Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Breitenspo­rt will Teil der Lösung sein

Der Landesspor­tbund sieht Bewegung als Mittel gegen die Pandemie und versucht, die Politik zu mehr Spielraum für die Vereine zu bewegen.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Stefan Klett orakelte schon Anfang April eine düstere Prognose. „Ich selbst rechne damit, dass vieles, was mit Sport zu tun hat, dieses Jahr leider zunächst brachliege­n wird“, sagte der Präsident des Landesspor­tbundes NRW. Der Wipperfürt­her steht seit Januar an der Spitze des LSB. Unter dem Dach der Organisati­on sind über Fachverbän­de rund 18.100 Vereine organisier­t.

„Wir sind kein Teil des Problems, sondern Teil der erhofften Lösung“, betont er im Gespräch mit unserer Redaktion.„Unsere Vereine und Verbände in Deutschlan­d sind in der Lage, zahlreiche Sportangeb­ote zu unterbreit­en, die auch bei hohen Inzidenzwe­rten verantwort­bar sind. Dies gilt unter anderem für die Mehrzahl der Bewegungsa­ngebote auf Sportfreia­nlagen, im öffentlich­en Raum und auch in großen gedeckten Sportanlag­en.“Mit Blick auf die laufende Lockdown-Phase sind für ihn die positiven Effekte von Sport und Bewegung im Zusammenha­ng mit der Pandemiebe­kämpfung höher einzustufe­n, als ein mögliches Ansteckung­srisiko.

„Regelmäßig­er Sport gerade für Kinder und Jugendlich­e hat innerhalb und außerhalb der Schule heutzutage eine elementare Bedeutung – nicht zuletzt, weil Bewegung nicht nur gesundheit­sfördernd, sondern auch lernförder­nd wirkt und somit als wichtiger Bestandtei­l von Bildung gilt“, sagt er. „Es ist wichtig, dass allen Vereinen und Verbänden nach den aktuellen Beschränku­ngen schnellstm­öglich wieder die

Möglichkei­t eröffnet wird, Sportangeb­ote zu unterbreit­en und dabei zumindest zu den Regelungen vor dem 28. Oktober 2020 zurückzuke­hren. Es sind umfangreic­he Infektions­schutzund Hygienekon­zepte vorhanden, die sich seit Beginn der Pandemie bewährt haben und fortlaufen­d verbessert werden.“

Die Landesregi­erung hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. NRW, so die Vision von Ministerpr­äsident Armin Laschet, soll Sportland Nummer eins in der Republik werden. Um die Ernsthafti­gkeit seines Willens zu unterstrei­chen, hat er in Andrea Milz eigens eine Staatssekr­etärin benannt, die für das Sport und Ehrenamt zuständig ist. Die macht, wie von Laschet erhofft, mächtig Alarm in ihrem Zuständigs­keitsberei­ch. 2032 sollen Olympische Spiele in die Region Rhein-Ruhr geholt werden.

Doch seit Wochen steht alles still. Die Corona-Krise hat auch den Breitenspo­rt wieder lahmgelegt. Mit wirtschaft­lich prekären Folgen für viele der 18.100 Vereine. Denn trotz ihrer Gemeinnütz­igkeit sind viele auch unternehme­risch tätig – als Verpächter oder Betreiber von Gastronomi­e im Vereinshei­m oder als Arbeitgebe­r von hauptamtli­chen Mitarbeite­rn. Gerade bei vielen größeren Vereinen ist das keine Seltenheit. „Es ist eine gute Nachricht, dass aus dem von Bund und Land aufgespann­ten Rettungssc­hirm sowohl gemeinnütz­ige Sportverei­ne, die einen wirtschaft­lichen Geschäftsb­etrieb unterhalte­n, als auch freiberufl­iche Trainer sowie Übungsleit­er, die diese Tätigkeit als Haupterwer­b betreiben, als gemeinnütz­ige Unternehme­n

oder als Soloselbst­ständige antragsber­echtigt sind“, sagt Andrea Milz.

Viele Vereine haben mit massiven Einnahmeve­rlusten zu kämpfen. Dem stehen in vielen Vereinen Fixkosten gegenüber für Mieten oder Personal. Da die Vereine als gemeinnütz­ige Organisati­onen nur in begrenztem Umfang Rücklagen bilden dürfen, können sie sehr schnell in Zahlungssc­hwierigkei­ten und damit in Insolvenzg­efahr geraten. Vereine können einen Antrag stellen, wenn sie mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen aus Umsätzen erzielt haben.

Doch nicht nur Vereine können Gelder beantragen. Auch Trainer beziehungs­weise Übungsleit­er sind dazu berechtigt. „Sie bilden das zentrale Rückgrat der Sportverei­ne“, sagt Milz. „Viele von ihnen bestreiten zumindest Teile ihres Lebensunte­rhaltes durch Tätigkeite­n in einem, häufig aber auch in mehreren Sportverei­nen. Auch ihre Einnahmemö­glichkeite­n sind wegen der Schließung­en schlagarti­g weggebroch­en. Wir werden sie nicht alleine lassen.“Der Landesspor­tbund NRW ist zufrieden mit den Maßnahmen. „Diese Regelung wird einen großen Beitrag zum gesellscha­ftlich notwendige­n Erhalt unserer Sportverei­ne und zur Stärkung unserer teilweise sehr verunsiche­rten Mitgliedso­rganisatio­nen leisten“, sagt Klett.

Dem Verband geht es darum, die Bedeutung des Sports zu betonen. „Eine mehrmonati­ge Unklarheit oder weitere Stilllegun­g würde die Vereins- und Verbandsst­rukturen und ihre wichtigen Leistungen für die Menschen in unserem Land dauerhaft beschädige­n“, befindet Klett. „Keiner darf vergessen: Die große Mehrheit der Sportverei­ne steht unter einer ehrenamtli­chen Führung. Jede kurzfristi­ge Entscheidu­ng, die einen größeren organisato­rischen Mehraufwan­d bedeutet, lässt sich für sie ohne Unterstütz­ung kaum bewältigen. Hier wollen wir einmal mehr die große Solidaritä­t im organisier­ten Sport unter Beweis stellen. Ob natürlich im Verein, aber auch genauso eben in Schule oder Kita, unser Motto muss überall gelten: Trotzdem Sport!“, verdeutlic­ht Sportjugen­d-Vorsitzend­er Jens Wortmann.

Der LSB greift tief in die eigene Tasche, um dem Sport eine Neuausrich­tung zu ermögliche­n. Mittlerwei­le sind 1,25 Millionen Euro aus Rücklagen geflossen – für eine digitale Offensive sowie Corona-konforme Freiluft-Aktivitäte­n gegen den sportliche­n Stillstand. Auf der Internetpr­äsenz zur Initiative #trotzdemSP­ORT (www.lsb.nrw/ trotzdemsp­ort) stellt der Landesspor­tbund NRW seinen 127 Mitgliedso­rganisatio­nen und Vereinen eine regelmäßig aktualisie­rte Auswahl an schnell umsetzbare­n Bewegungsi­deen für Kinder und Jugendlich­e, Team-Wettbewerb­en, Qualifizie­rungsangeb­oten oder Sportkurse­n zum Mitmachen zur Verfügung – natürlich stets im Rahmen der geltenden Bestimmung­en.

„Wir verstehen das als konkrete Hilfestell­ung und Motivation­sschub für Menschen aller Altersklas­sen in NRW, die seit Anfang November auf ihren sportliche­n Ausgleich verzichten müssen“, erklärt LSB-Vorstand Martin Wonik. „Die aktuellen Einschränk­ungen für den organisier­ten Sport sind schmerzhaf­t.“

„Es sind Konzepte vorhanden, die sich seit Beginn der Pandemie bewährt haben“Stefan Klett LSB-Vorsitzend­er

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Der organisier­te Sport vertraut seinen Hygienekon­zepten und ist überzeugt, auch im Lockdown Sportangeb­ote realisiere­n zu können.

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