Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

So teuer ist Eigentum geworden

In der Region haben die Preise für Häuser und Wohnungen seit 2014 stark angezogen. Der Mieterbund warnt vor Ungleichhe­it.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Wo sind Immobilien im Rheinland am teuersten? Wenig überrasche­nd in Düsseldorf und Köln, wo eine Wohnung mit 80 Quadratmet­ern im Schnitt 326.000 Euro wie in der Domstadt kostet oder 346.000 Euro wie in der Landeshaup­tstadt. Doch wo steigen die Preise für ein eigenes Zuhause derzeit am stärksten? Das ist eher das Umland der NRW-Metropolen. So legte Neuss bei den Preisen für Eigentumsw­ohnungen in den vergangene­n sechs Jahren um 90 Prozent zu. In keiner anderen hier betrachtet­en Kommune war der Wertzuwach­s für ein Haus oder eine Wohnung so hoch.

Trotz Corona-Krise hält der Immobilien­boom in weiten Teilen von NRW an. Das spiegelt sich auch in den Preisen, wie exklusiv für unsere Redaktion zusammenge­stellte Daten des Bonner Forschungs­unternehme­ns Empirica zeigen: Um 65 Prozent legten die Notierunge­n für Wohnraum in der Region seit 2014 zu, wenn man den Durchschni­tt der Preissteig­erungen – nicht den Schnitt der Einzelprei­s-Steigerung­en – berechnet. Um 14 Prozent stiegen im Mittel die lokalen Kosten zwischen September 2019 und September 2020, mit deutlichen Ausreißern nach oben wie etwa in Mönchengla­dbach (plus 19 Prozent) oder in Viersen mit plus 36 Prozent. „Der Zuzugstren­d in die Speckgürte­l der großen Städte hält an“, sagt Thomas Abraham von Empirica.

Das zeigt sich auch bei den Kosten für Häuser. In fast allen Kommunen legten die Preise 2020 noch einmal deutlich zu, beispielsw­eise in Hilden um 15 Prozent auf 468.750 Euro für ein typisches Haus mit 125 Quadratmet­ern. In Ratingen mussten Käufer eines solchen Hauses mit 457.500 Euro im Schnitt zehn Prozent mehr als noch vor einem Jahr zahlen. In Düsseldorf stieg der Preis dagegen „nur“um drei Prozent.

„Hier ist das Ende der Fahnenstan­ge für die meisten Käufer schon lange erreicht“, sagt der Makler Wulff Aengevelt, „größere, freistehen­de Objekte sind unter einer Million Euro praktisch nicht erhältlich.“Ein Ende der Kostenexpl­osion ist nicht in Sicht. „Die Zinsen verharren auch wegen der Corona-Krise auf einem historisch niedrigen Niveau“, so Datenspezi­alist Abraham. Das treibe die Preise weiter hoch. „Wir haben einen Verkäuferm­arkt“, betont Michael Voigtlände­r, Immobilien­experte beim Institut der Deutschen Wirtschaft. „Viele Familien wollen kaufen, eher wenige Bürger wollen verkaufen.“Makler Aengevelt kritisiert die Politik: „Neue Bauprojekt­e müssten deutlich schneller genehmigt werden“, sagt er. „Das würde den Markt entspannen.“

Gesellscha­ftlich betrachtet vergrößern die anziehende­n Preise die bestehende soziale Spaltung: „Viele Mieter würden gerne kaufen, doch angesichts der immer höheren Preise – selbst für Eigentumsw­ohnungen – bleibt das oft ein Traum“, sagt Hans-Jochem Witzke, Vorsitzend­er des Deutschen Mieterbund­es in NRW. Dabei darf man nicht übersehen, dass die Mieten in den sieben größten deutschen Städten inklusive Düsseldorf und Köln seit 2005 um 67 Prozent gestiegen sind, die Kaufpreise sich laut Empirica jedoch um fast 200 Prozent erhöht haben.

Trotz der saftigen Preise für Wohnungen und Häuser raten die Profis nicht pauschal davon ab, Immobilien zu erwerben: „Wenn eine Familie lange am gleichen Ort wohnen will, könnte sich ein Erwerb in vielen Fällen schon lohnen“, sagt Marktforsc­her Abraham. Die Rechnung lautet: Wenn die monatliche Belastung aus Zinsen und Tilgung nur unwesentli­ch höher ist als die vergleichb­are Miete, profitiert der Käufer auf Dauer vom erhofften weiteren Wertzuwach­s und von der gegebenenf­alls schnellen Tilgung. Abraham rät aber zur Vorsicht: „Wenn eine Familie einen günstigen Mietvertra­g in einer Großstadt hat, könnte der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung für eine höhere Belastung sorgen.“

Erwerber von Wohnraum müssen daher besonders gut auf eine stabile Finanzieru­ng achten. So sollten sie nach Möglichkei­t 15 bis 20 Prozent des Kaufpreise­s als Eigenkapit­al mitbringen. „Da helfen oft Eltern oder Großeltern“, sagt Roger Bendler von der Essener Maklerfirm­a Van der Meulen. „Mit dieser höheren Sicherheit lassen sich dann Zinsen von deutlich unter einem Prozent aushandeln.“Wichtig sei, eine hohe Tilgung von jährlich drei, vier oder sogar fünf Prozent zu vereinbare­n, um die Schulden zügig zu minimieren. „Schnelle Tilgung senkt das Risiko bei eventuell steigenden Zinsen in der Zukunft“, so Abraham.

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