Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Dornröschenschlaf der alten Panzerhalle
Es ist eine andere Welt, in die die ehemalige Panzerhalle in Mönchengladbach ihre Besucher entführt. Da das Gelände nicht öffentlich zugänglich ist, hat die RP einen Blick in das faszinierende Bauwerk geworfen.
MÖNCHENGLADBACH Eine alte Panzerhalle in Mönchengladbach? Die Alteingesessenen zucken nun wissend lässig mit den Schultern, hat das Gebäude auf dem Reme-Gelände doch vor fünf Jahren für große Schlagzeilen gesorgt. Damals war ein Jugendlicher dort erstochen worden. Doch was ist aus dem ehemaligen Militärgebäude geworden? Eins ist klar: Es soll bleiben. Andrea Tiggeler und ihre Hündin Fenja kennen das Gelände wie ihre eigene Westentasche. Sie sorgen dort für Ordnung, ertappen regelmäßig Leute, die eingebrochen sind und durch die Gebäude streunen, bringen das zur Anzeige. So verlockend es ist, einen Blick auf das sagenumwobene Gelände zu werfen: Die Einbrüche sind gefährlich, einige der Hallen und Häuser sind einsturzgefährdet. Auch wenn das von außen nicht immer erkennbar ist.
Andrea Tiggeler stemmt sich gegen die Tür der Panzerhalle. Das Schloss klemmt, die kalten Temperaturen und die klammen Finger machen es nicht besser. Dann, endlich, nach einigen Kraftanstrengungen, öffnet sich die Metalltür. Der Blick fällt in eine unbeleuchtete Halle, das Licht fällt durch Luken im Dach, links neben dem Eingang stehen einige noch ziemlich frisch aussehende Getränkedosen. Noch immer schlägt der Atem kleine Wolken vor den Mund, doch wenigstens pfeift der eisige Wind nicht durch die gesamte Halle.
Ein tropfendes Geräusch lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Leck in der Decke, der Wind rüttelt an den nicht mehr richtig sitzenden Dachelementen. Zum Teil sind Elemente von der Decke heruntergekracht, an manchen Stellen schweben sie noch halb befestigt in der Luft, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie halten oder fallen sollen. In den Boden sind Werkstattgruben eingelassen, in die eine Treppe hinunterführt. Eine Möglichkeit, um von unten an die Panzer zu gelangen, die bis in die 1990er-Jahre hier repariert und gewartet wurden. Mehr als vier Jahrzehnte diente die Halle diesem Zweck. Die Abdeckungen aus Brettern sind nur noch zu erahnen. Heute sind sie gefüllt mit undefinierbarem Schrott. Etwas Bauschutt, etwas Holz, etwas Glaswolle, manchmal ist auch ein Möbelstück zu sehen. Hier ist schon lange nichts mehr los. Einzig die Pflanzen, die sich ihren Weg durch den Boden gebahnt haben, gedeihen hier prächtig. Zum Teil sind ganze Ecken mit einem grünen Teppich belegt, wirken auf den ersten Blick, als könnte man sich in ein weiches Bett aus Blättern fallen lassen. Wenige Zentimeter weiter ist der Boden mit feinen Glassplittern übersäht, der Boden verunreinigt, die Wände mit Graffiti besprüht.
Mitten auf den rund 4000 Quadratmetern, die die Besucher beim Eintreten in eine ganz andere Welt entführen, steht eine halbhohe Mauer, weiß gefliest. Augenscheinlich ein Waschplatz für die Schrauber der britischen Rheinarmee. Wasser tropft von der Decke, bildet Pfützen auf dem Boden. In einem der vielen Seitenräume steht eine alte Matratze, irgendwo liegt eine Autofront ohne Kennzeichen.
„2009 hat die Stadt die Fläche erworben“, erklärt eine Sprecherin der EWMG. „Seitdem wurde die Bausubstanz gesichert, allerdings keine Investitionen in das leerstehende Gebäude mehr getätigt.“Auf dem Reme-Gelände soll ein neues Quartier entstehen. Viele Gebäude werden abgerissen, die Panzerhalle jedoch ist eines der wenigen, die erhalten bleiben werden.
Auf dem Boden liegt eine zerbrochene Schallplatte. Handschriftlich ist der Name „Dieter“auf das Etikett geschrieben, einst ließ sie „Zuhause, Zuhause“aus dem Film „Blaue Jungs“erschallen. Dem Logo nach zu urteilen stammt sie vermutlich aus den späten 1950er-Jahren. Hat Dieter sie hier vergessen? Oder fand sie erst viel später hierher? Das bleibt wohl Dieters Geheimnis. Ob ihm wohl auch die andere Platte gehörte, die einige Meter weiter liegt? „Saturday in the Park“von Chicago, noch etwas besser erhalten.
Über die Jahre haben sich in der Panzerhalle viele Gegenstände angesammelt, deren Geschichten sicherlich ein ganzes Buch füllen könnten. Sie alle werden in den nächsten Jahren weichen. Und neues Leben in die Halle ziehen. Handel, Dienstleister und Gastronomie sollen dort einziehen. Und dann kann sich jeder vom Charme dieses Gebäudes in den Bann ziehen lassen. Auch, wenn die Pflanzen dann vermutlich aus Blumentöpfen ranken.
Weitere Fotos gibt es unter www. rp-online.de/moenchengladbach.