Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
MITEINANDER REDEN FÖRDERT VERSTÄNDNIS
»Wir haben inzwischen gelernt, dass sich eine globale Krise durchaus mit regionalen und lokalen Maßnahmen bekämpfen lässt
Die rheinischen Sparkassen spielen eine führende Rolle bei der Auszahlung der Coronahilfen in der Region. Die unter dem harten Lockdown leidenden Branchen zu unterstützen, ist für RSGV-Präsident Michael Breuer eine moralische Pflicht und ein Akt der Solidarität.
Alte Weisheiten gelten nach wie vor – das ist dem Präsidenten des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands (RSGV ) in der Coronakrise noch klarer geworden. „Miteinander reden fördert Verständnis“, ist eine dieser Weisheiten, die Michael Breuer meint. Seit Beginn der Pandemie sitzt er für den RSGV in einer virtuellen Runde, in der die Landesregierung regelmäßig die Spitzen der wichtigsten Verbände informiert. Neben ihm sitzen Vertreter vieler anderer Wirtschaftsverbände. Alle geben sie offenes Feedback an die Politik über die Auswirkungen der Entscheidungen auf ihre Branchen. Gastronomen, Hotellerie und Tourismus leiden, aber auch Messebauer und der Schaustellerverband machen in diesen Gesprächen deutlich, welch existenzielle Auswirkungen die Entscheidungen über strengen oder Soft-Lockdown bringen. „Ich habe dadurch ein größeres Verständnis, welch schwierige Abwägungsprozesse die Politik vor den oftmals harten Entscheidungen treffen muss“, sagt Breuer. Weil „einige für uns alle“mehr leiden, plädiert Breuer für weitere Solidarität: „Heute in einem Jahr werden wir viele Menschen und Unternehmen sehen, die etwas unwiederbringlich verloren haben – um die müssen wir uns kümmern.“Hier gehe es nicht nur um den Sozialstaat, der die Schwachen unterstützt, sondern um den Ausgleich größerer Opfer für die Gesellschaft. „Das müssen wir honorieren und so gut es geht reparieren.“Denn wer sein Geschäft zwangsweise schließen musste, der habe keine Chance gehabt, mit unternehmerischen Entscheidungen das Ruder möglicherweise doch herumzureißen.
„Alle Altersgruppen belastet die aktuelle Situation. Aber die Jungen und die Alten leiden besonders“, erfährt der zweifache Vater hautnah in seiner Familie. Von der Freiheit und Ungezwungenheit des studentischen Lebens ist bei seinen Kindern nichts zu spüren. Der Sohn verbringt sein Erasmus-Semester im französischen Lyon – allerdings virtuell vom rheinischen Zuhause aus. Abnabeln kommt halt später. „Die junge Generation hat aber die Pandemie-Einschränkungen inzwischen überraschend gut weggesteckt und akzeptiert und blickt trotz allem optimistisch in die Zukunft“, weiß er.
Mit „einem gerüttelt Maß an Optimismus“blickt auch Breuer ins Jahr 2021. Das vergangene Jahr sei hart gewesen, da könne das kommende doch eigentlich nur besser werden. Wirkt die Impfkampagne, dann wird sich ab dem Sommer die Situation normalisieren, ist er überzeugt. „Dann erhoffe ich einen starken wirtschaftlichen Aufschwung, denn die Menschen wollen vieles nachholen.“Persönlich freue er sich am meisten auf eine Rückkehr der Unbeschwertheit.
Beruflich freut sich Breuer, dass die rheinischen Sparkassen derzeit gut dastehen und vor allem ihr Versprechen wahrgemacht haben: „Sparkassen stehen an der Seite ihrer Kunden.“Diese besinnen sich gerade in schlechten Zeiten auf die heimischen Sparkassen, die damit ihre Existenzberechtigung bewiesen haben. Sie seien vor Ort auch in Krisenzeiten erreichbar. „Wir haben inzwischen gelernt, dass sich eine globale Krise durchaus mit regionalen und lokalen Maßnahmen bekämpfen lässt“, so Breuer. Gleiches gelte auch für Lieferketten: Als Lieferanten aus Fernost monatelang blockiert waren, sprangen heimische Produzenten ein. „Der Wert von regionaler Nähe hat zugenommen“, ist der Sparkassen-Verbandschef überzeugt.
Anders als möglicherweise bei hippen Direktbanken könne sich der Ansprechpartner einer Sparkasse auch nicht wegducken. Fintechs und Neobanken mögen zwar auf den ersten Blick cooler wirken. Aber ausgerechnet in Sachen Digitalisierung hat die Sparkassengruppe im Corona-Jahr an Boden gutgemacht. Beim Mobile Payment nimmt sie sogar eine Führungsrolle ein. Als erste Institutsgruppe ermöglichte sie seit dem Sommer ihren Kundinnen und Kunden das Bezahlen mit Apple Pay via mobiler Girokarte. Auch insgesamt ist das kontaktlose Bezahlen weiter auf dem Vormarsch. Inzwischen wird die deutliche Mehrzahl der Zahlungen mit der Sparkassen-Girocard in Deutschland kontaktlos durchgeführt. „Die das Bargeld liebenden Deutschen haben sich mittlerweile sehr ans kontaktlose mobile Bezahlen gewöhnt und werden sich das auch nicht wieder abgewöhnen“, mutmaßt Breuer.
Doch die Finanzinstitute teilen das Schicksal ihrer Kunden. „Wir haben bewiesen, dass die Sparkassen in schwierigen Zeiten an der Seite ihrer Kunden stehen und diese begleiten“, sagt Breuer. Rund die Hälfte der Coronahilfen in der Region liefen über die Sparkassen. Das Kreditvolumen in den Sparkassenbilanzen sei enorm gewachsen. Noch deutlicher stiegen allerdings die Einlagen an. „In unsicheren Zeiten legen Menschen mehr Geld zurück, um für schlechte Zeiten vorzusorgen“, ist tradiertes Banker-Wissen. Wenn allerdings demnächst die Insolvenzantragspflicht wieder gilt, dann werden auch Sparkassenkunden darunter sein. „Das wird sich dann in den Bankbilanzen niederschlagen“, prognostiziert Breuer. Aufgrund des im Vergleich zur Finanzkrise deutlich gestärkten Eigenkapitals seien die Sparkassen aber nicht nur im Rheinland für solche eine Situation gut gewappnet.
Einige der durch Corona angestoßenen Veränderungen werden laut Breuer dauerhaft bleiben: Arbeiten von zu Hause aus gehört ebenso dazu wie Videokonferenzen statt Dienstreisen – und eben das Bezahlen mit dem Smartphone. Eine weitere bislang oft eher dahingesagte Floskel hat nicht nur für Breuer durch die Pandemie einen enormen Bedeutungszuwachs erhalten: „Hauptsache, man ist gesund!“