Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Pandemie wird zu weiterer Belastung führen“
Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens über die großen Themen für 2021 und über die Auswirkungen von Corona auf die Finanzlage.
Herr Zillikens, was war im vergangenen Jahr aus Ihrer Sicht der größte Erfolg der Stadt Jüchen?
HARALD ZILLIKENS Wir haben uns 2020 intensiv und erfolgreich in den Prozess der Entscheidung des Landes für das Rheinische Revier eingebracht. Ich erwarte von Land und Bund, dass der Kompromiss zum Kohleausstieg wie vereinbart umgesetzt wird und dass unsere Ideen und Vorschläge berücksichtigt werden. Wir brauchen die Siedlungsflächen südlich der Autobahn, um Jüchen entwickeln zu können. Das haben wir in unserer Stellungnahme deutlich gemacht. Wir müssen bald mit der Planung beginnen können.
Wobei wir schon bei der Politik sind. Der neue Rat hat sich konstituiert, aber das politische Geschäft scheint bislang wegen des Lockdowns nicht so richtig in Schwung gekommen zu sein. Mehrere Sitzungen fielen aus.
ZILLIKENS Die Politik geht weiter. Zu anstehenden wichtigen Themen habe ich mit den Fraktionsvorsitzenden Dringlichkeitsentscheidungen getroffen. Zudem haben wir alle Ratsmitglieder gebeten, während der Pandemie ihre Verantwortung auf den personell deutlich kleineren Hauptausschuss zu delegieren, er soll am 21. Januar tagen. Wir nutzen die Möglichkeiten, die uns die Gemeindeordnung in der Corona-Pandemie gibt. Und mit den Fraktionsvorsitzenden tausche ich mich im Videochat aus.
Und mit dem Bürger – auch online?
ZILLIKENS Ja. In meinen Sprechstunden auf Facebook fragen mich nicht nur Bürger, viele andere verfolgen aufmerksam den Chatverlauf, manche wenden sich dann danach mit weiteren Fragen an mich. Unabhängig davon will ich am 6. Januar erstmals eine Sprechstunde per Telefon oder, wenn möglich, per Video-Schaltung abhalten. Es gibt Jüchener, die Facebook nicht nutzen oder die mit dem Bürgermeister unter vier Augen sprechen möchten.
Wie sieht es mit dem Etat 2021 aus? Die Ratssitzung, in der er beschlossen werden sollte, fiel ja aus.
ZILLIKENS Die Satzung für den Haushalt 2021 wurde ebenfalls mit einer Dringlichkeitsentscheidung beschlossen. Nur die SPD trägt den Etat nicht mit.
Wie wirkt sich Corona auf die Finanzlage der Stadt aus?
ZILLIKENS Heftig. Wir haben erhebliche Einnahmeausfälle bei der Einkommensund der Gewerbesteuer und bei Beiträgen – insgesamt rund 4,5 Millionen Euro. Auf der anderen Seite haben wir gestiegene Personalkosten, besonders im Bereich des Ordnungsamts. Wir können zwar Corona-bedingte Kosten separat verbuchen. Doch die Pandemie ist noch nicht vorüber, wird 2021 und danach zu weiteren finanziellen Belastungen führen.
Wie sieht es jetzt unter dem Strich beim Etat aus?
ZILLIKENS Wir sind ins Minus gerutscht, das Defizit beträgt rund 600.000 Euro. Dazu trägt bei, dass die Kreisumlage um rund 500.000 und die Jugendamtsumlage um rund 1,5 Millionen Euro steigen sollen.
Ein Diskussionsthema bei den Etatberatungen war der geplante Ausbau des Wirtschaftsweges bei Gierath zwischen Neuenhovener Straße und L 116. Die SPD lehnt das Vorhaben vehement ab, das Projekt sei nicht notwendig. Warum ist der Straßenbau dort Ihrer Meinung nach so wichtig?
ZILLIKENS Der vom Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossene Ausbau entlastet die Ortsdurchfahrt in Gierath, zudem schaffen wir einen neuen Radweg. Die heutige Straße ist schmal. Die Bankette sind vollkommen zerstört, weisen große Löcher auf.
Was sind die wichtigsten Projekte, die Sie 2021 in Angriff nehmen wollen?
ZILLIKENS Eine Hauptaufgabe wird der Strukturwandel sein. Wenn die Leitentscheidung des Landes gültig ist, geht die Arbeit im Braunkohleausschuss und im Zweckverband Landfolge Garzweiler richtig los. Die Planverfahren für die neuen Baugebiete Jüchen-West, Otzenrath-Süd und Hochneukirch-Gartenstraße werden wir weiter voranbringen. Hinzu kommt das Interkommunale Gewerbegebiet an der Grenze zu Grevenbroich. Der Grunderwerb und die Planung für die Straßenanbindung laufen.
Gibt es interessierte Unternehmen für die Ansiedlung?
ZILLIKENS Ja, es gibt Nachfragen, Namen nenne ich aber noch nicht. Aber ich hoffe, dass die Bauarbeiten für das Gewerbegebiet in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 losgehen können.
Im Sommer hat der Rat die Zusammenlegung der Gesamtschul-Standorte an der Stadionstraße beschlossen. Wie geht es nun weiter, wann wird dort gebaut?
ZILLIKENS Das dauert noch etwas. Zunächst stehen die Planverfahren für Bebauungs- und Flächennutzungsplan an. Ich denke, dass 2024/25 der Standort aus Hochneukirch nach Jüchen umziehen kann.