Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ein neuer Geist in Weimar
Teure Vögel, ein sektenähnliches Sicherheitsunternehmen, eine allein ermittelnde Kira Dorn und ein wegweisendes Ende – der neue „Tatort“mit Nora Tschirner und Christian Ulmen.
Der Fernsehfreitagabend im Ersten startet mit einem Knaller. Der Knaller ist nicht, dass der „Tatort“am 1. Januar aus Weimar kommt; der Knaller ist, was darin passiert. Eine große deutsche Zeitung hat dieses Knaller-Ende schon gespoilert (in der Streaming-Welt das neudeutsche Wort für „verraten“), aber das soll hier nicht passieren. Wir bleiben im Ungefähren:
Am helllichten Tag wird Ludger Döllstädt, Geschäftsführer des Sicherheitsunternehmens Geist Security, in Weimars Innenstadt erschossen. Döllstädt wollte gerade die Tageseinnahmen eines Juweliers abholen und wegbringen, als ihn aus nächster Nähe die Kugel in die Stirn trifft. Kira Dorn (Nora Tschirner) und der vornamenlose Lessing (Christian Ulmen) sind zufällig vor Ort, verfolgen den Täter in die Parkhöhle, dort fällt ein Schuss, und dann verliert sich die Spur des Täters. Der Chef tippt auf Raubüberfall, Dorn hat Zweifel: Die Beute erscheint ihr mit 3450 Euro lächerlich gering. Die Kommissarin ermittelt ab jetzt quasi allein, denn den Schuss hat Lessing abbekommen. „Streifschuss“, sagt er lapidar dazu, und dass es schon nicht so schlimm sei.
Dorn schaut sich also Geist Security näher an, sie trifft John Geist, den leicht esoterischen und schwer vogelliebhabenden Inhaber, Kerstin Brune, eine Mitarbeiterin, die auf die Frage, ob sie Döllstädt nahestand, einen Text herunterleiert, der genauso gut auswendig gelernt sein könnte, und sie trifft Pierre Mahlig, der eigentlich den Juwelier-Transport übernehmen sollte, dann aber krank wurde, nachdem er Sushi beim Griechen bestellt hatte. Suspekt sind Dorn alle, die in diesem Unternehmen arbeiten, ihr „Wir sind wie eine Familie“-Gerede klingt verdächtig nach Gehirnwäsche, zudem hat der eine oder andere dort ein beeindruckendes Strafregister.
Was Lessing Dorn nicht gesagt hatte (seltsam, dass ihm das durchgegangen ist – auch das klärt sich später…): dass er das Mordopfer Döllstädt in der vergangenen Woche bei einer Verkehrskontrolle angehalten hatte – mit im Auto saß Maike Viebrock, Abteilungsleiterin des Landesverwaltungsamts. Im Kofferraum dieses Autos befand sich ein seltener und irre teurer Papagei. Dorn fragt sich, ob oder was die Tiere mit diesem Fall zu tun haben: Ließ Geist womöglich seinen Geschäftsführer töten, um eine Bestechungsaffäre samt illegal gehandelter Vögel zu vertuschen?
Dann wird auch noch ein zweiter Mitarbeiter des Security-Unternehmens erschossen – er überlebt, sein Gehirn ist aber irreparabel geschädigt. Und Dorn stellt schließlich fest, dass sie in eine ganz falsche Richtung gedacht hat, dass sie die Falschen verdächtigt hat, dass die Vögel ihren Blick verstellt haben.
Sie treibt diese Ermittlung weitgehend allein voran, Lessing ist schließlich außer Gefecht und liefert seine Lessing-Sprüche also nur von der Seitenlinie, „Der feine Geist“ist anders als die bisherigen Fälle aus Weimar. Er lebt nicht so stark von den bisweilen anstrengenden@ Dauer-Gags zwischen Lessing und Dorn, nicht so sehr von ihrem Ver-< bal-Pingpong. Dafür zieht in Weimar eine neue Ernsthaftigkeit ein, eine Traurigkeit, und der Zuschaue Und gerade dieser neue Geist macht den „Tatort“aus Weimar sehenswert.