Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„HOMEOFFICE IST GESETZT“
»Unternehmen müssen sich als attraktive Arbeitgeber vorstellen
Trotz Corona: Unternehmen müssen sich jetzt und künftig noch mehr als attraktive Arbeitgeber präsentieren, um die Talente der Zukunft für sich zu gewinnen. Was dies bedeutet und wie sich Unternehmen darauf einstellen können, erklärt Dieter Castenow, Geschäftsführender Gesellschafter der Düsseldorfer Agentur Castenow GmbH, im Interview. Agenturen gibt es viele. Was zeichnet Ihre aus? Wie unterscheiden Sie sich von anderen am Markt?
Dieter Castenow Die Castenow GmbH ist eine Kommunikationsagentur mit dem Schwerpunkt ‚Markenführung‘. Im Zentrum der Arbeit steht das Thema ‚Employer Branding‘, also das Profilieren eines Unternehmens zur – positiv besetzten – Arbeitgebermarke.
Das ist also ein anderer Fokus als bei der klassischen Werbung. Wieso konzentrieren Sie sich darauf?
Castenow Gab es früher die beiden Schwerpunkte Produkt- und Imagewerbung – bei der es im Kern um die imposante Darstellung einer Firma ging – so ist letztere heute weitgehend von der Darstellung des Unternehmens als Arbeitgeber abgelöst worden. Potenzielle Bewerber interessieren sich heute nicht nur für die betriebswirtschaftlichen Kennziffern, sondern vielmehr für die Fragen und Antworten, ‚wofür‘ ein Unternehmen steht. Vor allem Themen wie Nachhaltigkeit, CO2-Bilanz, Work Balance stehen im Focus des Bewerbers.
Ist das denn aktuell, mitten in der Pandemie, auch ein Thema? Viele Firmen bauen ja Stellen ab.
Castenow Einen Stellenabbau hatten wir auch zunächst erwartet, aber: Die Unternehmen haben sich stattdessen darauf fokussiert, aus der Krise gestärkt herauszukommen. Dafür braucht man weiterhin qualifizierte Mitarbeiter. Insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern ist das der Fall, gerade hier haben wir auch neue Kunden gewonnen.
Also gilt künftig wie vor der Krise: Der Arbeitsmarkt ist ein Arbeitnehmermarkt. Worauf müssen sich Unternehmen da einstellen?
Castenow Sie müssen sich als attraktive Arbeitgeber vorstellen, etwa beim Bewerbungsgespräch. Gerade die Frage ‚Was kann ein Arbeitgeber mir bieten?‘ ist hier ein zentrales Thema. Ein Beispiel: Stellte ein Bewerber früher überwiegend seine Qualifikation vor, läuft ein erstes Meeting heute – ein wenig überspitzt – eher so: Bewerber: ‚Ob das mit dem Eintrittstermin bei Ihnen zum 1. Januar passt, muss ich davon abhängig machen, ob ich bis dahin meine Ausbildung zum Yogalehrer (oder Skilehrer, Fitnesstrainer) absolviert habe. Aber könnte klappen. Ich bin dann auf jeden Fall bis Mai durchgängig verfügbar. Dann ist allerdings schon länger ein Sabbatical bis September vorgesehen … Ach so, ja: Firmenwagen brauche ich nicht, das van MoofE-Bike reicht mir. Plus BahnCard 50.‘ So oder ähnlich verlaufen oftmals Gespräche mit der Generation Y, den High Potentials, geboren zwischen 1980 und 1995. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen, vor allem in der kommenden Post-Corona-Zeit. Und: Homeoffice ist gesetzt, Ausstattung technisch High End, mit einer Mini-Chill-Lounge von ‚Vetsak‘ und ‚Delivery Hero‘ for free.
Für Arbeitgeber bedeutet das ja ein komplettes Umdenken. Sind die denn so weit?
Castenow Unternehmen sollten sich darauf einstellen, aber, ja, manche haben diesen Schritt schon getan. Woran erkennt man das? Ein Blick in die Kaffeeküche genügt: Dort findet man neben der klassischen Voll- und Magermilch für den Morgenkaffee auch Soja-,Heu- und Mandelmilch! Ups … ja klar, auch Hafermilch darf nicht fehlen!
Und was erwartet die Arbeitgeberseite vom Bewerber?
Castenow Durch die stark veränderte Situation 2020 zunehmend ein unternehmerisches Mitdenken, um auch den gestiegenen Anforderungen des Marktes hinsichtlich Flexibilität von Produkten und Dienstleistungen, Preissensibilitäten und Logistik zu entsprechen. Vor allem ein Commitment, den Sinn, den Zweck des aktuell häufig beschworenen ‚Purpose‘ mitzutragen, den ‚Spirit‘ aufzunehmen und auch über den Arbeitstag hinauszutragen, in Familie, Freundeskreis und soziales Umfeld.
Gesetzt den Fall, Unternehmen finden solche anspruchsvollen, aber auch flexiblen Mitarbeiter. Was haben sie davon?
Castenow Mit Mitarbeitern, die eine solche Einstellung mitbringen, unterscheiden sie sich vom Wettbewerb. Das Unternehmensprofil bietet dann mehr als die kommunikativ höchst beliebte Formel ‚Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt‘, die man auf 80 Prozent aller Firmenwebsites findet. Nützt nur nichts, wenn dem Kunden vom Unternehmen der Rücken zugewendet wird. Dann hat der Kunde nämlich nichts davon. Wer schon mal ein Auto gemietet hat, kann unterscheiden, ob man als Kunde abgefertigt wurde oder man eine von motivierten Mitarbeitern initiierte ‚upgrade‘- Dienstleistung erhalten hat.
Gehen wir noch ein Stück weiter. Was gehört noch zu einer umfassenden Unternehmenskommunikation – auf die Bewerber ja achten?
Castenow Kommunikation ist nicht nur nach innen gerichtet, sondern künftig noch stärker durch gesellschaftsrelevante Themen von außen bestimmt. Mehr als vor der Pandemie muss jedes Unternehmen die Abstrahlung der großen Trends wie Nachhaltigkeit, Gesundheit, Sicherheit, Mobilität, Digitalisierung und dabei insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) in ihrer Auswirkung für das eigene Unternehmen gewichten und sondieren.
Nennen Sie ein Beispiel.
Castenow Mitarbeiter und auch Kunden erwarten eine Haltung des Unternehmens vor allem bei der Klimafrage: Für wann wird die CO2- Neutralität der Company angestrebt? Bosch ist hier Vorreiter. Jeder muss sich mit der Antwort glaubwürdig beschäftigen. Besondere Aufmerksamkeit verdient noch die KI-Frage, da sie nicht nur eine ethische Komponente hat, sondern sich auch hart auf die künftige Situation am Arbeitsplatz auswirken wird, Stichwort: E-Mobilität und selbstfahrende Pkw.
Nicht nur die Themen werden umfassender. Die Menschen kommunizieren heute auch auf unterschiedliche Weise. Was beobachten Sie hier?
Castenow Es ist in der Tat wichtig, auf welchen Plattformen und Kanälen ein Unternehmen kommuniziert. Neben die etablierten und abnehmend wirksamen Medien TV und Print treten die digitalen Kanäle Instagram, Facebook, Youtube und zunehmend TikTok, wenn es um sehr junge Konsumenten und User geht. Und Aktionen: Wer für jeden Kaffeebecher ‚to go‘, der über die Theke geht, in Malawi, wo der Kaffee geerntet wird, einen Baum pflanzt, der hat verstanden: ‚One cup, one tree‘ heißt die Erfolgsformel. Das ist dann eine angewandte Zeitenwende. Und so haben Unternehmen auch künftig gute Chancen, Mitarbeiter für ihre Geschäftsmodelle der Zukunft zu finden. Denn dafür braucht man sie künftig – die innovativen, zukunftsorientierten Mitarbeiter.