltsam. Zumal die acht Episoden immer nur um die 30 Minuten laufen – ein kurzes Vergnügen für zwischendurch.
Sofie (umwerfend gespielt von Ida Engvoll), Mitte 30, ist Beraterin und soll eine kleinen Literaturverlag ins digitale Zeitalter führen. Die blonde Frau ist selbstbewusst, trägt knallroten Lippenstift und scheut auch nicht davor zurück, die Zicke zu spielen, wenn es in ihren Augen nötig ist. Sie lebt mit ihrem sympathischen Mann und zwei Kindern in einem schicken Stockholmer Stadthaus voller Design; typisch schwedisch, möchte man sagen. Doch irgendetwas fehlt offenbar in ihrem perfekt scheinenden Leben. Zu Sofies Ritualen gehört es, heimlich zu Pornos auf ihrem Handy zu masturbieren.
Als der junge (und gut aussehende) IT-Fachmann Max (Björn Mosten) sie unbemerkt dabei fotografiert, entspinnt sich zwischen den beiden ein eigenartiges Katz-undMaus-Spiel. Sie fordern sich gegenseitig heraus mit allerlei merkwürdigen Aufgaben und Mutproben. Sie muss einen Tag rückwärts laufen, er soll auf der Buchmesse etwas machen, das alle bemerken (er stellt kurz den Strom ab). Sie geht „unten ohne“ins Schwimmbad, er benimmt sich einen Tag wie der Chef des Verlags und verstört die Kollegen mit seinem Managergehabe.
Natürlich kommen sich die beiden bei ihrem Spiel näher und verlieben sich. Aber das Ganze wird von Regisseurin Lisa Langseth, die teilweise auch das Drehbuch geschrieben hat, ohne melodramatischen Unterton erzählt, spielerisch, mit Leichtigkeit. Alles wird nicht so ernst genommen. Und das wirkt sehr erfrischend. Denn natürlich geht es in der Komödie auch um ernste Themen, um Selbstfindung, um die Midlife-Crisis, um das Wachsen am Leben selbst mit allen Höhen und Tiefen.
Daneben ist es köstlich, wie „Liebe und Anarchie“den konservativen Literaturbetrieb unter die Lupe nimmt, die Phrasen und das Festhalten an alten Normen entlarvt. Wie sich „die alten Hasen“den neuen Marketingmöglichkeiten durch Social Media gegenüber verständnislos geben, oder wie sie den weißen alten Männern des Literaturbetriebs immer noch bei Grenzüberschreitungen die Stange halten. Wie der softe Chef eigentlich immer hart wirken will, und wie der Cheflektor Friedrich zunehmend die neue Welt nicht mehr versteht und zur Selbstfindung psychedelische Substanzen zu sich nimmt.
Das ist alles sehr unkonventionell und modern erzählt, auch wenn man manchmal den Eindruck hat, das Drehbuch könnte noch mehr auf den Punkt kommen, noch schärfer und bissiger formulieren. Aber vielleicht ist das auch genau die Stärke: dass die Serie ihr Thema nicht für eine gute Pointe verrät.