Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
GASTRO WILL WIEDER ZEIGEN, WAS SIE KANN
»Wir wollen möglichst schnell wieder unser eigenes Geld verdienen können
Drei Gastronomen und Veranstalter berichten, wie sie durch das sehr schwierige Jahr 2020 gekommen sind – und auch, was sie sich von der Politik für das nächste Jahr erhoffen. Eines ist allen gemeinsam: Unterkriegen lassen sie sich nicht. Daher haben sie auch neue Konzepte entwickelt.
Bei einem Punkt lässt Franco Giannetti nicht mit sich reden: „Qualität ist das Wichtigste, da mache ich keine Kompromisse“, lautet das Credo des Groß-Gastronoms aus Essen, dem sieben Restaurants in Essen und eines in Gelsenkirchen-Buer gehören (www.the-g-group.de) – das neunte kommt 2021 mit dem Kesselhaus in Mülheim dazu. Der seit November geltende zweite Lockdown trifft auch ihn hart – so wie die gesamte Branche. „Auch ich kenne daher das Gefühl von Verzweiflung“, sagt der 49-Jährige, der über 200 Mitarbeiter in Festanstellung beschäftigt. „Einen Großteil davon musste ich zwangsläufig jetzt wieder in Kurzarbeit schicken.“Zumal er nur in zwei seiner Betriebe den Außer-Haus-Verkauf anbietet. „Für alle ist das einfach nicht praktikabel“, erläutert er.
Stattdessen hat er in Zusammenarbeit mit dem Rheinische Post Forum und der Walser Privatbank eine andere Möglichkeit kreiert. „Le Box“heißt dieses Projekt. Vier erlesene Menüs aus der Spitzenküche konnten ab dem 27. November online bestellt werden, persönlich gekocht von Giannetti und zwei weiteren Chefköchen. Mittels eines QR-Codes konnte man bei der Zubereitung online sogar zuschauen. Die Speisen wurden dann vakuumverpackt und in einer Box ausgeliefert – daher der Name. Die Nachfrage nach dem Drei-Gang-Adventsmenü, dem Gänsemenü und der „La Famiglia – Cucina alla Mamma“war riesig. „Alle drei waren rasch ausverkauft“, sagt Giannetti. Und auch das vierte, das Silvestermenü, erfreute sich bei Redaktionsschluss dieser Beilage schon großer Nachfrage.
Was natürlich über die grundsätzlich sehr schwierige Lage nicht hinwegtäuschen kann. „Allein mit Veranstaltungen wie Hochzeiten und Firmenevents machen wir ansonsten einen Jahresumsatz von etwa 2,5 Millionen Euro. Die sind in diesem Jahr größtenteils weggefallen“, erläutert Giannetti. Nach dem ersten und bis zum zweiten Lockdown sei das Tagesgeschäft in seinen Restaurants aber wieder zufriedenstellend gelaufen: „Gottseidank sind die Leute da wieder gekommen, haben wir vernünftige Umsätze erzielt.“
Natürlich hofft auch Giannetti, dass der zweite Lockdown möglichst schnell vorbei sein wird. „Vor Ostern rechne ich damit aber nicht. Und die gewohnten Umsätze dürften wir frühestens wieder ab Juni/Juli machen. Von der Politik erwarte ich dabei einfach, dass gemachte Zusagen eingehalten werden.“
Dabei denkt er nicht zuletzt an eine kurz vor Weihnachten vom Bundestag beschlossene Regelung zu Gewerbemieten bei coronabedingten Schließungen von Läden, Restaurants, Cafés und Hotels. In dieser Regelung – keine Gesetzesänderung – sind die Rechte von Gewerbemietern gestärkt worden, sollen sich Vermieter und Mieter bei Unstimmigkeiten künftig leichter einigen können. „Bislang gab es da von Seiten der Vermieter wenig Entgegenkommen“, sagt Giannetti, übrigens ein echtes Kind des Ruhrgebiets.
1971 kam er als Sohn italienischer Einwanderer zur Welt, wuchs in Duisburg-Hochfeld auf – und wirbelte schon als kleiner Junge im elterlichen Betrieb „Bei Giorgio“herum. „Mein Vater hat den Service gemacht, und meine Mutter hat gekocht – und zwar immer so, als würde die Familie vorbeikommen“, erinnert er sich. Das habe ihn geprägt – bis heute. Bereits mit 21 Jahren machte er sich dann selbstständig – der Beginn einer sehr erfolgreichen Karriere, die bis heute anhält.
Arif Köse ist Geschäftsführer der im Herzen des Düsseldorfer Medienhafens gelegenen Rudas Studios – ein früheres Film- und Tonstudio, das nun eine hochmoderne Eventlocation für Partys und Festlichkeiten jeglicher Art ist und in dem Messen, Produktpräsentationen, Ausstellungen und Schulungen stattfinden. Als der erste harte Lockdown verhängt wurde, dachte Köse erst mal ganz praktisch: „Wir konnten Feinheiten umsetzen, die in der Alltagshektik verloren gehen.“Konkret hieß das vor allem: „Wir haben erst mal renoviert und vieles ausgebessert.“
Im Unterschied zur klassischen Gastronomie konnte Köse aber auch nach dem ersten Lockdown nicht mehr den gewohnten Betrieb aufnehmen – Großveranstaltungen sind ja bis heute untersagt. „Wir hatten zwar zunächst gehofft, aber nach zwei, drei Monaten war klar: Veranstaltungen, wie wir sie kennen, wird es 2020 nicht mehr geben. Also haben wir umgedacht und uns den Gegebenheiten angepasst. Events, Entertainment, Partys – all das, was wir machen und können, durften wir ja nicht mehr“, sagt Köse. „Generell war 2020 für uns daher ein Jahr des Stillstands und des Umdenkens.“
Zu letzterem zählte ein neues Gastro-Konzept, das im Sommer entwickelt wurde: Dinner mit Entertainment. „Varieté und Akrobatik, verbunden mit einem Vier-Gänge-Menü“, erläutert Köse. „Im Herbst wollten wir damit so richtig durchstarten.“Doch dann kam auch schon der zweite Lockdown. „Daraufhin mussten wir also wieder umdenken“, sagt Köse.
Seitdem bietet er sogenannte Hybridveranstaltungen an – also Veranstaltungen, die eine Mischung aus Live-Event und virtuellen Elementen sind. „Auf der Bühne findet zum Beispiel eine Talkrunde mit einem Moderator und zwei, drei Gästen statt, und das wird dann im Netz per Streaming live übertragen.“Die Nachfrage sei direkt sehr groß gewesen. „Da nirgendwo mehr große Konferenzen stattfinden können, wählen auch viele Firmen nun diese Form. Mit unseren Studios haben wir dafür die besten technischen Voraussetzungen“, erläutert Köse. Zugleich bekräftigt er: „Für die Rudas Studios heißt es 2021: Volle Kraft voraus!“
„Wir sind keine Garage, die man einfach auf- und zumachen kann“: Dieser Satz fällt einige Male, wenn man mit Kerstin Rapp-Schwan über das zu Ende gehende Jahr spricht. Genau diese Erfahrung musste die Gründerin und Geschäftsführerin der vier Schwan-Restaurants (und einmal das Beethoven in Flingern) in Düsseldorf und Neuss 2020 aber machen – angefangen mit dem ersten Lockdown vom 23. März bis 11. Mai. „Als wir plötzlich komplett schließen mussten, befanden wir uns schon zunächst in einer Art Schockstarre. So richtig glauben wollte das zunächst keiner“, erzählt die Inhaberin, die im 20. Jahr selbstständig ist. „Da war die Verzweiflung groß – gerade auch wegen der Sorge um unsere Mitarbeiter, die wir in Kurzarbeit schicken mussten. Nur 60 Prozent vom Monatsgehalt, dazu eben logischer Weise auch kein Trinkgeld mehr: Auch die Mitarbeiter hat es sehr hart erwischt“, sagt Rapp-Schwan. Sie selbst und einige Mitarbeiter seien dann erst mal zwei Wochen damit beschäftigt gewesen, sich in neue Thematiken wie Kurzarbeit einzuarbeiten und die entsprechenden Schritte einzuleiten.
„Dazu liefen die Mieten weiter, auch wenn wir keine Einnahmen mehr hatten. Stundungen halfen da auch nicht wirklich weiter. Denn das sind ja nur aufgeschobene Zahlungen“, bekräftigt Rapp-Schwan – und bekennt: „In der ersten Zeit habe ich aus Verzweiflung viel geweint.“
Und denkbar knapp sei dann auch die Vorbereitungszeit für den Re-Start gewesen: „Da hatten wir gerade einmal 48 Stunden Zeit, das geforderte Hygienekonzept zu erstellen.“Von den Nöten in der Gastronomie hatte sich unmittelbar davor auch ein prominenter Gast bei ihr erkundigt: NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart war in ihrem Restaurant am Düsseldorfer Burgplatz zu Gast. Statt der geplanten 30 Minuten blieb er 70 Minuten.
Und dann kam der zweite Lockdown. „Den haben wir dank der Erfahrungen vom ersten zwar viel routinierter angehen können, doch auch da waren wir völlig auf uns alleine gestellt. Was mich dabei sehr ärgert: Über den Sommer hinweg hat sich die Politik nicht mit den Folgen eines zweiten Lockdowns für die Gastronomie auseinandergesetzt, da gab es keine definierten Hilfen, keine Strategie und kein Konzept“, sagt Rapp-Schwan – und betont noch einmal mit Nachdruck, dass man eben keine Garage sei. Dabei wolle sie überhaupt nicht am staatlichen Tropf hängen: „Mein größter Wunsch ist, dass wir möglichst schnell wieder unser eigenes Geld verdienen können.“