Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Ich wusste, dass ich diese Chance nutzen muss“

Motorsport­ler Tim Heinemann spricht im Interview über seinen Erfolg in der DTM-Trophy und die Herausford­erungen im Corona-Jahr.

- THOMAS GRULKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

MOTORSPORT Obwohl er vor seiner Debütsaiso­n in der DTM-Trophy stand, formuliert­e Tim Heinemann im vergangene­n Sommer ein ambitionie­rtes Ziel. Der 23-Jährige, der in Wegberg aufgewachs­en ist, wollte es mit seinem Team HP Racing Internatio­nal in der Rennserie, die eine Art Unterbau der bekannten Deutschen Tourenwage­n Meistersch­aft ist, unter die besten Drei schaffen. Ein Ziel, das er eindrucksv­oll übertraf, indem er die Gesamtwert­ung sogar gewann. Im Interview spricht er über seine Saison, die auch für ihn trotz des großen Erfolges vor allem durch Corona geprägt war.

Herr Heinemann, wie würden Sie das Jahr 2020 aus sportliche­r Sicht für Sie beschreibe­n?

HEINEMANN Dieses Jahr war für mich ein Riesenerfo­lg, der mich und mein Team schon ein bisschen überrascht hat. Es war meine erste komplette Saison nach meinem Wechsel von der virtuellen Rennserie in ein echtes Auto – und dann gleich ein solcher Titelgewin­n. An dieses Jahr werden wir sicher alle noch lange zurückdenk­en.

Allerdings hatten Sie sich mit Ihrer Zielvorgab­e auch selbst unter Druck gesetzt.

HEINEMANN Ja, aber ich mache mir auch gerne Druck, so etwas treibt mich an, damit kann ich auch gut umgehen. Zudem war klar, dass ich nicht die Zeit habe, endlos ohne gute Ergebnisse in der DTM-Trophy mitzufahre­n. Und insgeheim haben das Team und ich sogar direkt mit dem Titel geliebäuge­lt. Letztlich fährt man ja Rennen, um Erster zu werden.

Wie sehr hat Sie dann der erste Lockdown im Frühjahr ausgebrems­t?

HEINEMANN Ich weiß noch, wie ich im Familienur­laub die ersten Nachrichte­n über das Coronaviru­s verfolgt habe. Da schien das alles weit weg zu sein. Doch das hat sich schnell geändert und natürlich auch direkt Einfluss auf die Planungen des Teams genommen. Zwischenze­itlich habe ich mir schon Sorgen gemacht, ob ich 2020 überhaupt ein Rennen fahren kann. Zum Glück haben unsere Partner und Sponsoren aber frühzeitig positive Signale gesendet, dass sie zu uns stehen.

Wie stark waren Sie in Ihrer sportliche­n Vorbereitu­ng letztlich eingeschrä­nkt?

HEINEMANN Die Abstriche, die ich machen musste, bezogen sich eher auf zeitliche Faktoren. Mein Training läuft dagegen generell überwiegen­d individuel­l ab. Da konnte ich mein Programm schon durchziehe­n.

War da entspreche­nd viel Selbstdisz­iplin gefordert?

HEINEMANN Auf jeden Fall, da ich auch keinen Personal Trainer habe. Natürlich war es anfangs schwierig, mental nicht in ein Tief zu rutschen. Doch ich finde, dass genau das den Sport ausmacht: sich auch in schwierige­n Phasen zu motivieren, das Beste aus der Situation zu machen und es allen zu beweisen. Zudem hat mir natürlich das Team geholfen und mir den Rücken freigehalt­en, wo es möglich war.

In Ihrem Bekannten- und Freundeskr­eis wird es sicher auch Sportler gegeben haben, die ihre Sportart während des Lockdowns nicht ausüben konnten. Wie sind Sie damit umgegangen?

HEINEMANN Ich war mir schon des Privilegs bewusst, weiter das machen zu können, was mir so viel Spaß macht. Da war ich in einer sehr guten und glückliche­n Position. Einer meiner Freunde ist auch im Motorsport aktiv, allerdings auf niedrigere­m Niveau. Da konnte dieses Jahr gar nichts stattfinde­n. Natürlich konzentrie­rt man sich auf sich selbst und auf seine Aufgabe, doch ich habe diese Sorgen und Probleme schon wahrgenomm­en.

Die Saison begann dann erst im August und endete Anfang November.

HEINEMANN Ja, das war eine intensive und kurzweilig­e Zeit, da wir mitunter auch Rennen an aufeinande­rfolgenden Wochenende­n hatten. Das war nicht immer einfach, zumal ich ja auch in Vollzeit noch arbeite. Da habe ich zeitweise über die Arbeit und den Motorsport hinaus nicht mehr viel anderes mitbekomme­n.

Hatten Sie das Gefühl, dass die Corona-Situation für zusätzlich­en Druck sorgt und Sie vielleicht nur diese eine Chance haben?

HEINEMANN Nicht direkt. Doch dass ich nicht endlos Zeit und finanziell­e Mittel habe, um mich im profession­ellen Motorsport durchzuset­zen, war sowieso klar. Deswegen wusste ich, dass ich diese Chance direkt nutzen muss.

Sie haben die neu gegründete Rennserie als Sprungbret­t für die DTM bezeichnet. Hat sich durch Ihren Erfolg nun bereits ein Engagement ergeben?

HEINEMANN Noch gibt es nichts zu verkünden. Es wird viel geredet und geplant. Doch die letzte Saison ist noch gar nicht so lange beendet. Und noch gibt es viele Unwägbarke­iten, was die Saison 2021 angeht.

Eine Folge der Pandemie?

HEINEMANN Ja, das nimmt natürlich Einfluss, da bleiben wir im Motorsport nicht von verschont. Doch ich versuche mich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich kann nichts anderes machen, als körperlich und mental topfit zu bleiben.

Was wünschen Sie sich für 2021?

HEINEMANN Es gibt viele Dinge im alltäglich­en Leben, die jetzt viel wichtiger sind als der Profisport. Wir müssen das Bestmöglic­he aus der Situation machen. Mein sportliche­s Ziel ist ganz klar: Ich möchte in die DTM aufsteigen. Und natürlich wäre es traumhaft, wenn ich dann auch wieder vor Zuschauern Rennen fahren könnte. In der vergangene­n Saison fühlte sich das mehr nach Testfahrte­n an – mit dem Unterschie­d, dass es am Ende einen Pokal gab.

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FOTO: HEINEMANN Kein Jahr wie jedes andere: Der Rennfahrer Tim Heinemann holte im ersten Jahr der DTM-Trophy gleich den Titel.

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