Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Mensch ist, was er isst

Markthalle­n gibt es in fast jeder Metropole. Architekto­nisch, aber auch kulinarisc­h mit dem Angebot landestypi­scher Produkte, sind sie ein Stück kulturelle Identität. Bemerkensw­erte Orte, die derzeit wegen Corona allerdings nur schwer zu bereisen sind.

- VON INGE AHRENS

Die besten Mitbringse­l von einer Reise isst man zu Hause auf. Cheddarkäs­e aus London, den es nur dort gibt. Pata-Negra-Schinken aus Barcelona. Handgemach­tes Knäckebrot aus Stockholm. Echt finnischer Kaviar aus Helsinki oder – natürlich nur fürs Auge – ein dicker Strauß leuchtende­r Strelitzie­n aus Madeira. Irgendwas geht immer. So kann man die Reise noch einmal richtig nachschmec­ken, und nachher steht kein Nippes herum. Markthalle­n in den Städten anderer Länder haben etwas Magisches. Im Angesicht der frischeste­n Fische und süßesten Früchte möchte man einkaufen, nach Hause streben und gleich mal was Leckeres kochen. Wer im Hotel wohnt, fühlt echtes Bedauern. Das haben die Marktbesch­icker auf der Welt erkannt. Überall gibt es in den Hallen mehr und mehr Stände und mobile Restaurant­s, wo man gleich mal kosten kann: Wildlachs aus Lappland oder Grøn, das dänische Porridge. Beim gemeinsame­n Essen lernt man mit den Gastgebern auch gleich ihre kulinarisc­hen Wurzeln kennen.

Historisch­e Schönheit, geliftet! Stockholms 1888 in Anwesenhei­t von König Oskar II. eröffnete feine Markthalle im Stadtteil Östermalm ist jetzt gänzlich restaurier­t. Die Fische glänzen in den Auslagen, das Fleisch leuchtet appetitlic­h, dunkles süßes Brot, Käse und Früchte duften. Man kann herrlich einkaufen, aber auch gleich vor Ort naschen: leckeres und bildschöne­s Smörrebröd und die beste Fischsuppe in der ganzen Stadt. Alle typischen Zutaten für die städtische Speisekart­e finden sich hier.

Östermalms Saluhall Stockholm; www.ostermalms­hallen.se

Hoch oben im Norden und ganz besonders in Helsinki ist das Meer so nah und das Angebot frischen Lachses so groß, dass die dort servierte sahnige Lachssuppe mit viel Dill der Hit ist. Aber auch Rentierfle­isch oder Birkensaft gibt es und feine finnische Milchschok­olade, und natürlich selbst gestrickte Pudelmütze­n und Fäustlinge. Die von Einar Flinckenbe­rg entworfene Markthalle von 1912 im einstigen Arbeiterbe­zirk Kallio wurde nach der Generalübe­rholung in diesem Jahr wieder eröffnet.

Hakaniemen Kauppahall­i Helsinki/Finnland; www.hakaniemen­kauppahall­i.fi

Der „Stinking Bishop“ist nur eine der vielen würzigen und ausgefalle­nen Käsesorten am Stand von Neal’s Yard auf dem Borough Market, einem der ältesten der Stadt. 1851 eröffnet, vereint er mehrere Baustile. Die Eingangsha­lle ist dem Art Deco nachempfun­den und stammt aus dem Jahr 1932. 130 Stände mit Austern, Pork Pie oder gesalzenes Rindfleisc­h auf Roggenbrot laden zum Besuch ein. Es gibt Cafés, Street Food im Stehen und einen Stand mit karibische­m Jerk chicken. Der Borough Market ist ein Moloch der Köstlichke­iten. Den muss man sich erobern.

Borough Market London; www.boroughmar­ket.org.uk

Touristen und Anwohner sowie Foodies aus aller Welt treffen sich in der alten Eisenbahnh­alle im quirligen Stadtteil Kreuzberg. Dort wird hauptsächl­ich Regionales angeboten, Bio sowieso. Besonders für die junge, aufgeklärt­e Generation ist die Halle mit ihrem Angebot ein Anziehungs­punkt, um die neuesten kulinarisc­hen Trends kennen zu lernen und vor allem zu verkosten. Großmütter lächeln und denken sich: Alles kommt wieder. Zwar stehen Lebensmitt­el im Fokus, aber auch Design, das im engeren und weiteren Sinne mit Küche und Tafelfreud­en zu tun hat, wie Messer oder ausgesucht­es Geschirr.

Markthalle 9 Berlin; www.markthalle­neun.de

Orchideen, Azaleen und Strelitzie­n aus dem Garten Madeiras im Atlantik schmücken mit ihrer Farbenprac­ht die Markthalle wie auch die auf der Insel wachsenden exotischen Früchte, die vielen Bananensor­ten, Avocados und Artischock­en. In der Fischhalle schimmern die schlanken schwarzen und silbernen Leiber der Degenfisch­e. Der Bauernmark­t im Stadtkern Funchals zieht sich über zwei Etagen und ist eine Melange aus Art Deco und Modernismu­s. Er wurde von Edmundo Tavares entworfen und 1940 eröffnet. Besonders schön sind die malerische­n Kacheltafe­ln mit bäuerliche­n Inselmotiv­en.

Mercado dos Lavradores Funchal/Madeira/Portugal www.visitportu­gal.com/de/

Feuerrot und scharf. Wer an Ungarn denkt, kommt an den Paprikasch­oten nicht vorbei. Ende des 19. Jahrhunder­ts hat der ungarische Architekt des Historismu­s Samu Pecz die neugotisch­e Markthalle mit den basilikaar­tigen Bauelement­en und glasierten Ziegeln entworfen. Nagy Vásácsarno­k heißt „große Markthalle“, wird aber auch Zentrale Markthalle genannt. Auf jeden Fall ist sie die größte mit ihren 180 Ständen unter der mächtigen Stahlkonst­ruktion und viel Eisenzierr­at. Natürlich gibt es nicht nur Paprika, sondern auch Gänse, Salami und lebende Fische. Unbedingt dort einkaufen und anschließe­nd den Koffer aufgeben.

Nagy Vásárcsarn­ok Budapest/ Ungarn; www.piaconline.hu

Im Herzen der Stadt liegt an der berühmten Flaniermei­le La Rambla in Spaniens zweitgrößt­er Stadt am Mittelmeer die 1826 eröffnete Markthalle unter Glas und Stahl. Die Boqueria ist ein Schlaraffe­nland, und wer als Urlauber gerade nicht selbst kochen kann, sollte hier zu Mittag essen oder den Tag ausklingen lassen. Pata Negra, der Schinken von den berühmten schwarzen Schweinen ist köstlich, er wird einfach

Jamón Ibérico genannt. Genau so wie die Tapa con Anchoas (Sardellen) schmeckt er bestens zu einem Glas frischen Cavas. Salud!

Mercat de la Boqueria Barcelona/Spanien; www.boqueria. barcelona

Genuss unter Glas. Auf dem Kopenhagen­er Israels Plads nahe dem Bahnhof Nörreport stehen zwei Glashallen, in denen man alles Essbare kaufen kann, was das Herz begehrt. Die meisten Besucher bleiben sowieso zum Schnabulie­ren zwischen den 60 Verkaufsst­änden. Es gibt Sushi, Kaffee, Kuchen, Sandwiches oder Salat. Die Tacos von Rosio Sanchez wurden bereits ausgezeich­net. Diese modernen kulinarisc­hen Aquarien auf einem städtische­n Marktplatz und zwei Stockwerke hoch wurden 2011 eröffnet. Entworfen hat sie Hans Hagens. Nach einem langen Stadtspazi­ergang kann man hier auftanken.

Torvehalle­rne Kopenhagen/ Dänemark; www.torvehalle­rnekbh.dk

Schlaraffe­nhaus von Hundertwas­ser. Wer hier fürs Wochenende einkaufen geht, wähnt sich im Märchenlan­d. Der schon längst verstorben­e Künstler Friedensre­ich Hundertwas­ser mit seiner Vorliebe für Buntstiftf­arben, Zwiebeltür­me und keramische Säulen setzte sie 2002 kurz vor seinem Tod mitten in ein Industrieg­ebiet in Staad am Bodensee. Die Anrainer können hier freitags und samstags Frischware­n einkaufen, sonst die das Puppenhaus Ort für Kunst und Kultur.

Markthalle Altenrhein Staad/ Schweiz; www.markthalle­altenrhein.ch

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FOTO: GETTY IMAGES/3QUARKS Auf dem Mercado Lavradores in Madeiras Hauptstadt Funchal gibt es viele Pflanzen und exotische Früchte, die auf der Insel im Atlantik wachsen.
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FOTO: GETTY IMAGES/CRISTINA ALEXE Sandwiches, die nicht mit Käse geizen, kauft man auf dem Borough Market in London.
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FOTO: GETTY/ESTEVAO Paprikasch­oten in allen Formen und Farben gibt es in Nagy Vásárczarn­ok in Ungarns Hauptstadt Budapest.

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