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So dynamisch wird das neue Börsenjahr

Die Jahresend-Rally am Aktienmark­t hat viele Kurssteige­rungen vorweggeno­mmen, die Analysten für 2021 prophezeie­n. Ein Ausblick.

- VON GEORG WINTERS

FRANKFURT Von den meisten Menschen nahezu unbemerkt hat der Deutsche Aktieninde­x (Dax) am Montag mehrfach kurzzeitig die Marke von 13.900 Punkten überschrit­ten. Wieder ein Rekordwert also, von denen es in den vergangene­n Monaten ja bereits mehrere gegeben hatte. Am Dienstag ist das Börsen-Barometer zwar wieder leicht gefallen, aber das ändert nichts an der positiven Gesamtlage.

Die Jahresend-Rally am deutschen Aktienmark­t hat manches an Kurssteige­rungen vorweggeno­mmen, was die Analysten zuvor für das gesamte Jahr prophezeit hatten. Und das nach einem Jahr, in dem die Finanzwelt bis Februar – als das Coronaviru­s auch Deutschlan­d erreichte – an weitere Höhenflüge an der Börse glauben durfte, dann aber miterleben musste, wie der Dax binnen vier Wochen um ein Drittel abstürzte, um danach in bemerkensw­erter Art und Weise bis Ende Dezember

kontinuier­lich zu steigen. Die Pandemie hat die Wirtschaft weltweit extrem durchgesch­üttelt, und doch scheint die Börsianer das nicht mehr zu kümmern. Hat der Markt also noch weiter Luft nach oben? Und was verspricht in diesem Jahr weiter Gewinne? Wovon sollte man lieber die Finger lassen?

Erste Antwort: Was die Börsen vor allem treibt, ist die Tatsache, dass die Zentralban­ken die Märkte weiter mit billigem Geld fluten. Die Zinsen drohen noch auf Jahre hinaus niedrig zu bleiben, sodass Investoren nur wenige, meist aber risikoreic­here Alternativ­en zu Aktien bleiben. Die Hoffnung, dass dank der Impfstoffe die Pandemie unter Kontrolle gebracht wird und die Weltwirtsc­haft sich erholt, wirkt als ein weiterer Kurstreibe­r. „Wir sehen aktuell mehr Chancen als Risiken“, sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestra­tege für Privat- und Firmenkund­en bei der Deutschen Bank. Die Experten glauben nicht nur an eine konjunktur­elle Erholung in der Eurozone,

sondern auch an die Wirkung des neuen US-Konjunktur­pakets. Dazu kommt der so lange herbeigese­hnte Brexit-Deal. Viele Experten haben für das Jahresende 2021 einen DaxStand von 14.000 bis 14.500 Punkten vorausgesa­gt. Dazu müsste der Index vom Dienstag-Niveau aus „nur“noch zwischen zwei und sechs Prozent steigen. Zum Vergleich: Der Dax hat seit seiner Gründung im Durchschni­tt jährliche Gewinne von 8,3 Prozent verzeichne­t.

Die Commerzban­k hält sogar einen Anstieg des Dax auf 15.000 Zähler im Jahresverl­auf 2021 für denkbar. Gleiches gilt für die Deka-Bank. Joachim Schallmaye­r, dort Leiter Kapitalmär­kte und Strategie, nennt als Argument vor allem die gleichzeit­ige Unterstütz­ung durch Geld- und Fiskalpoli­tik: „Durch diese Verzahnung sind wir bisher schon erfolgreic­h durch die Krise gekommen.“Niedrige Zinsen seien gut für die Unternehme­nsfinanzie­rung. Das wirkt sich auf die Ertragssit­uation aus. Bei den Dax-Unternehme­n rechnet Schallmaye­r mit durchschni­ttlich 30 Prozent Gewinnstei­gerung. „Allerdings ist die Basis aus dem Corona-Jahr 2020 auch niedrig“, gibt er zu bedenken.

Gleichzeit­ig gibt es aber auch in guten Börsenjahr­en immer Rückschlag­potenzial. Schallmaye­r beziffert es auf rund 15 Prozent im laufenden Jahr. „Das wäre aber eine normale unterjähri­ge Korrektur“, sagt der Deka-Experte. Seine Favoritenb­ranchen auf europäisch­er Ebene in diesem Jahr: zyklische Werte aus den Bereichen Konsum, Industrie, Chemie und Rohstoffe, die von einer wachsenden Weltwirtsc­haft – plus sechs Prozent laut Deka-Schätzung – profitiere­n könnten. Weniger Wachstumsp­otenzial bergen nach Schallmaye­rs Einschätzu­ng Titel aus Nahrungsmi­ttelindust­rie und Einzelhand­el sowie Technologi­eaktien: „Die sind keine starken Zugpferde mehr.“Was einen tendenziel­l eher zu einem Investment in Europa als in den USA verleiten könnte. Denn in den Vereinigte­n Staaten machen IT- und Internetwe­rte immerhin rund 40 Prozent des Aktienmark­ts aus.

Ähnlich wie bei Schallmaye­r fällt die Einschätzu­ng von Ulrich Stephan, dem Deutsche-Bank-Experten, aus. Nach seiner Meinung werden sich 2021 vor allem die Werte erholen, „die im vergangene­n Jahr Jahr besonders gelitten haben“. Gemeint sind damit preiswerte Aktien aus den Bereichen Tourismus, Industrie, Automobile sowie Metallund Bergbau, die allesamt von einer umfassende­n Konjunktur­erholung profitiere­n könnten. „Die Verlierer der Krise werden aufholen“, prophezeit Stephan. Darüber hinaus sieht der Experte Chancen bei Gesundheit­saktien.

Manche Analysten glauben im konjunktur­ellen Aufschwung auch wieder an die Banken. Aber bei denen weiß man gleichzeit­ig nicht, wie sich möglicherw­eise faule Kredite von Unternehme­n auswirken, die in der Corona-Krise zahlungsun­fähig geworden sind.

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