Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ein Jahr ohne Geselligkeit
Es gibt Schlimmeres als ausgefallene Feste und Großereignisse. Traurig sein darf man darüber trotzdem. Auch in Zeiten einer globalen Pandemie.
Ein Samstagabend, Anfang März. Ein Jugendzentrum einer Kleinstadt, ungefähr so groß wie Korschenbroich. Auf der Bühne stehen fünf Musiker einer Rockband, im Publikum ein paar Hundert Zuschauer. Darunter ich. Die Tickets waren ein Weihnachtsgeschenk. Die Band habe ich schon einmal gesehen. Es ist ein schöner, aber kein außerordentlich besonderer Abend. Eigentlich. Denn es ist mein letztes Konzert in diesem Jahr, mein letztes Großereignis. Wenige Tage später beginnt der erste Corona-Lockdown.
So wie mir, geht es wohl vielen Menschen am Ende dieses vermaledeiten Jahres. Sie denken an Momente zurück, als der Alltag noch „normal“war. Konzerte, Feiern,
Sportveranstaltungen, Feste. Aus dieser längst vergangenen Zeit, als es noch normal war mit einer Reihe verschwitzter Gestalten in einer schlecht belüfteten Halle zu stehen und dabei ein Bier in der Hand zu halten. Als all das noch nicht als pandemisches Risiko galt. Als man diesen Umstand, so erscheint es aus heutiger Sicht, viel zu wenig zu schätzen wusste.
Die Korschenbroicher mussten sich wie ein Großteil der Menschheit in diesem Jahr damit abfinden, dass viele liebgewonne Veranstaltungen nicht stattfinden konnten. Unges Pengste, City-Lauf, Weihnachtsmärkte, Dorffeste, Familienfeiern. Und sie merkten wie ein Großteil der Menschheit, was diese festen Termine im Jahresablauf doch für eine besondere Bedeutung hatten. Als Gelegenheiten zur Begegnung, Fluchtmöglichkeit aus dem Alltag, Anlässe, auf die sie sich freuen konnten.
Und natürlich gibt es Schlimmeres. Das gibt es immer. Gerade wenn Sie wie ich in Zeiten einer globalen Pandemie zu den Glücklichen gehören, die von einer Corona-Infektion verschont geblieben sind. Zu jenen, in deren Familien- und Freundeskreis keine schweren Covid-19-Verläufe aufgetreten sind. Zu jenen, die keine ihnen nahestehenden Menschen durch die Folgen einer solchen Infektion verloren haben.
Dennoch darf ein jeder traurig sein über die Entbehrungen, die das Jahr 2020 mit sich gebracht hat. Da gibt es kein Entweder-oder. Gefühle
lassen sich nicht nach Faktenlage in berechtigt und unberechtigt aufteilen. Auch wer gesund ist, wer einen krisenfesten Job hat und von lieben Menschen umgeben ist, darf mit seiner jetzigen Situation hadern. Er sollte es sogar. Es zeigt, dass es da noch mehr Dinge gibt, für die es sich zu leben lohnt. Menschen, Momente, Erlebnisse. Freudige Anlässe, die wieder möglich sein werden. In der Zeit nach der Pandemie.
Dass das vergangene Jahr in Korschenbroich nicht nur einsam und traurig war, lag daran, wie die Menschen mit der Situation umgegangen sind. Sie haben sich vernetzt, haben Hilfsangebote auf die Beine gestellt, haben virtuelle Alternativen für ausgefallene Feste gefunden. Haben in Sommer und Frühherbst Formate entwickelt, in denen in kleinerem Rahmen Kultur, Sport und Freizeit gelebt werden konnten. Sie erschufen neue Erinnerungen, die bestimmt noch manchem Menschen in den düsteren Wintertagen des zweiten Lockdowns ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das, und der Blick in eine hoffentlich schönere Zukunft.
Die ersten Corona-Impfungen haben in diesen Tagen begonnen. Noch kann niemand mit Gewissheit sagen, wann es wieder Schützenfeste, Konzerte oder sonstige Großveranstaltungen geben kann. Sicher ist nur: Es wird sie wieder geben. Und wenn es so weit ist, nimmt vielleicht jeder diese Erlebnisse noch ein wenig bewusster wahr. Und denkt dabei mit einem Lächeln an dieses verrückte Corona-Jahr 2020 zurück. Es wäre uns allen zu wünschen.