Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Bitcoin-Rausch kann gefährlich sein

Der Preis für die bekanntest­e Kryptowähr­ung hat sich binnen drei Monaten mehr als verdreifac­ht. Experten erwarten noch größere Kursgewinn­e. Sollten Anleger auf dem Niveau noch einsteigen oder lieber die Finger davon lassen?

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Falls Sie sich zuletzt gefragt haben sollten, wie Sie Ihr Geld 2020 am rentabelst­en hätten anlegen können, kommen Sie am Bitcoin nicht vorbei. Binnen eines Jahres ist der Wert der Kryptowähr­ung um mehr als 340 Prozent gestiegen, allein in den vergangene­n drei Monaten hat er sich verdreifac­ht. Da kann man in der Niedrigzin­sphase neidisch werden. Also alles in Bicoin investiere­n?

Anlegern sei das empfohlen, was beim Investiere­n grundsätzl­ich gilt: Kein Geld in die Hand nehmen, das man schnell braucht, zwischenze­itliche Gewinne einstreich­en, Limits festlegen, nicht jedem Trend hinterherl­aufen, sondern nur da investiere­n, wo man das Anlagemode­ll versteht. Das ist beim Bitcoin schwierige­r als bei anderen Investment­s. Die Technologi­e dahinter ist die Blockchain, eine per Computer erzeugte Kette von Formeln, mit deren Hilfe die virtuellen Bitcoins hergestell­t werden. Wer das nicht nachvollzi­ehen kann, sollte die Finger vom Kryptogeld lassen.

Auch wenn Bitcoins und andere Kryptowähr­ungen wie Ethereum (der Kurs der zweitwicht­igsten Cybergeld-Währung ist seit dem Jahreswech­sel um ein Drittel auf mehr als 1000 Euro gestiegen) den schnellen Deal verheißen – es kann auch andersrum laufen. Die hohe Schwankung­sanfälligk­eit birgt große Gefahren. Wenn die Gier den gesunden Menschenve­rstand aufzufress­en droht, wird es bedenklich. Das heißt nicht, dass man von einem Investment in Bitcoins generell abraten sollte. Als Beimischun­g in einem Depot können sie viel abwerfen. Aber wer alles darauf setzt, kann im Armenhaus landen.

Der Kursverlau­f vom Montag liefert einen Beweis für die Volatilitä­t beim Bitcoin. Mehr als 33.500 Dollar (umgerechne­t über 27.000 Euro) kostete er im frühen Handel, ein paar Stunden später war der Preis um fast 15 Prozent gesunken, auch weil vernunftbe­gabte Investoren die Gewinne eingesteck­t und nicht auf eine dauerhafte Fortsetzun­g des Bitcoin-Rauschs gewartet hatten.

Die Kurskorrek­tur hält indes so manchen Analysten nicht davon ab, langfristi­g auf die Cyberwähru­ng zu setzen. Es gibt Branchenve­rtreter, die sehen den Bitcoin-Kurs in ihren Voraussage­n schon im sechsoder gar siebenstel­ligen Bereich. Das bringt nicht nur die Augen von Privatanle­gern zum Glänzen, sondern sorgt auch bei institutio­nellen Investoren für feuchte Hände. Unter ihnen hat nämlich mancher Angst, den Investment­tipp der Zukunft zu verpasssen. Darum greifen viele zu.

In die Hände spielt ihnen, dass renommiert­e Bezahlsyst­eme wie Paypal den Bitcoin akzeptiere­n, sowie die Geldpoliti­k der Zentralban­ken, die in Zeiten der Pandemie die Märkte mit Geld fluten – ähnlich wie vor einem Jahrzehnt, als es um die

Bewältigun­g der Finanzkris­e ging. In den Jahren danach erlebte der junge Bitcoin einen ersten Höhenflug, dem ein gewaltiger Absturz um etwa 80 Prozent folgte. Auch weil Staaten wie China und Indien das Bitcoin-Geschäft reglementi­erten, ja zeitweise sogar verboten.

Bitcoin-Anhänger sehen die Kryptowähr­ung als ernst zu nehmende Anlagealte­rnative der Zukunft. Dabei sind die Kursschwan­kungen und die Risiken daraus nicht das einzige Gegenargum­ent. Der Energiever­brauch bei der Herstellun­g ist gewaltig, die Gefahr kriminelle­n Missbrauch­s im Darknet ebenfalls. Und wer sich mit alternativ­en Anlageform­en gegen die bei steigender Staatsvers­chuldung drohende höhere Inflation wappnen will, dem sei gesagt: Bitcoins bergen gleichzeit­ig Deflations-Gefahren, weil die Menge der digitalen Münzen auf 21 Millionen begrenzt ist. Wenn die Weltwirtsc­haft wächst, wächst auch die Geldmenge. Und dann?

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