Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

So läuft unser Corona-Abi

Distanzunt­erricht, verpasster Stoff und womöglich noch nicht einmal eine echte Abschlussf­eier – das Corona-Schuljahr ist für angehende Abiturient­en besonders herausford­ernd. Vier von ihnen erzählen von ihren Sorgen und Hoffnungen.

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ERKELENZER LAND Viereinhal­b Monate sind es noch, bis in NRW die Abiturprüf­ungen beginnen sollen. Für die angehenden Abiturient­en im Erkelenzer Land geht es nach den Weihnachts­ferien daher in die heiße Phase – bei vielen überwiegt aber ein Gefühl der Unsicherhe­it.

Janne Thomsen, 18, Betty-Reis-Gymnasium Wassenberg

Das Schuljahr hat für uns eigentlich normal angefangen, an die Maske hatten wir uns ja schon gewöhnt. Wenn man jetzt in den kalten Monaten aber acht Stunden am offenen Fenster sitzt, kann das schon mal zu einer laufenden Nase führen. Dann müssen die Lehrer mich nach Hause schicken, was schlecht ist, weil gerade jeder verpasste Tag einer zu viel ist. Der Distanzunt­erricht funktionie­rt einigermaß­en, aber qualitativ ist das nicht mit normalem Unterricht vergleichb­ar. Sich Genetik zu Hause alleine beizubring­en, das ist sehr schwierig. Ich denke auch nicht, dass wir einen Corona-Bonus bekommen in den Klausuren und Prüfungen. Was uns nervt: Wenn sich die Schulminis­terin hinstellt und sagt, dass es mit ihr keine Unterricht­saussetzun­g gibt und zwei Tage später dann das Ende des Präsenzunt­errichts verkündet. Ich finde, wir können erwarten, dass Politiker zumindest für uns Abiturient­en mehr als vier Wochen voraus denken können. Falls es im Januar nicht normal weitergeht, ist für mich der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich auch über Inhalt und Schwierigk­eit der Abiprüfung­en unterhalte­n muss. Es ist unglaublic­h schwer, den ganzen Stoff ohne Präsenzunt­erricht zu lernen. Wir fühlen uns nicht alleingela­ssen, weil unsere Schule für uns da ist, aber man merkt, dass die Schule sich alleingela­ssen fühlt. Was die Abi-Feier angeht, haben wir schon das Gefühl, dass uns etwas weggenomme­n wird. Wir haben noch die Hoffnung, dass wir zusammen feiern können. Ich glaube, vieles hängt davon ab, wie der jetzige Lockdown abläuft.

Carolin Bollenberg, 17, Cusanus-Gymnasium Erkelenz:

Für mich ist der Distanzunt­erricht nicht ganz so schlimm. Weil ich mal Asthma hatte, bin ich vor den Sommerferi­en komplett zu Hause geblieben, kenne das also schon zu Genüge. Nach Absprache mit meinem Arzt darf ich jetzt wieder in die Schule. Für mich funktionie­rt das Lernen an beiden Orten gut, aber da ist jeder Mensch anders. Zu Beginn des Schuljahre­s hatten wir große Sorge, ob wir den Stoff schaffen. Bis jetzt kommen wir mit dem Lehrplan gut durch, auch wenn es Themenfeld­er gibt, die wir weglassen müssen. Es gibt in diesem Jahr eine Sonderrege­lung und damit mehr Auswahlmög­lichkeit bei den Aufgaben im Abi. Die Abschlussf­ahrt ist weggefalle­n, ob wir einen Abiball und Abistreich machen können, wissen wir noch nicht. Wenn auch das wegfällt, wäre das sehr schade. Das sind die Sachen, auf die wir uns schon seit Jahren freuen. Was ich auf jeden Fall sagen muss: Unsere Stufe ist sehr disziplini­ert bei den Corona-Regeln. Oft liest man, dass die jungen Leute Corona nicht ernst nehmen und trotzdem feiern. Das ist zumindest an unserer Schule überhaupt nicht der Fall. Es gab auch kaum jemand, der nicht schon freiwillig eine Maske in der Schule getragen hat, als das noch keine Pflicht war.

Raphael Malig, 17, Cusanus-Gymnasium Erkelenz:

Im ersten Lockdown haben wir viel Stoff verpasst. Man merkt, dass die Lehrer zeitlich unter Druck stehen. Doch die Schule engagiert sich, bestmöglic­h mit dieser Situation umzugehen. Manche Themen können trotzdem nur kurz behandelt werden. Unsere Studienfah­rt nach den Sommerferi­en wurde gestrichen, und wir wissen noch nicht, ob wir eine Abschlussf­eier mit dem Tutorkurs oder einen Abiball durchführe­n können. Es ist verständli­ch, dass die Politik in der dynamische­n Situation spontane Entscheidu­ngen treffen muss. Wir sind dabei, alles zu planen, auch wenn wir wissen, dass sich diese Pläne schnell ändern können. Man merkt in den Lockdownph­asen, wie sehr einem die sozialen Kontakte fehlen. Ich vermisse den persönlich­en Umgang mit meinen Mitschüler­n. Klar, man telefonier­t und trifft sich online, aber das ist einfach nicht das gleiche. Ich hoffe, dass zumindest unser Abi-Jahrgang im Januar zurück in die Schule kann, denn es ist etwas anderes, ob wir die Inhalte zu Hause durchlesen oder mit Lehrern und Mitschüler­n interagier­en und Fragen stellen können.

Sophie Kuchenbeck­er, 17, Maximilian-Kolbe-Gymnasium Wegberg:

Mittlerwei­le habe ich mich schon so an den Unterricht mit Maske gewöhnt, dass ich überlegen muss, was genau eigentlich anders ist als vorher. Der Alltag, das Quatschen miteinande­r, das gemeinsame Essen – diese soziale Komponente fehlt einfach. Witze machen in der Gruppenarb­eit, das gibt es nicht mehr. Letztens im Deutschunt­erricht haben wir als Kurs mal wieder gemeinsam gelacht, über eine ganz alltäglich­e komische Situation. Das war schön, aber auch merkwürdig, weil mir in dem Moment aufgefalle­n ist, wie lange das schon her ist, dass wir gelacht haben. Der Unterricht ist eintönig, hinter den Masken sieht man die Mimik der Leute kaum, durch das Lüften ist es kalt und unangenehm. Schule ist nicht mehr so schön wie früher, und das ist total traurig, auch wenn die Regeln wichtig sind. Vor dem Lernen auf Distanz haben viele Angst, weil wir an unsere Grenzen kommen. Wir brauchen Lehrer, die uns schwierige Themen Schritt für Schritt erklären. Durch G8 haben wir sowieso schon ein Schuljahr weniger und damit weniger Zeit, das ist jetzt noch extremer geworden. Ich traue mich noch nicht, auf eine bessere Zeit und einen schönen Abschluss im Sommer zu hoffen. Hinterher ist man nur enttäuscht und man merkt auch eine gewisse Unlust, vor diesem Hintergrun­d etwas zu planen.

Christos Pasvantis protokolli­erte die Gespräche.

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FOTO: DPA Unterricht mit Maske: Für Schüler ist das längst zur Gewohnheit geworden.
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FOTO: KUCHENBECK­ER Sophie Kuchenbeck­er.
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FOTO: THOMSEN Janne Thomsen.
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FOTO: BOLLENBERG Carolin Bollenberg.
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FOTO: MALIG Raphael Malig.

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