Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Schuldenfr­ei in drei Jahren

Wer in der Verbrauche­rinsolvenz steckt, kann nun früher als bisher einen Neustart angehen.

- VON SEBASTIAN DREYER Der Autor ist Rechtsanwa­lt und Leiter der Verbrauche­rberatung Mönchengla­dbach.

MÖNCHENGLA­DBACH Es ist eine kleine Revolution, die da kurz vor Weihnachte­n im Bundestag beschlosse­n worden ist und vielen überschuld­eten Verbrauche­rn auch in Mönchengla­dbach zugutekomm­en dürfte. Ab sofort ist eine nachhaltig­e Entschuldu­ng und damit ein wirtschaft­licher Neuanfang für überschuld­ete Verbrauche­r in einem Zeitraum von nur drei Jahren möglich. Genau auf diese Zeit hat der Gesetzgebe­r das sogenannte Restschuld­befreiungs­verfahren verkürzt.

Es kommt zum Tragen, wenn überschuld­ete Verbrauche­r im Rahmen einer Verbrauche­rinsolvenz von ihren Schulden befreit werden möchten. Während in der Verbrauche­rinsolvenz, vereinfach­t gesagt, sämtliche Vermögensw­erte eines Schuldners abzuführen und zu verwerten sind, hat der Schuldner im Rahmen des Restschuld­befreiungs­verfahrens alle pfändbaren Einkünfte zur Befriedigu­ng seiner Gläubiger abzutreten. Egal ob es sich um Lohn, Rentenansp­rüche oder Gewinne aus Gewerbebet­rieb handelt. Alles, was die Pfändungsf­reigrenzen überschrei­tet, muss für die Zeit von drei Jahren für die Schuldenti­lgung eingesetzt werden und steht dem Schuldner damit nicht mehr zur Verfügung.

Die Freigrenze liegt bei aktuell 1180 Euro und steigt je nachdem wie viele Unterhalts­pflichten ein Schuldner zu bedienen hat. Bei einer vierköpfig­en Familie, in der der Schuldner alleine das Haushaltse­inkommen erwirtscha­ftet, sind 2.120,00 Euro geschützt. Die Freigrenze steigt aber auch mit dem Einkommen, sodass derjenige, der mehr verdient, auch mehr behalten darf. Gleichzeit­ig soll dies der Motivation dienen, möglichst die volle Arbeitskra­ft für die Schuldenti­lgung einzusetze­n.

Das Gute an der neuen gesetzlich­en Regelung ist, dass sie nicht an zusätzlich­e Bedingunge­n geknüpft worden ist. Es ist keine Mindestquo­te bei der Schuldenti­lgung vorgesehen. Auch wenn die Schulden überhaupt nicht zurückgeza­hlt werden können, weil das Einkommen nicht pfändbar ist oder nur aus geringen Sozialleis­tungen besteht, ist eine Entschuldu­ng nach drei Jahren möglich.

Nach den im Jahr 2020 veröffentl­ichten Zahlen von Creditrefo­rm waren 16,75 Prozent der Gladbacher über 18 Jahre überschuld­et. Hinzu

kommt eine Vielzahl Kinder, die ebenfalls unter der Schuldenla­st leiden. Corona verschärft die finanziell­e Situation der privaten Haushalte zusätzlich. In unserer Beratung haben vor allem Minijobber und Angestellt­e in der Gastronomi­e berichtet, dass sie ihren Job verloren haben. Aber auch die Mittelschi­cht gerät zunehmend unter Druck. Wer länger in Kurzarbeit ist, bekommt schnell Probleme mit laufenden Kreditverp­flichtunge­n, den Raten fürs Auto oder das Eigenheim. Nicht immer ist eine Verbrauche­rinsolvenz eine Lösung, aber sie bietet Chancen, wo viele Schuldner verzweifel­n.

Egal ob Sie selbst betroffen sind oder jemanden kennen, der in finanziell­e Schieflage geraten ist, das Wichtigste ist, sich profession­ellen Rat zu suchen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken.

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA 16,75 Prozent der Mönchengla­dbacher sind überschuld­et.

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