Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Steigen jetzt die Lebensmittelpreise?
Seit 1. Januar gelten die alten Mehrwertsteuersätze. Das könnte Konsequenzen haben.
DÜSSELDORF Von vielen unbeachtet, sind zum Jahreswechsel wieder die Mehrwertsteuersätze in Kraft getreten, die bis Juni 2020 galten und dann im Zuge der Corona-Krise vorübergehend gesenkt wurden. Jetzt gilt wieder der Regelsteuersatz von 19 (vorher 16) Prozent und bei Waren des täglichen Bedarfs ein Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, der zwischen Anfang Juli und Ende Dezember bei fünf Prozent lag. Steigen deshalb die Preise, beispielsweise im Lebensmittelhandel?
„Ja“, sagt Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein, „wer diese Möglichkeit jetzt nicht nutzt, ist selbst schuld.“Vor allem im Lebensmittelhandel sieht er deutlichen Spielraum für höhere Preise: „In gleichem Ausmaß, wie die Unternehmen die Preise nach der Mehrwertsteuersenkung zurückgenommen haben, können sie sie jetzt erhöhen.“Generell ergebe sich für Händler diese Möglichkeit bei Produkten, bei denen Engpässe auftreten könnten. Dazu gehörten eben auch Lebensmittel. als Güter des täglichen Bedarfs, aber beispielsweise auch technische Ausstattung für das Homeoffice.
Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU sagte der „Berliner Morgenpost“: „Der Handel wird versuchen, die Preiserhöhung dort weiterzugeben, wo die Kunden es nicht so sehr merken – bei Produkten, deren Preis man nicht so genau im Kopf hat.“Problematisch würden Preiserhöhungen aus Heinemanns Sicht außerhalb der Lebensmittelbranche: „Im Non-Food-Handel werden wir regelrechte Preisschlachten erleben.“Anders als von manchen behauptet, könne man nicht überall im Handel die im Lockdown verlorenen Umsätze nachholen. Modehändler beispielsweise, die im Lockdwon auf Saisonkleidung sitzengeblieben seien, müssten extreme Zugeständnisse machen, um die Waren überhaupt noch loszuwerden.
Anders als Heinemann sieht Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, dagegen kaum Spielraum für Preiserhöhungen.
Diese werden seiner Ansicht nach durch den Wettbewerbsdruck in der Branche erschwert. Das könnte vor allem für Discounter gelten, die in der Krise Geschäft an die Supermärkte verloren haben. Vieles kommt also auf das Verhalten und die Preisstrategie der Platzhirsche Aldi und Lidl in den nächsten Tagen und Wochen an.
Umgekehrt hat die Senkung der Mehrwertsteuer in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres den Unternehmen weniger gebracht als erhofft: Nach Angaben des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo sind die Konsumausgaben in Deutschland zwischen Juli und Dezember um rund 6,3 Milliarden Euro gestiegen. Das seien gerade mal 0,6 Prozent mehr gewesen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, erklärte das Institut. Der Steuerausfall betrage hingegen rund 20 Milliarden Euro. Offensichtlich haben die Deutschen in der Krise lieber mehr Geld zurückgelegt, anstatt es für teurere Anschaffungen auszugeben. Ein Indiz dafür war zuletzt die hohe Sparquote von 16 Prozent.