Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Das Jahr der Solidarität
Abstand halten war die größte Prämisse, trotzdem sind die Menschen im Erkelenzer Land in den vergangenen zwölf Monaten enger zusammengewachsen. Wir nennen exemplarisch Menschen und Vereine, die Gutes getan haben.
ERKELENZER LAND Es sind die letzten Tage eines Jahres, das das Leben der Menschen grundlegend auf den Kopf gestellt hat. Die Corona-Krise hat vieles verändert, andere Dinge wiederum gar unmöglich gemacht. Aber die Pandemie hat auch eines mit uns gemacht: 2020, das war vor allem im Erkelenzer Land das Jahr des Helfens und Zusammenhaltens. Würde der Kreis Heinsberg ein eigenes Wort des Jahres küren, es wäre zweifelsohne Solidarität. Deswegen blicken wir exemplarisch auf einige Menschen und Organisationen zurück, die in den vergangenen zwölf Monaten Gutes getan haben.
Gefragt war Solidarität und Nachbarschaftshilfe vor allem im März und April, als der Lockdown und die Unsicherheit vor allem ältere und alleinstehende Menschen traf. Viele Dorfgemeinschaften, etwa die in Klinkum, kümmerten sich um einander, organisierten Einkaufs- und Fahrdienste. „Wir hatten die Idee, uns gerade in dieser Zeit um die Menschen zu kümmern, die besonders betroffen sind. Wir haben doch genug Leute, also helfen wir selbst direkt vor der Haustür“, erklärte der Klinkumer Knut Müller. In Altenheimen, wo Senioren teils monatelang völlig isoliert waren, spielten Musikvereine Balkonkonzerte, Pflegerinnen in Hilfarth dachten sich für ihre Senioren ein Balkon-Bingo aus.
Betroffen waren auch Kinder: Nicht nur aus schulischer Sicht haben sie viel verpasst, besonders soziale Kontakte, die sie auch in Vereinen pflegen, sind das ganze Jahr über so gut wie gar nicht möglich gewesen. Vereine wie etwa die Erkelenzer Karnevalsgesellschaft und zusätzlich auch die angeschlossenen großen Garden haben sich die Mühe gemacht, den Kindern süße Nikolausund Weihnachtsgrüße zu packen. „Die Kinder in den Arm nehmen oder auch nur mal die Hände zu schütteln war leider nicht möglich“, bedauerten dabei Ute Mackenstein und Heinz Baltes von der EKG. Auch die Wegberger Feuerwehr schnürte mit hohem Aufwand Präsente für die jungen Mitglieder.
Letztlich haben sie mit der Aktion wichtige Signale gesendet. Die Garde der Kückhovener Karnevalisten und das THW in Hückelhoven organisierten Heimprogramme, um die Jugend fit zu halten.
Ein schwieriges Jahr war es auch für alle Hilfsorganisationen, etwa Kinderkrebshilfe oder Hospizdienst, die auf Spendengelder angewiesen sind. Ein Großteil dieser Spenden wird üblicherweise bei großen Veranstaltungen, Turnieren und Benefiz-Galas eingesammelt – von denen gab es in diesem Jahr so gut wie keine. Dazu zählt auch der Martinsmarkt in Matzerath, bei dem die Dorfgemeinschaft traditionell für ein Kinderhospiz sammelt. Der Markt fiel aus, über Internetaufrufe erreichten die Matzerather dennoch tausende Menschen und sogar Bundesligisten wie Borussia Dortmund. Allein die Fußballer
vom SV Golkrath und SV Kuckum gaben 1400 Euro, am Ende kamen 11.111 Euro zusammen, Organisator Nicolai Moll hatte Gänsehaut: „Dass die Menschen in Zeiten von Corona, wo jeder gefühlt zuerst sich selbst schützen muss, so viel Herz zeigen und spenden, das hat uns total überwältigt.“Tausende Euro kamen auch bei anderen Organisationen zusammen, etwa beim Verein „12 Zylinder“, der Dorfgemeinschaft Holzweiler oder der Ratheimer Gesamtschule.
Mindestens überwältigt war auch Familie Herrmann aus Klinkum ob der Anteilnahme am Schicksal des kleinen Ben, der wegen einer seltenen Erkrankung ein 1,9 Millionen Euro teures Medikament brauchte. Aus einem zunächst verzweifelten Hilferuf entwickelte sich eine Welle der Solidarität. Erst ganz Klinkum, dann der ganze Kreis und kurz darauf Menschen aus Deutschland spendeten, halfen und teilten die Nachricht. Die Millionensumme kam zusammen, obwohl letztlich doch die Versicherung für die Behandlung zahlte. „Wir glauben, dass Ben sinnbildlich dafür steht, was wir alle in dieser Krisenzeit bewegt haben. Wir haben zusammen etwas tolles geschafft“, sagte Vater Chris Herrmann. Für ihn ist die Region in diesem Jahr zusammengerückt: „Plötzlich kommunizieren wieder Leute miteinander, die sich jahrelang nicht gesehen haben, alte Weggefährten und Freunde.“