Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Briten kämpfen mit drittem Lockdown gegen Virus-Mutation
LONDON Der britische Premierminister Boris Johnson wandte sich in einer Fernsehansprache mit schlechten Nachrichten an die Nation. Die neue Mutation des Coronavirus, bekannt als B.1.1.7., breite sich „in einem alarmierenden und frustrierenden Maße“aus. Daher, so Johnson, bliebe ihm keine andere Wahl, als einen dritten nationalen Lockdown zu verkünden. Ab Mittwoch werden in ganz England wieder scharfe Beschränkungen des öffentlichen Lebens eingeführt. In Schottland, Nordirland und Wales gelten sie schon jetzt.
Wieder bedeutet das, dass die Bürger nur aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen, nur lebensnotwendige Geschäfte öffnen und sämtliche Schulen geschlossen werden. Zur Arbeit gehen darf nur, wem es unmöglich ist, von zu Hause aus zu arbeiten. Nur unbedingt notwendige Auslandsreisen sind erlaubt, für Einreisende soll es eine Testpflicht geben. Mindestens bis zum 15. Februar wird der Lockdown gelten, und eine Lockerung hängt davon ab, wie viele Menschen bis dahin geimpft werden können.
Denn das ist die Doppel-Strategie der britischen Regierung, um die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen: Neben dem Lockdown sollen über die nächsten sieben Wochen 13 Millionen Briten immunisiert werden. Die Corona-Mutante B.1.1.7. ist bis zu 70 Prozent ansteckender als der bisherige
Stamm, ihre Ausbreitung kann wieder zu einem exponentiellen Infektionsgeschehen führen. Dadurch wird der Kampf gegen Corona zu einem Rennen zwischen Infektion und Injektion.
Großbritannien hat derzeit zwei Impfstoffe zur Verfügung: das von Biontech/Pfizer entwickelte Vakzin sowie den sogenannten Oxford-Impfstoff. Es werden vorerst die Risikogruppen immunisiert: Bewohner von Seniorenheimen und Pflegekräfte, über 70-Jährige, die
Mitarbeiter im Gesundheitsdienst sowie besonders gefährdete Menschen mit Vorerkrankungen. Gelingt die Massenimpfung, könnte man nach amtlichen Schätzungen bis zu 88 Prozent der Corona-Todesfälle vermeiden. Freilich müsste man es schaffen, pro Woche zwei Millionen Menschen zu immunisieren.
Die Verhängung des dritten Lockdowns stößt in der Öffentlichkeit auf Zustimmung. Eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts ComRes
zeigte, dass 79 Prozent der Briten dafür sind. 62 Prozent denken jedoch, dass die Regierung in der Corona-Pandemie zu spät gehandelt hat. Tatsächlich ist Verschleppung und Verzögerung ein Leitmotiv des Corona-Managements von Boris Johnson. Noch am Sonntag hatte der Premierminister in einem Interview erklärt, dass die Schulen sicher seien und die Eltern ihre Kinder aus den Ferien zurückschicken sollten – einen Tag später kam die Order, alle Schulen zu schließen.