Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ein Jahr ohne Geselligke­it

Es gibt Schlimmere­s als ausgefalle­ne Feste und Großereign­isse. Traurig sein darf man darüber trotzdem. Auch in Zeiten einer globalen Pandemie.

- ARCHIV-FOTO: JABA VON MARC LATSCH

Ein Samstagabe­nd, Anfang März. Ein Jugendzent­rum einer Kleinstadt, ungefähr so groß wie Korschenbr­oich. Auf der Bühne stehen fünf Musiker einer Rockband, im Publikum ein paar Hundert Zuschauer. Darunter ich. Die Tickets waren ein Weihnachts­geschenk. Die Band habe ich schon einmal gesehen. Es ist ein schöner, aber kein außerorden­tlich besonderer Abend. Eigentlich. Denn es ist mein letztes Konzert in diesem Jahr, mein letztes Großereign­is. Wenige Tage später beginnt der erste Corona-Lockdown.

So wie mir, geht es wohl vielen Menschen am Ende dieses vermaledei­ten Jahres. Sie denken an Momente zurück, als der Alltag noch „normal“war. Konzerte, Feiern,

Sportveran­staltungen, Feste. Aus dieser längst vergangene­n Zeit, als es noch normal war mit einer Reihe verschwitz­ter Gestalten in einer schlecht belüfteten Halle zu stehen und dabei ein Bier in der Hand zu halten. Als all das noch nicht als pandemisch­es Risiko galt. Als man diesen Umstand, so erscheint es aus heutiger Sicht, viel zu wenig zu schätzen wusste.

Die Korschenbr­oicher mussten sich wie ein Großteil der Menschheit in diesem Jahr damit abfinden, dass viele liebgewonn­e Veranstalt­ungen nicht stattfinde­n konnten. Unges Pengste, City-Lauf, Weihnachts­märkte, Dorffeste, Familienfe­iern. Und sie merkten wie ein Großteil der Menschheit, was diese festen Termine im Jahresabla­uf doch für eine besondere Bedeutung hatten. Als Gelegenhei­ten zur Begegnung, Fluchtmögl­ichkeit aus dem Alltag, Anlässe, auf die sie sich freuen konnten.

Und natürlich gibt es Schlimmere­s. Das gibt es immer. Gerade wenn Sie wie ich in Zeiten einer globalen Pandemie zu den Glückliche­n gehören, die von einer Corona-Infektion verschont geblieben sind. Zu jenen, in deren Familien- und Freundeskr­eis keine schweren Covid-19-Verläufe aufgetrete­n sind. Zu jenen, die keine ihnen nahestehen­den Menschen durch die Folgen einer solchen Infektion verloren haben.

Dennoch darf ein jeder traurig sein über die Entbehrung­en, die das Jahr 2020 mit sich gebracht hat. Da gibt es kein Entweder-oder. Gefühle

lassen sich nicht nach Faktenlage in berechtigt und unberechti­gt aufteilen. Auch wer gesund ist, wer einen krisenfest­en Job hat und von lieben Menschen umgeben ist, darf mit seiner jetzigen Situation hadern. Er sollte es sogar. Es zeigt, dass es da noch mehr Dinge gibt, für die es sich zu leben lohnt. Menschen, Momente, Erlebnisse. Freudige Anlässe, die wieder möglich sein werden. In der Zeit nach der Pandemie.

Dass das vergangene Jahr in Korschenbr­oich nicht nur einsam und traurig war, lag daran, wie die Menschen mit der Situation umgegangen sind. Sie haben sich vernetzt, haben Hilfsangeb­ote auf die Beine gestellt, haben virtuelle Alternativ­en für ausgefalle­ne Feste gefunden. Haben in Sommer und Frühherbst Formate entwickelt, in denen in kleinerem Rahmen Kultur, Sport und Freizeit gelebt werden konnten. Sie erschufen neue Erinnerung­en, die bestimmt noch manchem Menschen in den düsteren Wintertage­n des zweiten Lockdowns ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das, und der Blick in eine hoffentlic­h schönere Zukunft.

Die ersten Corona-Impfungen haben in diesen Tagen begonnen. Noch kann niemand mit Gewissheit sagen, wann es wieder Schützenfe­ste, Konzerte oder sonstige Großverans­taltungen geben kann. Sicher ist nur: Es wird sie wieder geben. Und wenn es so weit ist, nimmt vielleicht jeder diese Erlebnisse noch ein wenig bewusster wahr. Und denkt dabei mit einem Lächeln an dieses verrückte Corona-Jahr 2020 zurück. Es wäre uns allen zu wünschen.

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2019 konnte Unges Pengste noch stattfinde­n.

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