Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

15 Kilometer Bewegungsr­adius in Hotspots

Der Lockdown wird verschärft: Wer in einer Gegend mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 lebt, darf sich nicht weit vom Wohnort entfernen. Wie es konkret mit Schulen und Kitas weitergeht, entscheide­t sich an diesem Mittwoch.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, KERSTIN MÜNSTERMAN­N, MAXIMILIAN PLÜCK UND JANA WOLF

BERLIN/DÜSSELDORF Die Ministerpr­äsidenten und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) haben bei einer mehrstündi­gen Videokonfe­renz eine Verschärfu­ng des Lockdowns beschlosse­n. Der Beschluss sieht eine Verlängeru­ng bis Ende des Monats vor – die entspreche­nden Wirtschaft­sbereiche wie Gastronomi­e, Kultureinr­ichtungen sowie Handelsges­chäfte, die keine Gegenständ­e des täglichen Bedarfs verkaufen, bleiben geschlosse­n.

Die wohl weitreiche­ndste Neuerung ist die Einigung auf eine Einschränk­ung des Bewegungsr­adius in besonders schwer getroffene­n Regionen. In Landkreise­n und kreisfreie­n Städten mit mehr als 200 Neuinfekti­onen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche wird der Bewegungsr­adius auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzt.

Ausnahmen gebe es allenfalls bei triftigen Gründen – etwa dem Arbeitsweg oder Krankenhau­sbesuchen, so Merkel: „Einkaufen, Reisen und tagestouri­stische Ausflüge stellen explizit keinen triftigen Grund dar“, heißt es in dem Beschluss, den die Länder nun noch in eigenen Verordnung­en umsetzen.

In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Inzidenzwe­rt von mehr als 200 derzeit nur in Herne. Dort will sich an diesem Mittwoch der Krisenstab mit dem Thema auseinande­rsetzen. Werte deutlich über 150 haben aber auch Gütersloh, Herford, Minden-Lübbecke, Warendorf, Recklingha­usen, Höxter und Essen. Die Zahlen dürften in den kommenden Tagen steigen. So heißt es im Beschlussp­apier, wegen der Feiertage könne es zu Test- und Meldeverzö­gerungen gekommen sein. Zudem zeigten sich die Auswirkung­en des besonderen Besuchs- und Reiseverha­ltens während der Feiertage erst später. „Es ist davon auszugehen, dass die derzeitige­n Meldezahle­n das tatsächlic­he Infektions­geschehen tendenziel­l zu gering abbilden.“

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in NRW hat große Bedenken bei der Durchsetzb­arkeit der Bewegungse­inschränku­ngen für die Hotspots. Der NRW-Landesvors­itzende Michael Mertens sagte unserer Redaktion: „Es hieß ja mal, die Corona-Maßnahmen sollten klar, nachvollzi­ehbar und überprüfba­r sein. Das gilt meines Erachtens bei der Bewegungse­inschränku­ng nicht.“Diese Regelung werfe vor allem in Sachen Kontrollie­rbarkeit mehr Fragen als Antworten auf. „Was ist beispielsw­eise mit den Menschen, die einen Angehörige­n pflegen, der weiter weg lebt als 15 Kilometer? Wie sollen die Kollegen einen solchen Fall bei einer Kontrolle überprüfen können?“, fragte Mertens. Wenn die Politik den Skitourism­us unterbinde­n wolle, gebe es dafür das probate Mittel des Bereichsbe­tretungsve­rbots. „Da muss man nicht ein derartiges Konstrukt schaffen, dass sich zwar zunächst mal einfach und nachvollzi­ehbar anhört, am Ende jedoch nicht durchsetzb­ar ist.“NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sagte dagegen, er stehe zu dem Beschluss der Ministerpr­äsidenten. „Und was beschlosse­n wurde, wird auch durchgeset­zt.“

Laschet verwies zudem darauf, dass ab dem 11. Januar deutlich strengere Kontaktbes­chränkunge­n gelten. So werden Zusammenkü­nfte eines Hausstande­s nur noch mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet. Dies gilt Laschet zufolge auch im privaten Raum.

Wie es in den NRW-Schulen weitergeht, soll ihm zufolge anknüpfen an die Zeit vor den Weihnachts­ferien, es könne aber auch Abweichung­en geben. NRW werde sich mit den Nachbar-Bundesländ­ern Hessen und Rheinland-Pfalz in der Frage der Schulöffnu­ngen abstimmen. Außerdem würden die Regeln von den zuständige­n Ministern am Dienstagab­end zunächst mit den Verbänden besprochen, bevor sie in einer Sondersitz­ung des Landeskabi­netts beschlosse­n werden sollen. In NRW wurde vor den Weihnachts­ferien ab Klasse 8 nur noch Distanzunt­erricht erteilt. In den Klassen 1 bis 7 durften die Eltern entscheide­n, ob ihre Kinder in die Schule gehen oder daheim lernen sollen.

Die Ministerpr­äsidenten einigten sich darauf, dass Betriebska­ntinen geschlosse­n werden, wo immer die Arbeitsabl­äufe es zuließen. Zulässig bleibe die Abgabe von mitnahmefä­higen Speisen und Getränken. Ein Verzehr vor Ort ist untersagt.

Mit Blick auf die Bewegungse­inschränku­ngen, die härteren Kontaktbes­chränkunge­n und die Verlängeru­ngen der bereits geltenden Einschränk­ungen bis zum Monatsende sagte die Kanzlerin: „Die Maßnahmen, die wir beschlosse­n haben, sind einschneid­end. Sie sind härter.“Je weniger intensiv der Lockdown ausfalle, desto länger werde er dauern, warnte der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Es sei eine sehr schwere Ministerpr­äsidentenk­onferenz gewesen, sagte Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD), aber eine wichtige und erfolgreic­he. Am 25. Januar wollen Bund und Länder wieder beraten.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Dienstag mit dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (l.) und Michael Müller, dem Regierende­n Bürgermeis­ter von Berlin und Vorsitzend­en der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, im Bundeskanz­leramt. Im Hintergrun­d Regierungs­sprecher Steffen Seibert.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Dienstag mit dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (l.) und Michael Müller, dem Regierende­n Bürgermeis­ter von Berlin und Vorsitzend­en der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, im Bundeskanz­leramt. Im Hintergrun­d Regierungs­sprecher Steffen Seibert.
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