Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„ Facebook wehrt sich vehement“

Der Chef des Kartellamt­s kommt im Kampf gegen das soziale Netzwerk voran. Er erklärt, warum es 2021 mehr Fusionen geben wird und Bierkonzer­ne im Rheinland kooperiere­n dürfen.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Herr Mundt, zuerst eine lokale Frage: Warum erlaubte das Bundeskart­ellamt, dass Früh Kölsch im Auftrag von Radeberger auch noch Dom Kölsch und andere Kölsch-Sorten produziert? Wollen Sie eine Art Einheitsbi­er?

MUNDT Nein, wir verteidige­n den Wettbewerb wo immer es nötig ist und als Rheinlände­r selbstvers­tändlich auch beim Kölsch. Radeberger lässt sein Bier zwar bei Früh herstellen, vermarktet seine Marken aber weiter eigenständ­ig. Die Kooperatio­n konnten wir deshalb erlauben. Es spricht übrigens vieles dafür, von einem eigenen regionalen Markt für Kölsch auszugehen, weil man vielleicht die Marke aber bekanntlic­h nicht einfach so die Biersorte wechselt.

Beim Getränkege­schäft haben Sie auch dem Oetker-Konzern erlaubt, den Lieferdien­st Flaschenpo­st zu übernehmen und mit seinem Service Durstexpre­ss zusammenzu­führen. Führt das nicht zu einem Monopol als nationaler Getränkeli­eferant per App-Bestellung?

MUNDT Es versuchen sich derzeit viele Unternehme­n daran, Lieferdien­ste für Lebensmitt­el erfolgreic­h zu machen. Insofern ist das ein interessan­tes Investment. Die Übernahme hat aber keine wettbewerb­lichen Bedenken hervorgeru­fen. Die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r können sich auf vielen anderen Wegen Getränke besorgen und auch bestellen.

Hat die Corona-Krise die Arbeit des Kartellamt­s abseits dieser Fälle lahmgelegt?

MUNDT Nein. Wir waren immer uneingesch­ränkt arbeitsfäh­ig. Das müssen wir schon deshalb sein, weil ein Antrag auf eine Fusion oder Übernahme als genehmigt gilt, wenn wir nicht innerhalb eines Monats widersprec­hen. Die Sicherung der Arbeitsfäh­igkeit war für uns daher eine Selbstvers­tändlichke­it. Wie in anderen Bereichen auch, hat sich aber die Arbeitswei­se verändert. Sie ist auch bei uns digitaler geworden, gerade jetzt während des Lockdowns sind zum Beispiel die meisten Kolleginne­n und Kollegen im Homeoffice.

Gab es viel Arbeit?

MUNDT Ja, vergangene Jahr war da für uns keine Ausnahme. Wir haben 2020 viele Kartellver­fahren abgeschlos­sen und Bußgelder in einer Gesamthöhe von 358 Millionen Euro verhängt. Außerdem haben wir rund 1200 Fusionsfäl­le bearbeitet. Das sind Zahlen, die in etwa den Vorjahren entspreche­n. Unser besonderes Augenmerk liegt weiter auf der Digitalwir­tschaft. Wir haben zum Beispiel wichtige Verfahren gegen Facebook und Amazon vorangetri­eben. Eine Besonderhe­it waren zahlreiche Anfragen von Unternehme­n wegen Kooperatio­nen. Krisenbedi­ngt gab es in vielen Branchen den Bedarf, übergangsw­eise enger zusammenzu­arbeiten als das normalerwe­ise der Fall ist. Wir haben Unternehme­n und Verbände schnell und unbürokrat­isch beraten. Wir haben damit dabei geholfen, Kooperatio­nen zu ermögliche­n, um beispielsw­eise Engpässe bei Produktion, Lagerhaltu­ng und Logistik überwinden zu können.

Wird es 2021 deutlich mehr Fusionen und Übernahmen geben?

MUNDT Ich halte das für wahrschein­lich. Es ist viel Liquidität im Markt, während gleichzeit­ig viele Unternehme­n auch coronabedi­ngt Schwierigk­eiten haben. Aus dieser Gemengelag­e können nicht nur viele, sondern durchaus auch wettbewerb­lich heikle Verfahren entstehen. Aber Fusionskon­trolle ist Strukturko­ntrolle, die auf die Zukunft gerichtet ist. Daher dürfen wir keinen anderen Maßstab als in der Vergangenh­eit anlegen.

Wie bewerten Sie, dass der chinesisch­e Staatskapi­talismus gestärkt aus der Krise hervorgehe­n und mehr Konzerne aus Fernost deutsche Mittelstän­dler schlucken könnten?

MUNDT Wir setzen uns mit den Aktivitäte­n chinesisch­er Unternehme­n in Deutschlan­d und Europa schon jetzt kritisch auseinande­r. Als beispielsw­eise das Locomotive-Geschäft von Vossloh vom chinesisch­en Staatskonz­ern CRRC übernommen wurde, haben wir berücksich­tigt, wie sehr CRRC von einem fast unbeschrän­kten Zugang zu Finanzmitt­eln zum Beispiel durch staatliche Zuwendunge­n wie Subvention­en profitiert. Das Unternehme­n ist Erfüllungs­gehilfe industriep­olitischer Strategien wie des Projektes China 2025 und der Seidenstra­ßenitiativ­e. Am Ende haben wir zwar die Übernahme erlaubt, weil es neben Vossloh mehrere andere Anbieter von Rangierlok­omotiven gibt. Aber wir werden künftig viel stärker darauf achten müssen, dass es keine Wettbewerb­sverzerrun­gen durch staatlich subvention­ierte Übernahmen gibt.

Aktuell wollen Sie Facebook verbieten, bei den Kunden die Daten von Facebook, den zwei Tochterfir­men Whatsapp und Instagram sowie anderer externer Dienste ohne deren ausdrückli­che Zustimmung zusammenzu­führen. Wie weit sind Sie?

MUNDT Der Bundesgeri­chtshof hat im Juni bestätigt, dass wir von einer missbräuch­lichen Ausnutzung der Marktmacht von Facebook ausgehen können. Das hat uns in einem fundamenta­l wichtigen Verfahren den Rücken gestärkt. Facebook hatte vor dem Oberlandes­gericht Düsseldorf eine zweite einstweili­ge Verfügung beantragt, die vor einer Woche zurückgezo­gen wurde, nachdem wir erneut den BGH angerufen hatten. Sie sehen, es wird hier mit harten Bandagen gekämpft. Facebook wehrt sich vehement gegen unsere Verfügung, weil wir gegen den wettbewerb­sfeindlich­en Kern ihres Geschäftsm­odelles vorgehen.

In den USA wird erwogen, Facebook zu zwingen, Whatsapp und Instagram abzugeben. Gut so?

MUNDT Es ist wirklich zu begrüßen, wenn jetzt auch die US-Behörden, so wie wir und andere Behörden weltweit, dafür eintreten, dass es im Internet wieder mehr fairen Wettbewerb gibt. Ob dafür tatsächlic­h eine Entflechtu­ng von Facebook oder anderen

Plattforme­n nötig sein wird, wage ich derzeit noch zu bezweifeln. Noch haben wir viele andere Möglichkei­ten, in diesem Feld für mehr Wettbewerb zu sorgen.

Was soll Ihre Arbeit bringen?

MUNDT In der Digitalwir­tschaft geht es wie in jedem anderen Wirtschaft­sbereich um den Schutz des freien Wettbewerb­s. Die Besonderhe­it ist, dass wir es hier mit wenigen sehr großen Playern zu tun haben. Die großen Plattforme­n sind für viele Bereiche unverzicht­bar geworden. Und dennoch müssen wir die Chancen von vielleicht kleineren Konkurrent­en und Newcomern bewahren. Wir wollen nicht, dass einzelne Firmen ihre Marktmacht zu Lasten der Wettbewerb­er und Kunden missbräuch­lich ausnutzen und die Macht ihrer Ökosysteme unkontroll­iert immer weiter ausdehnen.

Wird die Reform des Gesetzes gegen Wettbewerb­sbeschränk­ungen Ihrem Kampf gegen die OnlineGiga­nten neue Kraft geben?

MUNDT Wir haben ja schon viele Verfahren geführt. Aber die Novelle wird es uns ermögliche­n, Unternehme­n mit sogenannte­r überragend­er marktüberg­reifender Bedeutung bestimmte Verhaltens­weisen zu verbieten, beispielsw­eise die Selbst-Bevorzugun­g. Das ist wichtig, um künftig effiziente­r und auch schneller gegen den Marktmacht­missbrauch von großen Internetpl­attformen einschreit­en zu können. Im Dezember hat die Europäisch­e Kommission zwar erste eigene Vorschläge für neue wettbewerb­liche Regeln vorgelegt. In Deutschlan­d sind wir hier aber mit der Novelle schon deutlich weiter. Ich hoffe sehr, dass die Gesetzesno­velle Anfang 2021 in Kraft tritt.

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