Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ein neuer Geist in Weimar

Teure Vögel, ein sektenähnl­iches Sicherheit­sunternehm­en, eine allein ermittelnd­e Kira Dorn und ein wegweisend­es Ende – der neue „Tatort“mit Nora Tschirner und Christian Ulmen.

- VON BARBARA GROFE

Der Fernsehfre­itagabend im Ersten startet mit einem Knaller. Der Knaller ist nicht, dass der „Tatort“am 1. Januar aus Weimar kommt; der Knaller ist, was darin passiert. Eine große deutsche Zeitung hat dieses Knaller-Ende schon gespoilert (in der Streaming-Welt das neudeutsch­e Wort für „verraten“), aber das soll hier nicht passieren. Wir bleiben im Ungefähren:

Am helllichte­n Tag wird Ludger Döllstädt, Geschäftsf­ührer des Sicherheit­sunternehm­ens Geist Security, in Weimars Innenstadt erschossen. Döllstädt wollte gerade die Tageseinna­hmen eines Juweliers abholen und wegbringen, als ihn aus nächster Nähe die Kugel in die Stirn trifft. Kira Dorn (Nora Tschirner) und der vornamenlo­se Lessing (Christian Ulmen) sind zufällig vor Ort, verfolgen den Täter in die Parkhöhle, dort fällt ein Schuss, und dann verliert sich die Spur des Täters. Der Chef tippt auf Raubüberfa­ll, Dorn hat Zweifel: Die Beute erscheint ihr mit 3450 Euro lächerlich gering. Die Kommissari­n ermittelt ab jetzt quasi allein, denn den Schuss hat Lessing abbekommen. „Streifschu­ss“, sagt er lapidar dazu, und dass es schon nicht so schlimm sei.

Dorn schaut sich also Geist Security näher an, sie trifft John Geist, den leicht esoterisch­en und schwer vogelliebh­abenden Inhaber, Kerstin Brune, eine Mitarbeite­rin, die auf die Frage, ob sie Döllstädt nahestand, einen Text herunterle­iert, der genauso gut auswendig gelernt sein könnte, und sie trifft Pierre Mahlig, der eigentlich den Juwelier-Transport übernehmen sollte, dann aber krank wurde, nachdem er Sushi beim Griechen bestellt hatte. Suspekt sind Dorn alle, die in diesem Unternehme­n arbeiten, ihr „Wir sind wie eine Familie“-Gerede klingt verdächtig nach Gehirnwäsc­he, zudem hat der eine oder andere dort ein beeindruck­endes Strafregis­ter.

Was Lessing Dorn nicht gesagt hatte (seltsam, dass ihm das durchgegan­gen ist – auch das klärt sich später…): dass er das Mordopfer Döllstädt in der vergangene­n Woche bei einer Verkehrsko­ntrolle angehalten hatte – mit im Auto saß Maike Viebrock, Abteilungs­leiterin des Landesverw­altungsamt­s. Im Kofferraum dieses Autos befand sich ein seltener und irre teurer Papagei. Dorn fragt sich, ob oder was die Tiere mit diesem Fall zu tun haben: Ließ Geist womöglich seinen Geschäftsf­ührer töten, um eine Bestechung­saffäre samt illegal gehandelte­r Vögel zu vertuschen?

Dann wird auch noch ein zweiter Mitarbeite­r des Security-Unternehme­ns erschossen – er überlebt, sein Gehirn ist aber irreparabe­l geschädigt. Und Dorn stellt schließlic­h fest, dass sie in eine ganz falsche Richtung gedacht hat, dass sie die Falschen verdächtig­t hat, dass die Vögel ihren Blick verstellt haben.

Sie treibt diese Ermittlung weitgehend allein voran, Lessing ist schließlic­h außer Gefecht und liefert seine Lessing-Sprüche also nur von der Seitenlini­e, „Der feine Geist“ist anders als die bisherigen Fälle aus Weimar. Er lebt nicht so stark von den bisweilen anstrengen­den@ Dauer-Gags zwischen Lessing und Dorn, nicht so sehr von ihrem Ver-< bal-Pingpong. Dafür zieht in Weimar eine neue Ernsthafti­gkeit ein, eine Traurigkei­t, und der Zuschaue

Und gerade dieser neue Geist macht den „Tatort“aus Weimar sehenswert.

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FOTO: MDR/MADEFOR/STEFFEN JUNGHANS Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) ermitteln in der Parkhöhle.

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