Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Schneiders finden keine Ruhe.
Der Garten der Familie liegt an der Mülforter Straße. Dort ist das Verkehrs- und Lärmaufkommen stets hoch. Die Stadt möchte das Problem im Lärmaktionsplan III angehen – allerdings nicht für den Bereich, in dem die Schneiders wohnen.
MÖNCHENGLADBACH Wenn Angelika Schneider die Terrassentür öffnet und in den Garten tritt, wird es laut: Motorengeräusche und das Donnern von Lkw und Pkw über den Asphalt ersticken jegliche Konkurrenzgeräusche. Im Sommer entspannt auf der Terrasse sitzen – bei den Schneiders seit Langem nicht mehr möglich. Seit 40 Jahren wohnen Angelika und Rainer Schneider in der Urbanstraße, deren Gärten hintenheraus zur Mülforter Straße, Bundesstraße B230, liegen. Ein gewisser Lärm sei schon immer da gewesen, sagt Angelika Schneider. „Das Verkehrsaufkommen hat sich inzwischen aber verdoppelt. Zudem nutzen vermehrt Lkw die Straße, seit die Maut eingeführt wurde“, sagt sie. „Das fängt teilweise ab vier Uhr morgens an.“
Generell findet sie, dass sich die Verkehrs- und Lärmsituation in Giesenkirchen positiv entwickelt hat – in vielen Durchgangsstraßen seien 30er-Zonen eingerichtet worden. Auf der Mülforter
Straße gilt derzeit noch Tempo 50. „Daran hält sich aber kein Mensch“, sagt sie. Daher begrüßt sie, dass sich die
Stadt im Vorentwurf des Lärmaktionsplans III mit der Situation der Straße beschäftigt. Aus ihrer Sicht jedoch unzureichend. Laut Plan ist zwischen den Kreuzungen Kruchenstraße und Waater Straße eine Reduzierung auf Tempo 40 angedacht, zudem soll ab der Kreuzung Am Düvel in Richtung Liedberg der Asphalt erneuert und Tempo 30 eingeführt werden. Der Bereich dazwischen, an den auch die Urbanstraße grenzt, soll hingegen ohne direkte Maßnahme bleiben. Lediglich zwei Querungsstellen sind geplant. „Die mindern aber den Lärm nicht“, sagt Angelika Schneider. Sie fragt: „Wieso kann die Geschwindigkeit nicht durchgehend auf Tempo 40 reduziert werden? Das würde schon helfen.“ Der Lärmaktionsplan geht zurück auf die Umgebungslärmrichtlinie der EU. Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Lärmaktionspläne für Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern aufzustellen – und im Anschluss lärmmindernde Maßnahmen zu ergreifen. Das Bundesumweltamt schreibt zu den gesundheitlichen Folgen von Lärm: „Um die Gesundheit zu schützen, sollte ein Mittelungspegel von 65 dB(A) am Tage und 55 dB(A) in der Nacht nicht überschritten werden.“Mönchengladbach orientiert sich bei den Lärmpegeln an Vorgaben aus dem Landesumweltamt, das 70 Dezibel am Tag und 60 Dezibel in der Nacht als Grenzwert nennt. Im Bereich der Urbanstraße lagen die Lärmpegel bei 69 Dezibel am Tag und 60,2 in der Nacht. Das errechnete eine Lärmsoftware.
Laut Aussage der Stadt waren an anderen Stellen der Mülforter Straße die Lärmpegel deutlich höher – teilweise bis 73,6 Dezibel am Tag und 64,8 in der Nacht. Für diese Bereiche wurden priorisiert Maßnahmen erstellt. Die Mülforter Straße gehöre zudem zu den Hauptverkehrsstraßen. Für diese Straßen sei eine
Geschwindigkeitsreduzierung nur schwer anzuordnen, da sie für ein funktionierendes Hauptverkehrsstraßennetz wichtig sind.
Angelika Schneider ärgert aber vor allem, welche Empfehlung im Aktionsplan den Bewohnern mitgegeben wird. Dort steht: „Den Betroffenen, deren Gartenseite zur Lärmquelle liegen, wird empfohlen, ihre Gärten durch Mauern, zum Beispiel aus Gabionen, Garagen oder andere geschlossene bauliche Maßnahmen zu schützen.“Angelika Schneider sagt dazu: „Abgesehen von den Kosten haben fast alle Gärten zwei Meter hohe Mauern zur Mülforter Straße – mit nur mäßigem Erfolg.“Die Stadt äußert sich auf Anfrage: „Das ist eine Empfehlung der Stadtverwaltung. Leider gibt es derzeit in Deutschland kein Förderprogramm für die Einrichtung von aktiven Schallschutzmaßnahmen.“
Derzeit liegt der Lärmaktionsplan III ohnehin in der städtischen
Schublade. Im Mai beschloss die Politik, die anstehende Öffentlichkeitsbeteiligung zurückzustellen, „bis weitere Konzepte des städtischen Mobilitätsplanes in der Politik vorgestellt werden“, wie die Stadt sagt. Dazu zählt auch ein Stadtgeschwindigkeitskonzept, das weiträumigere Aspekte berücksichtigt und dessen Ergebnisse in den Lärmaktionsplan III eingearbeitet werden sollen. „In diesem Zusammenhang wird auch eine mögliche durchgehende Geschwindigkeitsreduzierung (zum Beispiel auf 40 Stundenkilometer) für die Mülforter Straße geprüft“, sagt die Stadt.
Das Konzept soll voraussichtlich im ersten Halbjahr 2021 den Gremien vorgestellt werden. Ein wenig Hoffnung für die Schneiders. Ob und wann sich jedoch etwas ändert, ist offen.