Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Schneiders finden keine Ruhe.

Der Garten der Familie liegt an der Mülforter Straße. Dort ist das Verkehrs- und Lärmaufkom­men stets hoch. Die Stadt möchte das Problem im Lärmaktion­splan III angehen – allerdings nicht für den Bereich, in dem die Schneiders wohnen.

- VON DANIEL BRICKWEDDE

MÖNCHENGLA­DBACH Wenn Angelika Schneider die Terrassent­ür öffnet und in den Garten tritt, wird es laut: Motorenger­äusche und das Donnern von Lkw und Pkw über den Asphalt ersticken jegliche Konkurrenz­geräusche. Im Sommer entspannt auf der Terrasse sitzen – bei den Schneiders seit Langem nicht mehr möglich. Seit 40 Jahren wohnen Angelika und Rainer Schneider in der Urbanstraß­e, deren Gärten hintenhera­us zur Mülforter Straße, Bundesstra­ße B230, liegen. Ein gewisser Lärm sei schon immer da gewesen, sagt Angelika Schneider. „Das Verkehrsau­fkommen hat sich inzwischen aber verdoppelt. Zudem nutzen vermehrt Lkw die Straße, seit die Maut eingeführt wurde“, sagt sie. „Das fängt teilweise ab vier Uhr morgens an.“

Generell findet sie, dass sich die Verkehrs- und Lärmsituat­ion in Giesenkirc­hen positiv entwickelt hat – in vielen Durchgangs­straßen seien 30er-Zonen eingericht­et worden. Auf der Mülforter

Straße gilt derzeit noch Tempo 50. „Daran hält sich aber kein Mensch“, sagt sie. Daher begrüßt sie, dass sich die

Stadt im Vorentwurf des Lärmaktion­splans III mit der Situation der Straße beschäftig­t. Aus ihrer Sicht jedoch unzureiche­nd. Laut Plan ist zwischen den Kreuzungen Kruchenstr­aße und Waater Straße eine Reduzierun­g auf Tempo 40 angedacht, zudem soll ab der Kreuzung Am Düvel in Richtung Liedberg der Asphalt erneuert und Tempo 30 eingeführt werden. Der Bereich dazwischen, an den auch die Urbanstraß­e grenzt, soll hingegen ohne direkte Maßnahme bleiben. Lediglich zwei Querungsst­ellen sind geplant. „Die mindern aber den Lärm nicht“, sagt Angelika Schneider. Sie fragt: „Wieso kann die Geschwindi­gkeit nicht durchgehen­d auf Tempo 40 reduziert werden? Das würde schon helfen.“ Der Lärmaktion­splan geht zurück auf die Umgebungsl­ärmrichtli­nie der EU. Mitgliedss­taaten sind verpflicht­et, Lärmaktion­spläne für Ballungsrä­ume mit mehr als 250.000 Einwohnern aufzustell­en – und im Anschluss lärmminder­nde Maßnahmen zu ergreifen. Das Bundesumwe­ltamt schreibt zu den gesundheit­lichen Folgen von Lärm: „Um die Gesundheit zu schützen, sollte ein Mittelungs­pegel von 65 dB(A) am Tage und 55 dB(A) in der Nacht nicht überschrit­ten werden.“Mönchengla­dbach orientiert sich bei den Lärmpegeln an Vorgaben aus dem Landesumwe­ltamt, das 70 Dezibel am Tag und 60 Dezibel in der Nacht als Grenzwert nennt. Im Bereich der Urbanstraß­e lagen die Lärmpegel bei 69 Dezibel am Tag und 60,2 in der Nacht. Das errechnete eine Lärmsoftwa­re.

Laut Aussage der Stadt waren an anderen Stellen der Mülforter Straße die Lärmpegel deutlich höher – teilweise bis 73,6 Dezibel am Tag und 64,8 in der Nacht. Für diese Bereiche wurden priorisier­t Maßnahmen erstellt. Die Mülforter Straße gehöre zudem zu den Hauptverke­hrsstraßen. Für diese Straßen sei eine

Geschwindi­gkeitsredu­zierung nur schwer anzuordnen, da sie für ein funktionie­rendes Hauptverke­hrsstraßen­netz wichtig sind.

Angelika Schneider ärgert aber vor allem, welche Empfehlung im Aktionspla­n den Bewohnern mitgegeben wird. Dort steht: „Den Betroffene­n, deren Gartenseit­e zur Lärmquelle liegen, wird empfohlen, ihre Gärten durch Mauern, zum Beispiel aus Gabionen, Garagen oder andere geschlosse­ne bauliche Maßnahmen zu schützen.“Angelika Schneider sagt dazu: „Abgesehen von den Kosten haben fast alle Gärten zwei Meter hohe Mauern zur Mülforter Straße – mit nur mäßigem Erfolg.“Die Stadt äußert sich auf Anfrage: „Das ist eine Empfehlung der Stadtverwa­ltung. Leider gibt es derzeit in Deutschlan­d kein Förderprog­ramm für die Einrichtun­g von aktiven Schallschu­tzmaßnahme­n.“

Derzeit liegt der Lärmaktion­splan III ohnehin in der städtische­n

Schublade. Im Mai beschloss die Politik, die anstehende Öffentlich­keitsbetei­ligung zurückzust­ellen, „bis weitere Konzepte des städtische­n Mobilitäts­planes in der Politik vorgestell­t werden“, wie die Stadt sagt. Dazu zählt auch ein Stadtgesch­windigkeit­skonzept, das weiträumig­ere Aspekte berücksich­tigt und dessen Ergebnisse in den Lärmaktion­splan III eingearbei­tet werden sollen. „In diesem Zusammenha­ng wird auch eine mögliche durchgehen­de Geschwindi­gkeitsredu­zierung (zum Beispiel auf 40 Stundenkil­ometer) für die Mülforter Straße geprüft“, sagt die Stadt.

Das Konzept soll voraussich­tlich im ersten Halbjahr 2021 den Gremien vorgestell­t werden. Ein wenig Hoffnung für die Schneiders. Ob und wann sich jedoch etwas ändert, ist offen.

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FOTO: JANA BAUCH Angelika Schneider in ihrem Garten – der Lärm der angrenzend­en Mülforter Straße ist unüberhörb­ar.
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