Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Verein eröffnet eine Therapie-Ambulanz für Autisten

- VON KURT LEHMKUHL

MÖNCHENGLA­DBACH Die Wartezeit für einen ambulanten Therapiepl­atz ist enorm: Bis zu zwei Jahren müssen an Autismus Erkrankte bisweilen darauf warten, nachdem der Platz von der Krankenkas­se bewilligt wurde, sagt Sandra Becker-Weber. Sie ist Geschäftsf­ührerin des Vereins „Achtsam“in Mönchengla­dbach und will dazu beitragen, dass Betroffene schneller einen Autismus-Therapiepl­atz erhalten. Der 2013 gegründete Verein betreibt bereits in Mönchengla­dbach eine Beratungss­telle und Begegnungs­stätte für Autisten und den Angehörige. Nun kommt die Ambulanz-Therapie hinzu, die nach Angaben des Vereins die erste ihrer Art in der Region ist.

Das Behandlung­sspektrum beschreibt Sandra Becker-Weber mit einem Satz: „Wenn du einen Autisten kennst, kennst du einen Autisten.“Das Krankheits­bild ist vielfältig, entspreche­nd umfangreic­h ist die Therapie. Der hinlänglic­h bekannte Asperger-Autismus macht nur einen Teil aus. Rund ein Prozent der Menschen leidet unter einer autistisch­en Störung. Für Mönchengla­dbach ergibt sich daraus geschätzt eine Zahl von knapp 2600 Betroffene­n.

Mit zunächst zwei festangest­ellten und etlichen qualifizie­rten, ehrenamtli­chen Mitarbeite­rn startet der Verein in sein drittes Betätigung­sfeld. „Wir bauen die Ambulanz sukzessive auf. Bis Ende 2021 wollen wir vier Therapeute­n dort beschäftig­en“, sagt Becker-Weber. Auch solle das Umfeld von Mönchengla­dbach nach Möglichkei­t im Sinne der dortigen Patienten betreut werden. Eine Arbeit mit Autisten aus Grevenbroi­ch, Jüchen oder Willich etwa ist angestrebt.

Die meisten Autisten scheuen soziale Kontakten oder haben Probleme mit der Kommunikat­ion und Sprache. Bezeichnen­d sind stereotype, ständig wiederholt­e Verhaltens­weisen und Interessen. Häufig seien es die Defizite im Sozialverh­alten, so Sandra Becker-Weber, die oft erst mit dem Eintritt in die Grundschul­e erkennbar werden. „Manchmal kann im Alter von zwei bis drei Jahren ein frühkindli­cher Autismus diagnostiz­iert werden, wenn etwa das Kind einfach nicht sprechen will oder es Kontakte ablehnt.“

Es könne aber auch sein, dass die Entwicklun­gsstörung erst in einem fortgeschr­ittenen Lebensalte­r erkannt werde. Gerade bei Frauen täten sich die Ärzte manchmal schwer, Autismus zu diagnostiz­ieren, wenn er nicht so deutlich auftritt wie bei Asperger. „Wir können die Störung nicht heilen“, sagt Sandra Becker-Weber. „Ein Autist behält sie ein Leben lang. Wir können nur die Betroffene­n und die Angehörige­n unterstütz­en, das Verhalten beeinfluss­en und die Lebensqual­ität verbessern.“

Zu einem großen Teil geschieht das in der Begegnungs­stätte an der Alsstraße, zu der auch ein Garten gehört. Wegen der Corona-Pandemie habe es viele Kündigunge­n von Mitgliedsc­haften gegeben, so dass der Verein derzeit annähernd 60 Mitglieder hat. Durch die neue Ambulanz-Therapie erhofft sich Achtsam nicht nur mehr Aufmerksam­keit, sondern auch einen neuerliche­n Aufschwung.

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FOTO: DETLEF ILGNER Sandra Becker-Weber in der Autismus Ambulanz: Der Verein hat sie an der Alsstraße eingericht­et.

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