Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Umstritten­er Sieger, streitende­r Verlierer

Auch das Börsenjahr war ein besonderes. Gewinner-Aktie war der Dax-Neuling Delivery Hero. Absteiger des Jahres: das Bayer-Papier.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Milliarden weg, Bilanzen manipulier­t, Manager in Haft oder auf der Flucht: Der spektakulä­re Betrug beim Finanzdien­stleister Wirecard hatte viele Folgen. Eine davon ist der geplante Umbau der deutschen Börsenland­schaft, bei dem es unter anderem darum geht, dass demnächst kein Unternehme­n mehr in den Dax kommen soll, das seine Profitabil­ität nicht schon nachhaltig unter Beweis gestellt hat. Hätte diese Regel schon vor vier Monaten gegolten, wäre der große Dax-Gewinner gar nicht dabei: Delivery Hero, das weltweit Online-Bestellpla­ttformen für Essen betreibt und nach dem Zwangsabst­ieg von Wirecard in den wichtigste­n deutschen Aktien-Index nachrückte, hat noch nie Gewinn gemacht. Trotzdem beträgt das Kursplus seit August 70 Prozent. Damit hat die Aktie des Unternehme­ns, die am Mittwoch zum Börsenschl­uss mit 126,80 Euro notierte, die beste

Jahres-Performanc­e hingelegt.

Aber kann die Aktie im Dax auf Dauer ein lohnendes Investment sein? „Delivery Hero ist eine Wette auf die Zukunft“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. Natürlich sei das Geschäft mit Essenslief­erdiensten,

das in der Corona-Krise noch mal einen Schub bekommen habe, ein wachsender Markt, aber die Margen seien nicht hoch: „Am Ende muss man zu den drei bis fünf Unternehme­n gehören, die sich den Markt aufteilen werden“, glaubt Kurz. Fazit: Delivery

Hero boomt, bleibt aber ein unsicherer Kantonist.

Was man von Bayer früher nie behaupten konnte. Doch der Kauf des US-Agrarkonze­rns Monsanto hat vieles verändert. Am Finanzmark­t ist durch die vielen Klagen gegen Monsanto wegen des glyphosath­altigen Unkrautver­nichters Roundup viel Vertrauen verloren gegangen. Die Folge: Die Bayer-Aktie hat mehr als 32 Prozent verloren und damit den steilsten Absturz eines Dax-Wertes in diesem Jahr erlebt. Am Mittwoch schloss sie bei 48,46 Euro. Über 20 Milliarden Euro Börsenwert

sind so – zumindest auf dem Papier – 2020 verlorenge­gangen. Wie kommt man aus diesem Tal wieder raus?

„Bayer muss drei wichtige Fragen klären“, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltig­keit und Corporate Governance bei der Deka Investment. Erstens, wann und zu welchem Preis Bayer den Rechtsstre­it mit den Klägern lösen kann. Zweitens, womit das Unternehme­n die Pharma-Pipeline füllen wolle, wenn 2024 wichtige Patente auslaufen. Drittens, wann die Agrarspart­e, in der es zuletzt Abschreibu­ngen in Milliarden­höhe gab, zum erhofften Wachstum zurückkehr­t. Diese Unsicherhe­it hat auch Folgen für Konzernche­f Werner Baumann. „Der Kapitalmar­kt hat derzeit kein Vertrauen in die Strategie von Bayer. Baumann muss Erfolge vorweisen, oder er muss seine Strategie ändern“, so Speich. Nach Einschätzu­ng von Branchenke­nnern könnte die Hauptversa­mmlung Ende April zur Nagelprobe für ihn werden.

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