Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der Bitcoin-Rausch kann gefährlich sein
Der Preis für die bekannteste Kryptowährung hat sich binnen drei Monaten mehr als verdreifacht. Experten erwarten noch größere Kursgewinne. Sollten Anleger auf dem Niveau noch einsteigen oder lieber die Finger davon lassen?
DÜSSELDORF Falls Sie sich zuletzt gefragt haben sollten, wie Sie Ihr Geld 2020 am rentabelsten hätten anlegen können, kommen Sie am Bitcoin nicht vorbei. Binnen eines Jahres ist der Wert der Kryptowährung um mehr als 340 Prozent gestiegen, allein in den vergangenen drei Monaten hat er sich verdreifacht. Da kann man in der Niedrigzinsphase neidisch werden. Also alles in Bicoin investieren?
Anlegern sei das empfohlen, was beim Investieren grundsätzlich gilt: Kein Geld in die Hand nehmen, das man schnell braucht, zwischenzeitliche Gewinne einstreichen, Limits festlegen, nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern nur da investieren, wo man das Anlagemodell versteht. Das ist beim Bitcoin schwieriger als bei anderen Investments. Die Technologie dahinter ist die Blockchain, eine per Computer erzeugte Kette von Formeln, mit deren Hilfe die virtuellen Bitcoins hergestellt werden. Wer das nicht nachvollziehen kann, sollte die Finger vom Kryptogeld lassen.
Auch wenn Bitcoins und andere Kryptowährungen wie Ethereum (der Kurs der zweitwichtigsten Cybergeld-Währung ist seit dem Jahreswechsel um ein Drittel auf mehr als 1000 Euro gestiegen) den schnellen Deal verheißen – es kann auch andersrum laufen. Die hohe Schwankungsanfälligkeit birgt große Gefahren. Wenn die Gier den gesunden Menschenverstand aufzufressen droht, wird es bedenklich. Das heißt nicht, dass man von einem Investment in Bitcoins generell abraten sollte. Als Beimischung in einem Depot können sie viel abwerfen. Aber wer alles darauf setzt, kann im Armenhaus landen.
Der Kursverlauf vom Montag liefert einen Beweis für die Volatilität beim Bitcoin. Mehr als 33.500 Dollar (umgerechnet über 27.000 Euro) kostete er im frühen Handel, ein paar Stunden später war der Preis um fast 15 Prozent gesunken, auch weil vernunftbegabte Investoren die Gewinne eingesteckt und nicht auf eine dauerhafte Fortsetzung des Bitcoin-Rauschs gewartet hatten.
Die Kurskorrektur hält indes so manchen Analysten nicht davon ab, langfristig auf die Cyberwährung zu setzen. Es gibt Branchenvertreter, die sehen den Bitcoin-Kurs in ihren Voraussagen schon im sechsoder gar siebenstelligen Bereich. Das bringt nicht nur die Augen von Privatanlegern zum Glänzen, sondern sorgt auch bei institutionellen Investoren für feuchte Hände. Unter ihnen hat nämlich mancher Angst, den Investmenttipp der Zukunft zu verpasssen. Darum greifen viele zu.
In die Hände spielt ihnen, dass renommierte Bezahlsysteme wie Paypal den Bitcoin akzeptieren, sowie die Geldpolitik der Zentralbanken, die in Zeiten der Pandemie die Märkte mit Geld fluten – ähnlich wie vor einem Jahrzehnt, als es um die
Bewältigung der Finanzkrise ging. In den Jahren danach erlebte der junge Bitcoin einen ersten Höhenflug, dem ein gewaltiger Absturz um etwa 80 Prozent folgte. Auch weil Staaten wie China und Indien das Bitcoin-Geschäft reglementierten, ja zeitweise sogar verboten.
Bitcoin-Anhänger sehen die Kryptowährung als ernst zu nehmende Anlagealternative der Zukunft. Dabei sind die Kursschwankungen und die Risiken daraus nicht das einzige Gegenargument. Der Energieverbrauch bei der Herstellung ist gewaltig, die Gefahr kriminellen Missbrauchs im Darknet ebenfalls. Und wer sich mit alternativen Anlageformen gegen die bei steigender Staatsverschuldung drohende höhere Inflation wappnen will, dem sei gesagt: Bitcoins bergen gleichzeitig Deflations-Gefahren, weil die Menge der digitalen Münzen auf 21 Millionen begrenzt ist. Wenn die Weltwirtschaft wächst, wächst auch die Geldmenge. Und dann?