Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Das Jahr der Solidaritä­t

Abstand halten war die größte Prämisse, trotzdem sind die Menschen im Erkelenzer Land in den vergangene­n zwölf Monaten enger zusammenge­wachsen. Wir nennen exemplaris­ch Menschen und Vereine, die Gutes getan haben.

- VON ANKE BACKHAUS UND CHRISTOS PASVANTIS RP-ARCHIVFOTO: JÜRGEN LAASER

ERKELENZER LAND Es sind die letzten Tage eines Jahres, das das Leben der Menschen grundlegen­d auf den Kopf gestellt hat. Die Corona-Krise hat vieles verändert, andere Dinge wiederum gar unmöglich gemacht. Aber die Pandemie hat auch eines mit uns gemacht: 2020, das war vor allem im Erkelenzer Land das Jahr des Helfens und Zusammenha­ltens. Würde der Kreis Heinsberg ein eigenes Wort des Jahres küren, es wäre zweifelsoh­ne Solidaritä­t. Deswegen blicken wir exemplaris­ch auf einige Menschen und Organisati­onen zurück, die in den vergangene­n zwölf Monaten Gutes getan haben.

Gefragt war Solidaritä­t und Nachbarsch­aftshilfe vor allem im März und April, als der Lockdown und die Unsicherhe­it vor allem ältere und alleinsteh­ende Menschen traf. Viele Dorfgemein­schaften, etwa die in Klinkum, kümmerten sich um einander, organisier­ten Einkaufs- und Fahrdienst­e. „Wir hatten die Idee, uns gerade in dieser Zeit um die Menschen zu kümmern, die besonders betroffen sind. Wir haben doch genug Leute, also helfen wir selbst direkt vor der Haustür“, erklärte der Klinkumer Knut Müller. In Altenheime­n, wo Senioren teils monatelang völlig isoliert waren, spielten Musikverei­ne Balkonkonz­erte, Pflegerinn­en in Hilfarth dachten sich für ihre Senioren ein Balkon-Bingo aus.

Betroffen waren auch Kinder: Nicht nur aus schulische­r Sicht haben sie viel verpasst, besonders soziale Kontakte, die sie auch in Vereinen pflegen, sind das ganze Jahr über so gut wie gar nicht möglich gewesen. Vereine wie etwa die Erkelenzer Karnevalsg­esellschaf­t und zusätzlich auch die angeschlos­senen großen Garden haben sich die Mühe gemacht, den Kindern süße Nikolausun­d Weihnachts­grüße zu packen. „Die Kinder in den Arm nehmen oder auch nur mal die Hände zu schütteln war leider nicht möglich“, bedauerten dabei Ute Mackenstei­n und Heinz Baltes von der EKG. Auch die Wegberger Feuerwehr schnürte mit hohem Aufwand Präsente für die jungen Mitglieder.

Letztlich haben sie mit der Aktion wichtige Signale gesendet. Die Garde der Kückhovene­r Karnevalis­ten und das THW in Hückelhove­n organisier­ten Heimprogra­mme, um die Jugend fit zu halten.

Ein schwierige­s Jahr war es auch für alle Hilfsorgan­isationen, etwa Kinderkreb­shilfe oder Hospizdien­st, die auf Spendengel­der angewiesen sind. Ein Großteil dieser Spenden wird üblicherwe­ise bei großen Veranstalt­ungen, Turnieren und Benefiz-Galas eingesamme­lt – von denen gab es in diesem Jahr so gut wie keine. Dazu zählt auch der Martinsmar­kt in Matzerath, bei dem die Dorfgemein­schaft traditione­ll für ein Kinderhosp­iz sammelt. Der Markt fiel aus, über Internetau­frufe erreichten die Matzerathe­r dennoch tausende Menschen und sogar Bundesligi­sten wie Borussia Dortmund. Allein die Fußballer

vom SV Golkrath und SV Kuckum gaben 1400 Euro, am Ende kamen 11.111 Euro zusammen, Organisato­r Nicolai Moll hatte Gänsehaut: „Dass die Menschen in Zeiten von Corona, wo jeder gefühlt zuerst sich selbst schützen muss, so viel Herz zeigen und spenden, das hat uns total überwältig­t.“Tausende Euro kamen auch bei anderen Organisati­onen zusammen, etwa beim Verein „12 Zylinder“, der Dorfgemein­schaft Holzweiler oder der Ratheimer Gesamtschu­le.

Mindestens überwältig­t war auch Familie Herrmann aus Klinkum ob der Anteilnahm­e am Schicksal des kleinen Ben, der wegen einer seltenen Erkrankung ein 1,9 Millionen Euro teures Medikament brauchte. Aus einem zunächst verzweifel­ten Hilferuf entwickelt­e sich eine Welle der Solidaritä­t. Erst ganz Klinkum, dann der ganze Kreis und kurz darauf Menschen aus Deutschlan­d spendeten, halfen und teilten die Nachricht. Die Millionens­umme kam zusammen, obwohl letztlich doch die Versicheru­ng für die Behandlung zahlte. „Wir glauben, dass Ben sinnbildli­ch dafür steht, was wir alle in dieser Krisenzeit bewegt haben. Wir haben zusammen etwas tolles geschafft“, sagte Vater Chris Herrmann. Für ihn ist die Region in diesem Jahr zusammenge­rückt: „Plötzlich kommunizie­ren wieder Leute miteinande­r, die sich jahrelang nicht gesehen haben, alte Weggefährt­en und Freunde.“

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MIt Abstand: Eine Frau spielt im April mit den Bewohnerin­nen und Bewohnern des Altenheime­s St. Gereon in Hilfarth Balkonund Terrassen-Bingo.
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FOTO: HEC #hsbestrong: Der Slogan des Kreises wurde berühmt.

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